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Die Förderung der beruflichen Integration benachteiligter Jugendlicher in der Sonderberufsfachschule

Eine Wirksamkeitsstudie zur Verbesserung des Selbstkonzepts und der Berufswahlentscheidung

AutorKlaus Ebert, Sandra Ebert
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl261 Seiten
ISBN9783656979876
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Pädagogik - Berufserziehung, Berufsbildung, Weiterbildung, Note: 1, , Sprache: Deutsch, Abstract: Durch die Verankerung der eigenen beruflichen Praxis im Berufsfeld der benachteiligten Jugendlichen im Ostalbkreis, ist die Chancenungleichheit eben dieser Zielgruppe nahezu täglich allgegenwärtig. Die Jugendlichen zeigen bedingt nur vage vorhandene Vorstellungen der beruflichen Zukunft, sowie zu den Vorstellungen über die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Doch auch aufgrund der heutigen Entwicklungen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, die durch Konkurrenz und Wettbewerbsverhältnisse geprägt sind, erhalten persönliche Kompetenzen und die eigene Profilschärfe eine immens hohe Wertigkeit und Wichtigkeit. Im Übergang zwischen Schule und Beruf wird ein wichtiger Meilenstein für die Teilhabe in der Gesellschaft gelegt. Mit der Berufswahlentscheidung findet unweigerlich eine Segregation statt, mehr noch, wer den Schritt in das Erwerbsleben nur unzureichend schafft, beispielsweise ohne Ausbildung bleibt, wird stets konfrontiert mit gesellschaftlicher Marginalisierung. Gerade benachteiligte Jugendliche befinden sich in einem Teufelskreislauf, denn oft beginnt die Stigmatisierung bereits durch die schulische Selektion. So kann im aktuellen Chancenspiegel der Bertelsmann-Stiftung nachgelesen werden, dass in Baden - Württemberg benachteiligte Schüler durchschnittlich 81 Kompetenzpunkte weniger als privilegierte Schüler aufweisen (vgl. Berkemeyer et al. 2013, S. 109 ff.). Aus dem Bildungsbericht des Ostalbkreises geht zusätzlich hervor, dass außergewöhnlich viele Jugendliche mit Migrationshintergrund Benachteiligungen beim Start in das Berufsleben erhalten, denn nahezu 70% dieser Schüler erreichen maximal den Hauptschulabschluss (vgl. Gehrmann et al., 2011). Die Gruppe der Schulabgänger, die nicht in eine duale Ausbildung oder in ein Studium mündet, verbleibt in den Bildungsgängen des Übergangssektors. Hierin finden sich 2.310 Jugendliche im Ostalbkreis (vgl. Gehrmann et al. 2011, S. 109). Der große Schritt der Berufswahlentscheidung zu einer dauerhaften beruflichen Integration benötigt ganzheitliche und umfassende Unterstützungsleistungen. Hierzu zählen vor allem aber individuelle und persönliche Entwicklungen, die das Grundgerüst zum beruflichen Erfolg darstellen. Ein positives Selbstkonzept verhilft zu einer gelingenden Berufswahlentscheidung. Dennoch wurden bis heute nahezu keine Maßnahmen entwickelt, welche diese Kompetenzen bei benachteiligten Jugendlichen gezielt fördern und auf die Wirksamkeit überprüfen. [...]

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Leseprobe

2 Theoretische Vorannahmen (K. Ebert)


 

In diesem Kapitel wird das theoretische Konstrukt definiert und das Grundgerüst erarbeitet, auf dessen Basis das Forschungsvorhaben aufgebaut ist. In einem ersten Schritt wird sich dem Lernort Schule über wissenschaftliche Literatur angenähert, indem die gesellschaftliche Verortung vorgenommen, die Erkenntnisse aus der Bildungsberichterstattung wiedergegeben und der Benachteiligungsbegriff geklärt werden. Es wird wissenschaftlich aufgearbeitet, welche Systeme und Mechanismen das Individuum in seinem Handeln und seiner ganzen Persönlichkeit beeinflussen und wie diese Bilder vom Selbst im Selbstkonzept zusammentreffen.

 

In einem weiteren Schritt werden die Berufsorientierung und die damit eng verbundenen Einflussfaktoren der Jugendlichen in ihrem Umfeld erfasst, ehe dann die Berufswahltheorien von Holland und Super und den verknüpften theoretischen Vorannahmen, welche in die Berufswahlentscheidung münden, skizziert werden. Im Anschluss daran wird das System der Sonderberufsfachschule im Übergangssegment Schule – Beruf mit der Personengruppe der benachteiligten Jugendlichen und das zu untersuchende SMS – Trainingsprogramm erläutert. Am Ende des Kapitels folgt der aktuelle Stand der Forschung und es wird der Zusammenhang zwischen den theoretischen Grundannahmen hergestellt.

 

2.1 Bildungssystem und Chancengleichheit


 

2.1.1 Aufgabe und Funktion von Schule (S. Ebert)


 

Unsere Gesellschaft kann nach Fend (2008, S. 35f.) in drei Subsysteme gegliedert werden, welche sich untereinander im Austausch befinden. Das politische System stellt die Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen Miteinanders auf und regelt auf Grundlage einer vom Volk gewählten Vertretung aktuelle Fragen zur Ausrichtung der Gesellschaft. Das Wirtschaftssystem produziert Güter, benötigt Arbeitskräfte und Konsumenten, welche die hergestellten Waren erstehen. Das Bildungssystem als drittes Subsystem ermöglicht den Gesellschaftsmitgliedern, Qualifikationen zu erreichen, die wiederum Zugänge zur Arbeitswelt eröffnen.

 

 

Abb. 1: Gesellschaftliche Teilsysteme (Fend 2008,S. 36, zit. n. Grimm 1987, S. 11)

 

Im Folgenden soll der Fokus auf das Bildungssystem gerichtet werden, da dieses die Grundvoraussetzungen für den Übergang der Jugendlichen von der Schule zum Beruf mitgestaltet. Es soll nun der Frage nachgegangen werden, welche Aufgaben und Funktionen an die Schule in der hoch entwickelten modernen Welt übertragen werden.

 

Ein wichtiger Aspekt bei der Errichtung unseres Bildungssystems ist, Kinder und Jugendliche in Bildungseinrichtungen zielgerichtet in eine bestimmte gewünschte Richtung zu entwickeln und zu prägen (vgl. Fend 2008, S. 37f.; Diederich et al. 1997, S. 110f.). Werden die historischen Wurzeln betrachtet, wurde das Schulsystem im Dritten Reich durch die Machthaber genutzt, um Schülern eine Weltsicht anhand einer einzigen geltenden sozialen Ordnung kulturelle Werte zu vermitteln, die alternative Weltsichten nicht zuließen. Diese Erfahrung brachte eine Entwicklung in Gang, welche heute in den westlichen Gesellschaften eine gewisse Offenheit an Werten in den Bildungseinrichtungen ermöglichen und den Menschen zu einem rationellen, vernünftigen und selbständigen Menschen erwachsen lassen möchte.

 

Die Stärkung des politischen Systems, der Demokratie, soll hierbei verfolgt und gesichert werden. Die Aufgaben von Schule sieht Fend (2008, S. 13) in „der Menschenbildung, der Arbeit an den Kompetenzen, Haltungen und psychischen Strukturen heranwachsender Menschen“. Schule „zielt auf die Internalisierung von kulturellen Grundüberzeugungen und auf die Weitergabe von Wissen und Fertigkeiten. […] Bildungssysteme sind, inhaltlich gesehen, Institutionen, die die gesellschaftlich gewollte, verstetigte und methodisierte Menschenbildung und Kulturübertragung realisieren. Sie arbeiten an der „Seele von Heranwachsenden“, an ihren mentalen Strukturen und an ihrem Wertesystem.“ (Fend 2008, S. 29f.).

 

Die Funktion der Schule wird dementsprechend darin gesehen, Schüler Bildung erfahren zu lassen, mit dem Ziel, sie in ihrer Persönlichkeit, orientiert an den Werten und Interessen der Gesellschaft, zu entwickeln. Die Pflege der kulturellen Identität, die Kultivierung der gesellschaftlichen Tradition und die Integration in das System können als die Interessen der Schule betrachtet werden (Enkulturationsfunktion). Die Integration in das System bezieht sich einerseits auf das soziale System, dies wird angestrebt über die Vermittlung von Normen und Werten (Integrationsfunktion), sowie andererseits auf das berufliche System (Qualifikationsfunktion). Das Bildungssystem hat die Aufgabe, Qualifikationen bereitzustellen, durch welche junge Erwachsene die Grundvoraussetzungen erlangen, ihren Lebensunterhalt selbständig zu sichern, ihr Know-How nach dem Verlassen des Schulsystems in das Wirtschaftssystem so einzubringen, dass es die Wirtschaft des Landes mit der Konkurrenz anderer Volkswirtschaften aufnehmen kann.

 

Daneben wird der Schule eine Allokationsfunktion zugeschrieben, was bedeutet, dass die in der Gesellschaft benötigten Berufspositionen mit Hilfe der Schule von einer Generation auf die nächste verteilt werden, indem die Institution diesen Verteilungsprozess der Schüler auf die Berufspositionen mittels der auf Leistungen basierten Zuweisung in die Schularten unterstützt. Diese Verteilungsfunktion wurde immer wieder kritisch diskutiert, da diese Aufgabe einerseits von den sozial stärkeren Klassen ausgeführt wird und die immense Herausforderung impliziert, jedem Schüler eine Tätigkeit in der Gesellschaft zuordnen zu können, die seinen Fähigkeiten am optimalsten entspricht (vgl. Fend 2008, S. 49ff.; Diederich et al. 1997, S. 68ff.). Durch diese Funktion wird Schule zum Entscheidungskriterium für die berufliche und soziale Laufbahn, oder in den Worten Fends (2008, S. 44) zum „Instrument der Lebensplanung“.

 

Die zugesprochenen und oben diskutierten Funktionen von Schule gehen nach Fend (2008, S. 19) auf zwei Strömungen zurück: Auf der einen Seite steht der Struktur-Funktionalismus, welcher den ursprünglich einzigen externen Bezug der Schule zur Kultur um neue gesellschaftliche Akteure wie bspw. der Wirtschaft oder Politik ergänzte. Dieser Ansatz unterstützt das Verstehen gesamtgesellschaftlicher Abläufe und zeigt die Bereiche bspw. der Persönlichkeitsentwicklung und Kompetenzbildung auf, bei der die Schüler unterstützt werden und ihre Integration in die Erwachsenenwelt gelingen soll. Auf der anderen Seite wird die Sozialisationstheorie gesehen, welche den Schüler in der Ganzheitlichkeit seiner schulischen Erfahrungsräume, die einen Einfluss auf seine Persönlichkeit nehmen, betrachtet. Es wird davon ausgegangen, dass der Schüler in seinen Gefühlen und seinem Denken, in seinem Wissen und in seinen Werten durch den gesellschaftlichen Kontext seiner häuslichen Umgebung geprägt wird.

 

Diese Prägung durch das soziale Umfeld begleitet den Menschen ein Leben lang. Diese Annahme wurde kritisch hinterfragt und eine konträre Position gegenübergestellt, welche den Menschen in seinen unzählig vielen Möglichkeiten begreift und davon ausgeht, dass der Mensch durch seine kognitiven und reflexiven Fähigkeiten in der Lage ist, sein Leben frei und selbstbestimmt zu gestalten, ohne auf die in der Sozialisationstheorie vorgenommene lebenslange Festlegung des Seins aufgrund der Prägung der kindlichen Umgebung angewiesen zu sein (vgl. Fend 2008, S. 20ff.; Diederich et al. 1997, S. 120ff.).

 

Doch die Erfüllung dieser hohen Ziele kann Schule nicht immer gewährleisten. Kinder und Heranwachsende sind Menschen mit einem starken individuellen Willen und können daher in Bildungsinstitutionen nicht als reine Objekte behandelt werden. So hängt es auch maßgeblich vom jeweiligen Menschen ab, wie er seine Umgebung wahrnimmt und konstruiert und damit auch, welche Erfahrungen mit der Lern- und Sozialisationsumgebung Schule gemacht werden. Zudem entscheidet der Schüler darüber, mit welchem Anspruch, Interesse und Engagement die Bildungsangebote wahrgenommen werden und welche Motivation in das Erreichen einer Qualifikation aufgewandt wird. „Es sind die einfachen Dinge im Alltag der Schule und des Klassenzimmers, ja der konkreten Arbeit der Lehrer, die einen Unterschied machen - die Differenz zwischen Klarheit und Chaos, Ermutigung oder Skepsis, Unterstützen oder Ignorieren; und die Einstellung der Schüler, die der Schule die Bedeutung gibt, die sie gewinnen kann.“ (Diederich et al. 1997, S. 239). Der Umgang der Pädagogen mit diesen unterschiedlichen Persönlichkeiten und verschiedenen Wirklichkeiten stellt für die Institution Schule und den darin arbeitenden Pädagogen eine große Herausforderung dar, da sie im Vergleich zu anderen Disziplinen keine naturwissenschaftliche Grundlage haben, welche klare und sichere Erkenntnisse liefern und eindeutige Handlungsanweisungen für den Umgang mit dieser Situation geben können. Aus dieser Unsicherheit des Handelns im pädagogischen Setting wird die Pädagogik als „weiche Technologie“ bezeichnet, als Abgrenzung von Parsons „Technologie“ - Begriff (vgl. Fend 2008, S. 28).

 

In der modernen Gesellschaft wird der Institution Schule von der demokratischen Gesellschaft also die Aufgabe übertragen, Schüler in ihrer persönlichen Entwicklung zu stärken und ihnen die...

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