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Die geprellte Gesellschaft

Warum wir uns mit der Steuerflucht von Reichen und Konzernen nicht abfinden dürfen

AutorBastian Brinkmann
VerlagDeutsche Verlags-Anstalt
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641137069
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Google, Apple, Hoeness & Co. - Wie Steuerflucht unsere Gesellschaft untergräbt
Mit schöner Regelmäßigkeit werden prominente Steuersünder enttarnt. Doch diese Fälle sind harmlos im Vergleich zum Verhalten von Konzernen wie Google, Amazon & Co., die Steueroasen in der Schweiz oder der Karibik nutzen, während in den Ländern, in denen sie ihre Umsätze erwirtschaften, das Geld für Bildung, Gesundheit und Infrastruktur fehlt. Die sogenannte Steuergestaltung ist ein Millionenspiel, das sehr wenige reich macht - und den großen Rest ärmer. Damit muss Schluss sein, meint Bastian Brinkmann. In seinem Buch enthüllt der Wirtschaftsjournalist die Tricks der Reichen und Konzerne und zeigt auf, warum der Staat nicht länger tatenlos zuschauen darf, wie er um sein Geld geprellt wird. Denn, so Brinkmann, schwerer als der finanzielle Schaden wiegen die ideellen Kosten: Massenhafte Steuerflucht stellt das Fundament unserer Gesellschaft in Frage.

Bastian Brinkmann, geboren 1988, hat Volkswirtschaftslehre und Politik studiert und die Kölner Journalistenschule besucht. Nach Stationen in Korea, Dublin und Brüssel arbeitet er heute als Wirtschaftsredakteur im Online-Team der 'Süddeutschen Zeitung'. Seit dem Frühjahr 2013 hat er dort die Enthüllungen der Offshore-Leaks mitrecherchiert und das gigantische Datenleck aus dem Inneren der Steueroasen ausgewertet. Für diese Arbeit wurde er mit seinem Team im Oktober 2013 mit dem Helmut-Schmidt-Journalistenpreis ausgezeichnet.

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Leseprobe

Kapitel 2

DIE KONZERNE

Geisterfirmen, die nirgendwo Steuern zahlen

Apples wichtigste Mitarbeiterin wohnt nicht in Kalifornien, wo der Konzern im Örtchen Cupertino seinen Sitz hat. Hier entwickeln die Designer das für den Geschäftserfolg so wichtige Aussehen der iPhones, iPads und sonstigen Geräte, das für den Verkaufserfolg der Produkte entscheidend ist. Die Mitarbeiterin wohnt auch nicht in China, wo Zehntausende die Handys, Tablets und Computer für den Konzern zusammenbauen und dafür sorgen, dass die neusten Apple-Geräte pünktlich zum Kunden kommen.

In Irland gibt es keinen Apple Store, keinen dieser Verkaufstempel, in denen der Konzern seine Produkte wie Reliquien ausstellt, erst recht nicht im bäuerlich geprägten Youghal, fünfzig Kilometer östlich von Cork, der zweitgrößten Stadt des Landes. Doch genau hier will die britische Zeitung Guardian in einem kleinen Landhaus Apples wichtigste Mitarbeiterin gefunden haben. Im Vorgarten wächst satter grüner Rasen, auf dem ein Fußballtor steht, vor der Haustür liegen Gummistiefel. Der Guardian-Reporter klopft an, doch niemand öffnet.

Cathy Kearney scheint nicht zuhause zu sein. Allein dadurch, dass sie existiert, sichert Kearney Apple Milliarden, ihr Name findet sich prominent auf der Webseite des Konzerns. Wer in Deutschland oder irgendeinem anderen Land der Welt Kontakt zu Apple aufnehmen möchte und die entsprechende Internetseite mit der Telefonnummer aufruft, sieht dort ihren Namen. Sie sei die zuständige Managerin für die Veröffentlichungen auf der Webseite, heißt es dort. Was dort nicht steht: Dank Cathy Kearney kann Apple auf einen Steuertrick zurückgreifen, damit Einnahmen in Milliardenhöhe in Nimmerland versteuert werden.

Irische Medien feierten Kearney. Der Irish Independent kürte sie 2012 zu einer der 20 einflussreichsten Frauen des Landes. Apples Erfolg in Irland könne man der »Tech Queen« zuschreiben, so die Zeitung. Der Konzern hat seine Europazentrale auf der Insel angesiedelt, die gebürtige Irin Kearney hat das Geschäft mit aufgebaut. Ihr Mann habe einen Bauernhof, schreibt der Independent. Ansonsten sei über sie aber wenig bekannt. Es gebe keine Fotos von ihr.

Ermittlungen des US-Senats rücken Kearneys Rolle in ein anderes Licht. Das Permanent Subcommittee on Investigations ist einer der wichtigsten Ausschüsse des amerikanischen Parlamentarismus, eine Walze der Aufklärung. Der Ausschuss hat enthüllt, wie Iraks Machthaber Saddam Hussein mithilfe westlicher Firmen Sanktionen umgangen hat. Er hat in einem 635-Seiten-Bericht die Verantwortlichen der Finanzkrise angeprangert. Nun nimmt er sich die Offshore-Welt der großen Konzerne vor, bestellt Profiteure und Helfer ein und verhört sie so penibel, dass die Sitzungen von amerikanischen Medien als »grilling« bezeichnet werden. Auch Kearney grillten die Abgeordneten, allerdings hinter geschlossenen Türen. Kurz darauf veröffentlichten sie jedoch einen Bericht, der erklärt, wie Apples Steuermaschine funktioniert.

Der Konzern strebe danach, den »heiligen Gral der Steuervermeidung« zu finden, sagt der Demokrat Carl Levin. Er erklärt, wie die Masche funktioniert: Apple hat Offshore-Firmen gegründet, die Milliarden Euro umsetzen, aber nirgendwo Steuern zahlen müssen. Die wichtigste dieser Firmen heißt Apple Operations International, kurz AOI. Sie untersteht der Zentrale in Cupertino, sitzt aber in Irland. AOI gehören direkt oder indirekt die anderen Offshore-Firmen des Konzerns. Den irischen Steuerbehörden erzählt Apple, dass AOI nicht in Irland gemanagt wird. Somit muss die Firma nach irischem Recht, obwohl sie im dortigen Firmenregister angemeldet ist, in dem Land keine Steuern zahlen. Das amerikanische Finanzamt weist Apple hingegen darauf hin, dass der Sitz ja in Irland sei. Somit sieht das US-Recht vor, die Firma nicht zu besteuern. Aus Sicht der Finanzbehörden ist AOI also weder irisch noch amerikanisch – sondern staatenlos. Und damit von jeder Steuerlast entbunden. »Eine Geisterfirma«, sagt der Ausschussvorsitzende Levin. »Apple nutzt eine absurde Lücke aus, wie wir es bei noch keinem anderen Konzern gesehen haben.«

Cathy Kearney ist die Schlüsselperson im Vorstand von AOI. Die Firma besteht aus nicht viel mehr als dem Vorstand. AOI hat keinen physischen Firmensitz, kein Gebäude, keine Adresse. Es ist noch nicht einmal eine Briefkastenfirma, denn AOI hat keinen Briefkasten. Die Firma existiert seit dreißig Jahren, hatte aber nie einen einzigen Angestellten. Die Buchhaltung übernimmt die Apple-Niederlassung in Austin, Texas. Um die Finanzen kümmert sich eine Apple-Tochter im US-Bundesstaat Nevada. Und die Einnahmen liegen auf einem Bankkonto in New York. Außer Kearney sind nur zwei Apple-Manager im Vorstand, die bei der US-Mutter Apple Inc. angestellt sind. Doch wer eine irische Firma gründen will, muss mindestens eine Person mit Wohnsitz in Irland in den Vorstand schicken: Diese entscheidende Rolle übernimmt für Apple Cathy Kearny. Sie ist das Bindeglied, das aus einer amerikanischen Firma zugleich eine irische und aus einer irischen Firma eine amerikanische macht.

Um herauszufinden, ob die Firma wirklich in Irland von den Behörden kontrolliert wird, wie Apple behauptet, hat der US-Ausschuss nachgeforscht, wo die Treffen des Vorstands von AOI stattfinden und wer an ihnen teilnimmt. Die Meetings finden in Kalifornien statt, im Apple-Hauptquartier in Cupertino. Kearney ist fast nie dabei. Nur am 18. Mai 2006 war sie in Cupertino und besprach sich mit den Apple-Managern Peter Oppenheimer, dem Finanzvorstand des Mutterkonzerns, und Gary Wipfler, Apples Corporate Treasurer, dem Schatzmeister des Konzerns. Von 2006 bis 2012 fanden 33 Meetings statt, Kearney nahm telefonisch an weiteren sechs Vorstandssitzungen teil, alle in der ersten Jahreshälfte 2006. Seitdem hatte Kearney im Vorstand von AOI offenbar im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr zu sagen.

AOI ist nur die Spitze von Apples Offshore-System. Insgesamt zahlt der Konzern auf Gewinne, die er außerhalb der USA erwirtschaftet hat, nur 2,5 Prozent Steuern, wie ein Professor für die amerikanischen Senatoren ausgerechnet hat. Um auf diesen winzigen Steuersatz zu kommen, hat Apple eine Reihe weiterer Firmen gegründet. Vom Kunden aus geht die Kette so: Er kauft sein iPhone oder sein iPad beim Händler in seinem Land, in Deutschland etwa bei Apple Retail Germany. Die europäischen Länder sind in einer irischen Holding zusammengefasst, die asiatischen Verkaufsfirmen in einer anderen. Die physischen Produkte liefern die Hersteller in China an diese Firmen, die sie an die Kunden ausliefern. Die Einnahmen muss die Holding jedoch abgeben an eine Firma namens Apple Sales International. Sie ist wie AOI ins irische Unternehmensregister eingetragen, im steuerlichen Sinne aber heimatlos. Die Apple Sales International zahlt Dividenden, also Gewinnausschüttungen, an eine weitere staatenlose Firma namens Apple Operations Europe. Die gibt wiederum die Dividende an AOI weiter. Im Jahr 2012 hat Apple weltweit 42 Milliarden Dollar Gewinn gemacht. 15,4 Milliarden landeten in den Taschen von AOI und waren damit komplett steuerfrei. Das ist mehr als jeder dritte Dollar, den Apple als Profit verbuchen kann.

Die Holdings, die die iPhones verkaufen, müssen ihre Gewinne eigentlich in Irland versteuern. Der irische Staat hat bereits eine der niedrigsten Körperschaftsteuern, die auf Konzernprofite fällig wird: 12,5 Prozent. Die US-Senatoren gehen allerdings davon aus, dass Apple einen Deal mit der irischen Regierung ausgehandelt hat, damit der Konzern noch weniger zahlen muss: zwei Prozent. Denn Apple ging bereits 1980 nach Irland, als die Insel noch händeringend nach ausländischen Investoren suchte und Firmen mit niedrigsten Steuersätzen anzulocken versuchte.

Doch nicht mal die zwei Prozent zahlt Apple in Irland. Denn die Gewinne aus den iPhone-Verkäufen fließen größtenteils an die staatenlose Firma Apple Sales International. Von 2009 bis 2012 hat Apple weltweit 88 Milliarden Dollar Gewinn gemacht. Davon verbuchte die Geisterfirma Apple Sales International 74 Milliarden Dollar. Mehr als achtzig Prozent der Einnahmen landen so im staaten- und steuerlosen Niemandsland.

Der Trick funktioniert, weil Apple Sales International die Rechte am wertvollen geistigen Eigentum des Konzerns besitzt, dem sogenannten intellectual property. Der Begriff bezeichnet die nichtphysischen Bestandteile, die ein Apple-Produkt ausmachen: die Marke, das Design. Teure Zutaten, die entscheidend zum Erfolg der iPhones und iPads beitragen. US-Senator Levin bezeichnete diese Rechte als Apples »Goldesel«, den der Konzern nach Irland transferiert habe. Geregelt ist das in einem Vertrag aus dem Jahr 2008 zwischen Apple Inc., dem Mutterkonzern, und Apple Operations Europe, einer der Geisterfirmen, auf der einen Seite sowie der ebenfalls staatenlosen Apple Sales International auf der anderen Seite. Darin erklären die Firmen, die Kosten zu teilen, die durch Forschung und Entwicklung anfallen, für innovative neue Produkte. Apple Inc. behält die Rechte, diese Produkte in Nord- und Südamerika zu vermarkten und zu verkaufen. Apple Sales International kommt zum Zug, wenn iPhones und iPads im Rest der Welt verkauft werden. Die Unterschriften unter dem Vertrag lesen sich bizarr. Apples Finanzvorstand Peter Oppenheimer signiert für den Mutterkonzern Apple Inc., Schatzmeister Gary Wipfler für die...

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