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Die Frauenfigur in der (west-)europäischen Literatur um 1800 in Austens 'Emma', Flauberts 'Madame Bovary' und Fontanes 'Effi Briest'

AutorNikola Schulze
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl66 Seiten
ISBN9783640712274
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Literaturwissenschaft - Vergleichende Literaturwissenschaft, Note: 1,7, Ruhr-Universität Bochum (Germanistik), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Schrift hat in der Geschichte der Menschheit stets eine bedeutende Rolle gespielt. Mit der Literatur im engeren Sinne, vor allem seit Erfindung des Buchdrucks, wurde und wird das Leben vieler Menschen revolutioniert. Literatur hat die Menschen von jeher bewegt, beeindruckt und zum Nachdenken veranlasst. Die vorliegende Arbeit widmet sich der Frage, in welchem Maß Literatur Einfluss auf eine Gesellschaft hat. Da es aber viele Aspekte gibt, unter denen man diese Beziehung untersuchen kann, werde ich mich auf ein Thema beschränken, an dem man meiner Meinung nach besonders diesen Einfluss bemerken kann: Die Darstellung der Frau. Das 19. Jahrhundert bietet dabei den reichhaltigsten Hintergrund, da hier bereits eine Menge Literatur in Form von Zeitungen, Romanen oder wissenschaftlichen Abhandlungen existierte, die von immer mehr Menschen gelesen wurden. Besonders die Erziehungsromane erhielten Einzug in die bürgerlichen und adeligen Haushalte. Gesellschaftlich ist das 19. Jahrhundert ein Zeitalter der Umbrüche: Revolutionen, Kriege, die soziale Frage und die Industrialisierung machen die Menschen sowohl geistig als auch körperlich mobil. Die Printmedien waren dabei ein wichtiger Begleiter. Diese Arbeit will versuchen, die Aspekte der Gesellschaftsforschung mit denen der Literaturanalyse zu verbinden und zieht dazu je einen ausgewählten Roman der Engländerin Jane Austen, des Franzosen Gustave Flaubert und des Deutschen Theodor Fontane heran, um die tatsächliche Stellung der Frau im westlichen Europa des 19. Jahrhunderts mit ihrer Darstellung in der Literatur zu vergleichen und einen Zusammenhang bzw. eine Wechselwirkung aufzuzeigen. Dabei soll auch auf die Veränderung bzw. Entwicklung der Lage der Frau eingegangen werden. Es stellt sich die Frage, ob die Literatur ihrer Zeit voraus war, wie es bei Jane Austen oft behauptet wird, oder hinter ihrer Zeit herhinkt, wie man es bei Theodor Fontane vermuten könnte, und warum das so ist.

Nikola Schulze, Jahrgang 1982, schloss 2006 ihr Masterstudium in Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum ab. Ein Auslandssemester in Irland war der Beginn eines reisefreudigen Lebens. Nach längeren Aufenthalten in Ungarn und Deutschland lebt sie aktuell mit ihrem Mann, ihrer Tochter und zwei Katzen in West Virginia, USA. Neben Reisen und Nähen gilt ihre Liebe den deutschen und englischen Kinderbüchern aus dem 19. Jahrhundert sowie allem rund um das Thema Lesen.

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Leseprobe

2. Die Stellung der Frau in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts


 

2.1. Allgemeines


 

Im Folgenden soll die gesellschaftliche Stellung der Frau in den jeweiligen Ländern und Zeiträumen, in denen die zu untersuchenden Romane spielen, beschrieben werden. Diese begann sich im Europa des 19. Jahrhunderts langsam zu verändern. Die Frauen fingen nach der Französischen Revolution vereinzelt an, um ihre Rechte zu kämpfen. Doch das gesamtgesellschaftliche Bild war immer noch das des Patriarchats und das hieß für viele Frauen Unterdrückung und Unmündigkeit.[4]

 

Der Ehemann hat das Recht, die Frau körperlich zu züchtigen. Als Tochter untersteht sie väterlicher Gewalt, bleibt sie ledig, bis ans Lebensende. Vater oder Mann verwalten das weibliche Vermögen und bestimmen den Wohnort. Die Frau ist also ganz männlicher Gewalt preisgegeben; fast wie ein Gegenstand geht sie aus der Verantwortung des Vaters in die des Ehemanns über.[5]

 

Die Hauptaufgaben der bürgerlichen Frau bestanden in der Betreuung der Kinder und des Haushalts und dem Engagement in der Kirche. Religion spielte eine wichtige Rolle, Ehen zwischen Katholiken und Protestanten wurden normalerweise nicht geschlossen. Die bürgerliche Frau verbrachte die meiste Zeit zu Hause, sie vertrat den privaten Bereich, während der Mann aus dem Haus ging, um seinen Geschäften nachzugehen.

 

Schon als Kind wurde die Frau in Handarbeiten unterrichtet, was sie las, bestimmte der Vater. Dieser suchte auch den Ehemann für sie aus, das Lebensziel war es, eine ,gute Partie' zu machen. Liebe spielt dabei erst in zweiter Linie eine Rolle. Im Bürgertum wurde darauf zwar wesentlich mehr Rücksicht genommen als im Adel, denn dort galt es, Geld mit Geld zusammenzuführen, aber hier wie dort war man häufig darauf aus, der Frau die Möglichkeit eines sozialen Aufstiegs zu geben.

 

In der Ehe hatte die Frau ihrem Mann zu gehorchen, ihre Pflichten zu erfüllen und Kinder zu gebären und aufzuziehen. Männern gegenüber hatte sie nur zu sprechen, wenn sie gefragt wurde und besaß keine eigene Meinung. In Deutschland und England beschränkte sich ihre Bildung in der Regel auf Lesen und Schreiben, Französisch, Zeichnen und Handarbeiten. Die Französinnen lernten oft keine weitere Sprache. Politik sollte sie nicht interessieren. Mit diesem Wissen waren sie aber immer noch wesentlich gebildeter als die unteren Schichten - inklusive der Männer -, die meist noch nicht einmal lesen und schreiben konnten.[6]

 

Nicht nur in Schulen oder am häuslichen Tisch fertigten Frauen Handarbeiten an, während vorgelesen, musiziert oder Konversation gemacht wurde, sondern auch auf gemischtgeschlechtlichen Geselligkeiten.[7]

 

Die Lebenserwartung der Frauen in diesem Jahrhundert war aufgrund der schlechten hygienischen Verhältnisse nicht besonders hoch. Viele starben an Kindbettfieber, Tuberkulose oder Schwäche, verursacht durch die vitaminarme Nahrung, die vielen Geburten und das eng geschnürte Korsett. In den Familien gab es dadurch häufig Stiefkinder und Halbgeschwister, da die Männer nach dem Tod einer Frau meist schnell wieder heirateten.

 

Obwohl die gut situierten bürgerlichen Frauen mehrere Dienstboten für die grobe Arbeit hatten, blieben noch genug Aufgaben für sie übrig, da alles von Hand hergestellt werden musste. Vor allem die Waschtage, die meist einmal im Monat stattfanden, stellten eine immense Anstrengung für die Frauen dar.

 

Im Leben der Frau entstand (...) eine unüberbrückbare Kluft zwischen Wirklichkeit und Wunschwelt. Unausgefülltheit und Langeweile nährten eine ständige, oft vage Sehnsucht nach einem erfüllteren Leben, die dem Frauentyp der Zeit etwas Melancholisches (...) gab (...).[8]

 

2.2. England um 1800


 

Das Leben einer Frau aus dem englischen Landadel (gentry) war zu Beginn des 19. Jahrhundert etwas weniger streng als davor und danach. Das zeigte sich am deutlichsten an der Kleidung: Es gab noch keine Korsetts, sondern nur so genannte Stays, eine Art Schnürmieder, das weniger steif war, und keine Reifröcke. Dieser Empirestil ließ den Frauen eine relativ große Bewegungsfreiheit und war weder so freizügig wie zur Zeit der französischen Revolution, noch so hoch geschlossen wie im Viktorianismus.

 

Trotzdem war das Leben der englischen Frauen geprägt durch Unterordnung. Ihre Kindheit verbrachten sie meist mit vielen Geschwistern auf dem Land unter der Obhut ihrer Mutter und einer Nanny. Die Familien, die es sich leisten konnten, verbrachten den Winter in London. Später wurde die Nanny durch eine Gouvernante abgelöst, die den Mädchen lesen und schreiben beibrachte und sie in den verschiedenen Handarbeiten und Französisch unterrichtete. In der Jugend kam dann meist noch Zeichnen hinzu und die Regeln der Etikette wurden geübt.

 

Mit der Konfirmation, die je nach Wunsch der Eltern zwischen 13 und 16 Jahren stattfand, vollzog sich auch der Eintritt in die Gesellschaft.[9] Diesen Zeitpunkt machten viele Eltern von der ersten Periode ihrer Tochter abhängig. Denn das Mädchen war nun ,mannbar' und die Zeit der Werbung konnte beginnen.[10] Die jungen ,Backfische' gingen jetzt auf viele Bälle und hielten Ausschau nach einem passenden Ehepartner. Wenn sie Glück hatten, verliebten sie sich in einen, der auch an ihnen Interesse hatte, und der ebenso in den Augen der Eltern geeignet war. Meistens wurde die Wahl des Kandidaten von der Familie gesteuert, sodass die jungen Mädchen oft nur mit solchen Männern in Kontakt kamen, die als potenzielle Ehemänner in Frage kamen. Die Wahrung der ,Unschuld' der unverheirateten Frau war das oberste Gebot. Hatte sie ihren Ruf erst ruiniert, konnte sie fast sicher sein, keinen Mann mehr abzubekommen, denn sie brachte damit „Schande über sich und ihre Angehörigen".[11]

 

Die Mehrheit der Mädchen träumte frühzeitig von einer Eheschließung, die sie aus der Abhängigkeit vom Elternhaus lösen, ihnen Sexualität mit einem Mann gestatten und ihnen einen größeren Entscheidungs- und Handlungsspielraum eröffnen sollte.[12]

 

Nach der Hochzeit bekamen die Frauen meist sehr schnell das erste Kind und in rascher Folge weitere. In der Regel hatten sie Unterstützung von einer Köchin, einem Dienstmädchen, einer Nanny bzw. Gouvernante und einer Kammerfrau. In größeren Haushalten gab es zusätzlich noch einen Kutscher, einen Knecht und einen Diener für den Herrn. Das bedeutete für die Frau, dass sie zwar die Aufsicht über Haushalt und Kinder hatte, es de facto aber kaum etwas für sie zu tun gab. Sie konnte ein bisschen reiten, handarbeiten, lesen oder Besuche machen, aber das füllte den Tag nicht aus. Viele Frauen langweilten sich deshalb. Die meiste Zeit war die Ehefrau und Mutter des gentry also zu Hause, doch hin und wieder ging sie mit ihrem Mann auf Bälle oder machte Damenbesuche bei Verwandten und Freunden.

 

Wenn sie die Jahre der Schwangerschaften überlebte und mit ihrem Mann zusammen alterte, wurde sie früher oder später Witwe, denn der Mann war manchmal bis zu 20 Jahre älter. Dann musste sie bei einem ihrer Kinder im Haushalt leben und sich nützlich machen.

 

Das Hauptziel einer Frau war also, einen Ehemann zu finden und eine Familie zu gründen. Doch gab es aufgrund der Revolutionsjahre und der napoleonischen Kriege deutlich weniger Männer als Frauen. Meist kam auf vier Frauen nur ein Mann. Dieses Missverhältnis glich sich nur durch den frühen Tod der Frauen ein wenig aus, sodass ein Mann unter Umständen bis zu vier Ehefrauen ,verschleißen' konnte. Doch zur Zeit der Werbung gab es einen Frauenüberhang, sodass die Männer die freie Wahl hatten. Das bedeutete, dass manche Mädchen keinen Ehemann abbekamen. Diese Frauen wurden in der Gesellschaft belächelt und hatten einen schweren Stand. Sie mussten entweder bei ihrer Mutter wohnen bleiben und durch Handarbeit zum Lebensunterhalt beitragen oder bei einem Bruder im Haushalt leben.

 

In ärmeren Familien waren die Frauen gezwungen, in einer fremden Familie den Dienst einer Gouvernante anzunehmen. Sie gingen damit praktisch in das Eigentum dieses Familienvorstandes über, da sie von dem Geld, das sie hier verdienten, nicht leben konnten. Oder aber sie ließen sich zu Lehrerinnen an Mädchenschulen oder zu Krankenpflegerinnen ausbilden. Doch die Berufstätigkeit einer Frau war stets an das Zölibat und die Ehelosigkeit gebunden. Das Schicksal der ,alten Jungfer' wurde den jungen Mädchen als etwas Negatives und Unnormales dargestellt.

 

2.3. Frankreich um 1850


 

Im ländlichen Bürgertum Frankreichs um 1850 ging es ein wenig anders zu als im englischen Landadel. Bei den Reichen der Bourgeoisie gab es kaum Unterschiede zum Adel, da sie diesen nachahmten, doch bei Mittelständischen und den Kleinbürgern gab es einen etwas anderen Lebenswandel.

 

Bürgerliche Mädchen verbrachten ihre Kindheit zwar auch im Haus, aber sie hatten durch den Beruf des Vaters Kontakt zur Außenwelt. Denn oft hatte dieser ein Kontor oder einen Laden unten im Haus und die Mädchen mussten dort mithelfen. Doch auch sie wurden von klein auf mit der Handarbeit vertraut gemacht und konnten nicht selbst entscheiden, welche Schulbildung sie bekamen. Auch hier stellte die Konfirmation bzw....

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