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Die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in NRW

AutorBritta Wertenbruch
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl99 Seiten
ISBN9783640239801
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Pädagogik - Schulwesen, Bildungs- u. Schulpolitik, Note: 1,8, Ruhr-Universität Bochum (Pädagogisches Institut ), Sprache: Deutsch, Abstract: Seit Mitte der 1950er Jahre entwickelte sich Deutschland, deutlich zu einem Einwanderungland. Migration wurde zunächst jedoch nur als vorübergehende Phase angesehen. Im Laufe der Jahre hat sich jedoch herausgestellt, dass die ehemaligen Gastarbeiter mit ihren Familien langfristig in Deutschland bleiben und die Integration der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine wichtige und dauerhafte Aufgabe der Schule werden würde. Die spezifischen Probleme, die dem Bildungssystem aus der Migration erwachsen, traten in der Bundesrepublik erst spät - durch die Studie des Programms for International Student Assessment (kurz: PISA) - in den Fokus der Bildungspolitik. Die schlechten Ergebnisse der PISA-Studie dürfen als Indiz dafür gelten, dass es der deutschen Schule in den letzten drei Jahrzehnten nicht gelungen ist, auf die Migration in Deutschland in einer Weise zu reagieren, die den SuS mit Migrationshintergrund eine angemessene Bildungsbeteiligung und -erfolg ermöglicht hätte. Dabei war und ist das Prinzip der Chancengleichheit zweifellos ein Grundsatz für die Gestaltung des deutschen Bildungssystems. Diese Prämisse wird nicht zuletzt durch Artikel 3, Absatz 3, des Grundgesetzes inhaltlich vorgegeben: 'Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.' Dass das deutsche Schulsystem Kinder und Jugendliche nicht gleichbehandelt stellte auch UN-Sonderberichterstatter VERNOR MUÑOZ in seinem BERICHT FÜR DAS RECHT AUF BILDUNG IN DEUTSCHLAND fest. Dieser inspizierte im Auftrag der Vereinten Nationen im Feburar 2006 - sechs Jahre nach dem ersten PISA-Schock - das deutsche Schulsystem und präsentierte im März 2007 seinen ernüchternden Deutschlandbericht. Dieser charakterisiert das deutsche Schulsystem wie folgt: 'Selektiv, diskriminierend, undemokratisch - das deutsche Schulsystem bietet nicht allen Kindern die gleichen Chancen. [...] und das Recht auf Bildung wird nicht überall ausreichend umgesetzt.

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Leseprobe

2 Die Bildungsbeteiligung und der Bildungserfolg von Schülern mit Migrationshintergrund im nordrhein-west­fälischen Schulwesen

 

In keinem anderen Land hängt der schulische Erfolg so eng mit der sozialen Herkunft zu­sammen wie in Deutschland. Besonders Kinder aus sozial schlechter gestellten Familien und Kinder mit Migrationshintergrund haben es schwer, in der Schule erfolgreich zu sein. Pisa hat gezeigt, dass Deutschland im internationalen Vergleich viel zu spät mit den Bildungsanstren­gungen beginnt. Gerade für Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund lassen sich spezi­fische Problemlagen, die im Folgenden näher erläutert werden, identifizieren, welche die schulischen Entwicklungsverläufe beeinträchtigen.[6] Im Weiteren wird nun die Situation der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den verschiedenen deutschen Bil­dungsinstitutionen betrachtet. Zwischen den einzelnen Bundesländern bestehen erhebliche Unterschiede im Umfang und der ethnischen Struktur der Zuwanderung. NRW zählt zu einem der Bundesländer mit den meisten 15-Jährigen SuS mit Migrationshintergrund [7] und wird im Folgenden im Fokus der Betrachtung stehen. Dies wird sich an manchen Stellen allerdings als schwierig erweisen, da für einige Aspekte keine landesspezifischen empirischen Auswertun­gen stattgefunden haben. Bei diesen Gesichtspunkten wird die Lage in Deutschland repräsen­tativ für die Lage in NRW dargelegt.

 

2.1 Der Elementarbereich

 

Der Elementarbereich stellt die erste Stufe des institutionalisierten Erziehungs- und Bildungs­systems der Bundesrepublik Deutschland dar und umfasst alle Einrichtungen, die die Familie in der Erziehung der Kinder zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr unterstützen und ergänzen. Dieser stellt somit eine eigenständige Bildungsstufe des deutschen Bildungssystems dar, welche allerdings anders als die schulische Bildung nicht vom Staat, sondern von kirchli­chen und kommunalen Verbänden getragen wird. Die Aufgabe des Kindergartens liegt in der Förderung und Unterstützung des Kindes in seiner elementaren Entwicklung. Neben den mo­torischen, kreativen, emotionalen, sozialen und kognitiven Prozessen betrifft dies auch sprachliche Entwicklungsprozesse.[8]

 

Nachdem internationale Vergleichstudien belegt haben, dass Bildungs- und Sozialisations­leistungen - die von Kindergärten erbracht werden - langfristige individuelle und gesell­schaftliche Wirkungen haben, ist der Elementarbereich in den Blick des Interesses gerückt.[9] Die Förderung der kognitiven und sozialen Kompetenzen stehen im Kindergarten zwar an erster Stelle, dennoch wird dem Kindergartenbesuch eine große Bedeutung als eine auf den Schulalltag vorbereitende und zur Schulfähigkeit führende Form der institutionellen Betreu­ung beigemessen. Der Kindergarten ermöglicht Kindern mit Migrationshintergrund, sich sprachlich zu integrieren und bereits vor der Einschulung kognitive, soziale und sprachliche Defizite abzubauen.[10] Der Kindergartenbesuch stellt für Kinder mit Migrationshintergrund einen wichtigen Bestandteil der vorschulischen Förderung dar und hängt statistisch mit einer erfolgreichen Schulkarriere zusammen. Verschiedene internationale Vergleichstudien bestäti­gen zudem einen positiven Zusammenhang zwischen dem Besuch bzw. der Besuchsdauer elementarpädagogischer Einrichtungen und schulischer Leistungen.[11]

 

Seit der Einführung des Rechtsanspruches auf einen Kindergartenplatz im Jahr 1996 findet bezüglich der Kindergartenbesuchsquote eine Angleichung zwischen deutschen und ausländi­schen Kindern statt. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in Kindertageseinrich­tungen in NRW hat sich seit Beginn der 1990er Jahre quantitativ erhöht. Während der Anteil an Migrantenkinder in Tageseinrichtungen 1991 noch unterrepräsentiert war, liegt er 2002 drei Prozentpunkte über ihrem Anteil an der altersentsprechenden Bevölkerung (vgl. Tabelle 1).[12]

 

Problematisch ist allerdings, dass viele Kinder mit Migrationshintergrund in Kindertagesstät­ten untergebracht sind, in denen der Anteil an Migrantenkindern überdurchschnittlich hoch ist. In der ganzen Bundesrepublik findet man im Durchschnitt 64,4 % der Kinder mit Migrati­onshintergrund in Kindertageseinrichtungen, in denen der Anteil der Migrantenkinder über dem Durchschnitt liegt. Im Hinblick auf das Bundesland NRW ist festzuhalten, dass der An­teil der Kinder mit Migrationshintergrund, die eine Tageseinrichtung mit überdurch­schnittlich hohem Anteil von MuM besuchen, unter dem Bundesdurchschnitt liegt (vgl. Tabelle 2).[13] Ein Grund für diese überdurchschnittliche Migrantendichte in den Tageseinrichtungen dürfte darin liegen, dass die Einzugsgebiete kleinräumig sind und dadurch die sozialraumbezogenen Segregationsprozesse der einzelnen Stadtteile abgebildet werden. Diese Situation verschärft sich noch einmal, wenn die Daten unter der Perspektive der nicht­deutschen Familiensprache ausgewertet werden. Dabei zeigt sich für das Jahr 2006, dass in NRW über 30 % aller Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache Einrichtungen besuchen, in denen 50 % und mehr eben­falls zu Hause nicht Deutsch sprechen (vgl. Abbildung 1).[14] Die sprachlichen Kompetenzen der Kinder in Kindertageseinrichtungen sind demnach alles andere als homogen.[15]

 

Neben der institutionellen Betreuung im Kindergarten wird die kindliche Entwicklung durch die familiäre Erziehung beeinflusst. Die Zusammenarbeit zwischen den Eltern und den Kin­dertageseinrichtungen gehört zum pädagogischen Selbstverständnis der Kindertageseinrich­tungen und wird aus diesem Grund auch in den gesetzlichen Vorgaben verankert (vgl. SGB VIII, 3. Abschn. § 22a Absatz 2). Familien und Kindertageseinrichtungen sind gemeinsam für das Wohl und die Entwicklung der Kinder verantwortlich. Daher ist es von großer Bedeutung, dass die Eltern bzw. Familien mit Migrationshintergrund sich in den Kindertageseinrichtun­gen engagieren und am alltäglichen Geschehen teilnehmen;[16] denn eine Förderung der Kinder wirkt sich positiv für sie aus und wäre ohne den Einbezug der Eltern gar nicht möglich.[17]

 

Festzuhalten ist, dass der Kindergarten die erste institutionelle Betreuungsform im deutschen Bildungssystem darstellt. Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund liegt 2002 im Vergleich zu den 1990ern knapp über dem Anteil an der altersentsprechenden Bevölkerung. Demnach hat eine Angleichung zwischen deutschen und nichtdeutschen bzw. Kindern mit Migrationshintergrund hinsichtlich der Kindergartenbesuchsquote stattgefunden. Problema­tisch ist jedoch, dass Kinder mit Migrationshintergrund Kindergärten besuchen, in denen der Migrantenanteil überdurchschnittlich hoch ist. Darüber hinaus spricht die Mehrzahl der Kin­der in ihrem familiären Umfeld nicht deutsch. Die Förderung in der deutschen Sprache stellt somit eine wesentliche Aufgabe des Elementarbereichs dar. Besonders für Kinder mit Migra­tionshintergrund ist es wichtig, so früh wie möglich mit der deutschen Sprache in Kontakt zu kommen. Die familiäre Unterstützung bzw. das Engagement der Eltern ist für die Arbeit im Kindergarten von großer Bedeutung, denn ohne deren Hilfe ist eine erfolgreiche Förderung der Kinder nicht möglich. Neben dem Ausgleich von kognitiven, sozialen und sprachlichen Defiziten ist der Besuch einer Kindertageseinrichtung für die Attestierung der Schulfähigkeit und für eine erfolgreiche Schulkarriere von wesentlicher Bedeutung.

 

Ob und inwiefern Kinder mit Migrationshintergrund beim Übergang vom Kindergarten in die erste Stufe des institutionellen Bildungswesens – dem Primarbereich – ungleich behandelt werden und wie sich diese Benachteiligung im Einzelnen ausdrückt, wird im Folgenden the­matisiert.

 

2.2 Der Primarbereich

 

Nachdem im letzten Jahrzehnt eine Angleichung zwischen deutschen Kindern und Kindern mit Migrationshintergrund bezüglich der Kindergartenbesuchsquote stattgefunden hat, sind Migrantenkinder hingegen in Vorschulen bzw. Schulkindergärten deutlich überrepräsentiert. So besaßen im Schuljahr 2003/2004 22,7 % der Kinder in Vorklassen und genau 25 % der Kinder in Schulkindergärten eine ausländische Staatsangehörigkeit (vgl. Tabelle 3). Diese Überrepräsentanz erklärt sich nach den Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration vor allem aus deren häufigeren Zurückstellungen bei der Einschulung aufgrund mangelnder Sprachkompetenzen.[18]

 

Migrationsspezifische Daten zum Schuleintritt liegen zwar kaum vor, aber dennoch sind Un­terschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund an den Merkmalen vorzei­tiger und verspäteter Einschulungen zu erkennen.[19] So zeigt sich in NRW, dass die Zunahme vorzeitiger Einschulungen und die Abnahme von Zurückstellungen bei ausländischen Kindern parallel zur Entwicklung der deutschen Kinder verläuft, nur dass der Anteil vorzeitiger Ein­schulungen bei ausländischen Kindern um etwa ein Drittel geringer ausfällt und die Zurück­stellungen etwa doppelt so hoch sind (vgl. Abbildung 2).[20]

 

Weiterhin weist das Verhältnis von ausländischen Wiederholern im Vergleich zu deutschen...

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