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E-Book

Die Frucht der Jahre

Spiritualität im Älterwerden

VerlagEvangelischer Verlag Stuttgart GmbH
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783920207988
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Spiritualität kann in allen Lebensphasen zu einem Glücksfaktor werden und in besonderer Weise ab der Lebensmitte - das zeigen die Autoren und Autorinnen in diesem Buch. Theologische und psychologische Aspekte spielen dabei ebenso eine Rolle wie Fragen nach dem guten Alter. Aber auch viele ganz praktische Alltagsbeispiele fließen ein: von Menschen, die in ihrem Leben neu Sinn und Zufriedenheit entdecken jenseits aller altersbedingten Einschränkungen. Gelebte Spiritualität mit stärkenden Ritualen wie Beten und Gärtnern, Wandern und Lesen, bereichert und beflügelt gerade die Lebenszeit, die mit dem Auszug der Kinder oder dem Abschied vom Berufsleben beginnt. Wer neugierig bleibt auf das, was jeder Augenblick schenkt, selbst in sehr hohem Alter, übt sich in der Kunst, bewusst zu leben und jeden Tag als kostbare Lebenszeit wahrzunehmen. Die Frucht der Jahre zeigt in vielen Facetten: Glücklich älter werden kann man lernen, wenn man es übt. Wie, dafür liefert dieses Buch wertvolle Anregungen.

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Leseprobe

Es taugt die Bitte, dass die Frucht so bunt sei wie die Blüte

Gegen die Altersresignation

Dorothea Margenfeld

Ratschläge möchte ich keine erteilen. Also will ich auch nicht solche Dinge sagen wie:

  • dass es wichtig sei, zu seinem Alter zu stehen und das Älterwerden nicht zu verdrängen …

  • dass man sich unbedingt geistig und körperlich fit halten müsse …

  • dass man den Verlustgefühlen, auch der Klage Raum geben müsse, aber umso mehr das Schöne im Leben dankbar genießen solle …

  • dass man neugierig, lernbegierig und unternehmungslustig bleiben müsse …

  • dass man alte Beziehungen und Freundschaften pflegen solle und auch neue Kontakte suchen und Gemeinschaft pflegen …

  • dass man die eigene Lebenserfahrung als ein kostbares Gut schätzen solle und zugleich für neue und andere Erfahrungen offen sein …

  • dass man sich ruhig auch im Alter noch einmischen und aktiv für etwas einsetzen darfnein muss! -, um auch so der Resignation zu wehren …

  • dass man bei aller gebotenen Vorsicht dem Misstrauen und der Angst nicht zu viel Raum geben dürfe …

  • dass man sich viel bewegen solle, spazieren gehen, wandern, tanzen und sich an der Schöpfung freuen solle …

  • dass man viel lachen solle und für Freude, für Zärtlichkeit und Liebe empfänglich sein …

Wenn ich das aber nicht will: gute Ratschläge erteilen? Was bleibt mir dann zu tun?

Wie schon manchmal habe ich mich dafür entschieden, zu Gedichten, Bildern und Geschichten Zuflucht zu nehmen. Da kann man einkehren wie in einer Herberge und sich niederlassen und sich stärken so wie es einem gerade gut tut.

Das Gedicht, mit dem ich beginnen will, stammt von der jüdischen Dichterin Hilde Domin, die in Deutschland geboren wurde und über Italien und England nach San Domingo ins Exil ging.

Hilde Domin sagt von sich selber, dass sie eigentlich nicht wirklich gläubig oder religiös sei, aber in dem Gedicht, das ich ausgesucht habe, gebraucht sie an hervorgehobener Stelle und für mich überraschend ein altes biblisches Wort. Das Gedicht ist überschrieben: „Die schwersten Wege“.

Es kommt in dunklen Farben daher, weil es viel Grund gibt zu resignieren, nicht erst im Alter. Aber dann sehen wir in dem Gedicht die Hoffnung aufblühen in hellen, leuchtenden, warmen Farben.

DIE SCHWERSTEN WEGE

Die schwersten Wege
werden alleine gegangen,
die Enttäuschung, der Verlust, das Opfer
sind einsam.

Selbst der Tote der jedem Ruf antwortet
und sich keiner Bitte versagt
steht uns nicht bei und sieht zu
ob wir es vermögen.

Die Hände der Lebenden die sich ausstrecken

ohne uns zu erreichen

sind wie die Äste der Bäume im Winter.

Alle Vögel schweigen.

Man hört nur den eigenen Schritt

und den Schritt den der Fuß

noch nicht gegangen ist aber gehen wird.

Stehenbleiben und sich Umdrehen

hilft nicht. Es muss

gegangen sein.

Nimm eine Kerze in die Hand
wie in den Katakomben,
das kleine Licht atmet kaum.

Und doch, wenn du lange gegangen bist,
bleibt das Wunder nicht aus,
weil das Wunder immer geschieht,
und weil wir ohne die Gnade
nicht leben können:

Die Kerze wird hell vom freien Atem des Tags,
du bläst sie lächelnd aus
wenn du in die Sonne trittst

und unter den blühenden Gärten die Stadt vor dir liegt,

und in deinem Hause

dir der Tisch weiß gedeckt ist.

Und die verlierbaren Lebenden

und die unverlierbaren Toten

dir das Brot brechen und den Wein reichen –

und du ihre Stimmen wieder hörst

ganz nahe

bei deinem Herzen.

„Weil wir ohne die Gnade nicht leben können“ – das ist gleichsam Hilde Domins Glaubensbekenntnis. „Ja, ich empfinde mein Leben als Gnade“, sagte sie einmal im Gespräch. „Gnade ist etwas, was man empfängt, das nicht unbedingt begründbar ist, sondern man hat Glück oder Gnade. Man kann das eine oder andere sagen. Ich sage Gnade, weil es bescheidener ist.“ Ob sie an Gott glaube, wurde sie gefragt, aber das wollte sie offen lassen. „Ich glaube an die Gnade“, wiederholt sie, „die Gnade als Geschenk“.

Ich habe diese Sätze als befreiend empfunden. Das Leben ist Gabe, Geschenk, Gnade – mit allem, was dazugehört. Mit Mut und Hoffnung, mit Glück und Verlust, mit Schmerz und Trauer. Da ist nichts, was wir machen, was wir uns antrainieren oder was wir erzwingen könnten. Wenn wir’s doch versuchen, geraten wir früher oder später unter die „Tyrannei des gelingenden Lebens“ und erliegen damit einem gnadenlosen Maßstab. Gunda Schneider-Flume, Theologieprofessorin in Leipzig, hat diese Tyrannei in einem lesenswerten Buch beschrieben, das den Titel trägt: „Leben ist kostbar – Wider die Tyrannei des gelingenden Lebens“.

Vielleicht hängt mein Zögern, Ratschläge zu erteilen, mit dieser Sorge zusammen, dass damit der Zwang zum Gelingen verstärkt und so erst recht die Resignation gefördert wird, die Mutlosigkeit ohne Hoffnung, die schiere Verzweiflung. Alter ohne Resignation ist keine Leistung, sondern eine Gnade, ein Geschenk. Ein ahnungsvolles Wissen darum, dass wir eines Tages die kleine Kerze lächelnd ausblasen dürfen, weil die Sonne scheint und blühende Gärten vor uns liegen und im Hause Gottes, das auch unser Haus sein soll, der Tisch gedeckt ist – ganz gewiss am Ende des Lebens, aber auch mitten in der Zeit, heute und morgen.

Hilde Domin ist mit ihrem lange vor ihr verstorbenen Mann in Heidelberg begraben. Für ihren gemeinsamen Grabstein hat sie den Satz gewählt: „Wir setzten den Fuß in die Luft, und sie trug.“ Die Dichterin lässt dabei offen, was uns letztlich trägt. Die Gnade bleibt für sie ein Geheimnis, ein Wunder. Deshalb sagt sie: „Nicht müde werden/ sondern dem Wunder/ leise/ wie einem Vogel/ die Hand hinhalten.“ Und weil sie ein so gebrochenes, verwundetes Verhältnis zu dieser Hoffnung hatte, liebte sie die in einem Trödelladen gefundene hölzerne Taube mit den gebrochenen Flügeln und bestimmte, dass man sie ihr mit ins Grab legte. Im Gedicht schreibt sie:


Holztaube

Taube,

wenn mein Haus verbrennt
wenn ich wieder verstoßen werde
wenn ich alles verliere
dich nehme ich mit,

Taube aus wurmstichigem Holz,
wegen des sanften Schwungs deines einzigen
ungebrochenen
Flügels.

Ich möchte dem Bild von der Taube ein anderes Bild hinzufügen. Es stammt aus einem Fotokalender von Frauen im Rems-Murr-Kreis.

Ein Wintergelände. Der Boden liegt brach, nur einige widerborstige Gräser und niedriges Gestrüpp gibt es noch und Bäume ohne Blätter, vom Wind zerzaust. Im Hintergrund Wolken, ein milchig-grauer Himmel. Im Frühling und im Sommer sitzt es sich gut auf der Bank, die Bäume geben Schatten, die Farben leuchten und der Blick geht weit ins Land. Aber im Winter ist es anders – die Frau hat sich warm angezogen – halbhohe Stiefel, eine dreiviertellange Jacke über dem Rock, ein Schal um den Hals.

Ich weiß nicht, ob sie alt ist oder jung – aber unwillkürlich muss ich bei ihrem Anblick an Bert Brecht denken mit seiner schönen Geschichte von der „unwürdigen Greisin“. Aber vielleicht verrät der zipfelnde, geschlitzte Rock auf dem Foto doch eher eine jüngere Frau.

Sie steht da, als wollte sie abheben, fliegen – die Arme ausgebreitet, ein Fuß in der Luft. Noch gibt ihr die Bank einen festen Halt, auch wenn sie da oben auf der schmalen Lehne selber die Balance halten muss.

Mich fasziniert die Frau, die es wagt, sich auf die schmale Lehne zu stellen und die sich so auf ihre Weise auflehnt gegen das bloß Dasitzen und Nichtstun und gegen den krummen Rücken.

Mit ausgebreiteten Armen steht sie da – das ist wichtig, wenn man die Balance halten will. Ein fester Standpunkt allein tut’s noch nicht. Man muss in Fühlung bleiben mit dem weiten Raum, wenn man da oben stehen will. Und bewegen muss man sich, um die Balance, das innere und äußere Gleichgewicht zu halten.

Ob in der Frau das Kind erwacht ist, das spielen und neugierig ausprobieren will, was es alles kann. Ob sie probieren will, was noch geht. Oder vielleicht hat sie so etwas noch nie probiert, aber jetzt will sie ihn wagen, den Balanceakt auf der Bank.

„Vertraue dem Weg“ heißt der Bildtitel im Kalender. Bloß – da ist überhaupt kein Weg. Die Hände greifen in den leeren Raum, der linke Fuß hängt in der Luft. Lang wird sie so nicht stehen können, die unbekannte Frau. Trotzdem: sie hat es geschafft. Sie hat sich nicht um die Leute gekümmert, die vielleicht vorbeikommen und sich wundern könnten. Sie hat sich ein Herz gefasst und ist aufdie Lehne gestiegen, hat ein, zwei Schritte gemacht und dann innegehalten. Sie spürt die Anstrengung und auch die Kraft, die für dieses Experiment einer neuen Freiheit nötig sind. Sie wird bald wieder auf den Boden...

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