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E-Book

Die Geschichte der Sklaverei

Von den Anfängen bis zur Gegenwart

AutorMartin Schneider
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783843804899
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gilt Sklaverei als eine der schwersten Menschenrechtsverletzungen. Sklaverei gab es als gesellschaftliche und rechtliche Institution seit der Antike und bildete für verschiedene Kulturen bis in die Neuzeit hinein eine wichtige wirtschaftliche Grundlage. Erst seit der Zeit der Aufklärung konnte sich allmählich eine Antisklavereibewegung durchsetzen, die im 19. und 20. Jahrhundert große Erfolge erzielte. Doch wie Recherchen mutiger Journalisten und von Menschenrechtsorganisationen zeigen, gibt es Sklaverei offenbar noch heute. Schätzungen von Menschenrechts- und Antisklavereiorganisationen gehen weltweit noch immer von bis zu 30 Millionen modernen Sklaven aus! Das vorliegende Buch bietet eine historische Einführung und Darstellung der Problematik und begibt sich auf Spurensuche. Es beschreibt die Entwicklung der Sklaverei für verschiedene Kulturen - von der Antike bis in die Neuzeit. In übergreifenden Artikeln skizziert es den Umgang mit der Sklaverei in den Bereichen Religion, Philosophie und Wirtschaft. Ebenso macht es deutlich, welche Unterschiede es zwischen alter und moderner Sklaverei gibt.

Martin Schneider, M. A. Jahrgang 1973, studierte an der Universität Regensburg Allgemeine Wissenschaftsgeschichte, Geschichte und Politikwissenschaft. 2004-2009 arbeitete er für das Technische Museum Wien. Mitarbeit am Jubiläumsband '100 Jahre Technisches Museum Wien' (2009). 2009-2014 war er Programm-Manager für die Volkshochschule Traunreut. Er arbeitet als freier Autor sowie als Dozent in der Erwachsenenbildung.

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Leseprobe

WAS IST SKLAVEREI?


BESTANDSAUFNAHMEN


Artikel 4 der 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagt: »Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel in allen ihren Formen sind verboten.«1 Doch die Realität erscheint zu Beginn des 21. Jahrhunderts weit davon entfernt.

So berichtete die in Australien ansässige Walk Free Foundation in Ihrem Global Slavery Index 2014 von weltweit 35,8 Mio. Menschen, die im Jahr 2013 noch immer als Sklaven lebten.2 61 % dieser Menschen ließen sich dem Bericht zufolge fünf Ländern zuordnen: Indien, China, Pakistan, Usbekistan und Russland. Ferner zählen Nigeria, die Demokratische Republik Kongo, Indonesien, Bangladesch und Thailand zu den zehn Ländern, in denen weltweit die meisten Sklaven leben würden.

Vergleicht man diese Angaben mit dem Global Slavery Index 2013 (für das Jahr 2012), so scheint die Zahl der versklavten Menschen sogar noch angestiegen zu sein, da sie im Vorjahr »nur« mit 29,8 Mio. angegeben wurde.3 Walk Free führt dies allerdings nicht auf einen tatsächlichen Anstieg zurück, sondern auf die Verbesserung der dieser Statistik zugrundeliegenden Messverfahren.4 Die Liste der zehn Staaten denen auch im Index 2013 die höchsten Sklavenzahlen zugeordnet wurden, ist fast mit der Auflistung von 2014 identisch: Indien, China, Pakistan, Nigeria, Äthiopien, Russland, Thailand, Demokratische Republik Kongo, Myanmar und Bangladesch.

Diesen Studien zufolge gibt es kein Land auf der Erde, in dem keine Sklaven leben. Das würde somit sogar auf europäische Staaten zutreffen. In einem internationalen Vergleich, der die Einwohnerzahl eines Landes mit der geschätzten Anzahl der in ihm lebenden Sklaven in Beziehung setzt, belegte die Bundesrepublik Deutschland im Global Slavery Index 2013 den 136. Platz. In ihr lebten laut dieser Studie zwischen 10.000 und 11.000 Sklaven. In Frankreich seien es zwischen 8.000 und 9.000 Sklaven gewesen (Platz 139). Großbritannien lag mit geschätzten 4.200 bis 4.600 Sklaven auf dem 160. Platz.5 Im Bericht von 2014 belegte Deutschland mit 10.500 Sklaven den 147. Platz, Frankreich mit 8.600 Sklaven Platz 148 und Großbritannien findet sich mit 8.300 Sklaven auf Platz 149.6

Die International Labour Organisation (ILO) kam in ihrem 2014 veröffentlichten Bericht Profits and Poverty. The Economics of Forced Labour für 2012 zu dem Schluss, dass weltweit 20,9 Mio. Menschen Zwangsarbeit leisten mussten oder unter sklavereiähnlichen Bedingungen lebten: 4,5 Mio. (= 22 %) von ihnen seien Opfer sexueller Ausbeutung und in weiteren 2,2 Mio. Fällen (= 10 %) sei die Zwangsarbeit sogar staatlich angeordnet.7 Unter Verweis auf die ILO wird diese Zahl auch von der Menschenrechtsorganisation Anti-Slavery International genannt.8

Der Sonderausschuss gegen organisiertes Verbrechen, Korruption und Geldwäsche des Europäischen Parlaments berichtete im September 2013, dass allein in Europa 880.000 Menschen Zwangsarbeit leisten müssten. Von ihnen seien 270.000 Menschen Opfer sexueller Ausbeutung.9

Sklaverei und Zwangsarbeit in unserer modernen Welt sind ein verstörender Befund! Die im kalifornischen Oakland (USA) ansässige Organisation Slavery Footprint publizierte 2011 sogar die Website How many slaves work for you? Sie bietet dem Besucher einen Test, der zunächst in elf Abschnitten seine Lebensweise sowie sein Konsumverhalten abfragt und anschließend errechnet, wieviele Sklaven zur Aufrechterhaltung dieses Lebensstils notwendig sind – wieviele moderne Sklaven somit für sie oder ihn arbeiten.10

Auch wenn die den angeführten Studien zugrunde liegenden Methoden der Berechnung hinterfragt, kritisiert und verbessert werden können:11 Es ist nicht zuletzt die mutige Arbeit von Menschenrechtsorganisationen, einzelner Menschenrechtler und Journalisten, die immer wieder Fälle von Sklaverei aufdecken, Zeugenaussagen sammeln, Opfer befreien und den oft traumatisierten Menschen helfen. Sie belegen, dass dieses Thema auch in der heutigen Welt nach wie vor aktuell ist.

FORMEN DER UNFREIHEIT


Wie der zitierte Artikel 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die Studie der International Labour Organisation und der Bericht des Sonderausschusses zeigen, sind mit der Sklaverei auch Begriffe wie »Leibeigenschaft« und »Zwangsarbeit« eng verbunden. Zwar beschreiben diese durchaus verschiedene Zustände. Sie weisen aber so große Überschneidungen mit der Sklaverei auf, dass sie umgangssprachlich häufig synonym verwendet werden. Daher soll zunächst der Frage nachgegangen werden, was denn eigentlich unter Sklaverei zu verstehen ist und wer als Sklave bezeichnet werden kann.

Sklaverei bezeichnet die völlige persönliche, rechtliche und wirtschaftliche Abhängigkeit eines Menschen von einem anderen. Dieser abhängige Mensch – der Sklave – ist das Eigentum seines Herrn – des Sklavenhalters. Letzterer kann im Extremfall über körperliche Bestrafung, Verkauf, Vererbung und Tötung, aber auch über die Freilassung seines Sklaven entscheiden.

Die erste völkerrechtlich verbindliche Definition findet sich in der Antisklavereikonvention des Völkerbundes von 1926. Artikel 1, Abs. 1 beschreibt Sklaverei als den »Zustand oder die Stellung einer Person, an der die mit dem Eigentumsrechte verbundenen Befugnisse oder einzelne davon ausgeübt werden«. Das 1956 von den Vereinten Nationen verabschiedete Zusatzabkommen über Abschaffung der Sklaverei bezog dann auch Schuldknechtschaft, Leibeigenschaft, Kinderarbeit und Zwangsehen mit ein.

Da Sklaverei vielfältige Aspekte aufweist, ist sie Untersuchungsgegenstand unterschiedlicher Fachdisziplinen. Somit finden sich Definitionsansätze von Historikern, Wirtschaftswissenschaftlern, Anthropologen, Soziologen, Juristen und Menschenrechtlern. Jedoch lässt sich eine Schnittmenge an Kriterien bilden, die erfüllt sein müssen, um in einem bestimmten Fall von historischer Sklaverei sprechen zu können, wie sie von der Antike bis in die Neuzeit existierte: Es handelte sich bei ihr um eine Institution, die sich auf rechtliche Grundlagen stützte und gesellschaftlich akzeptiert war. Sklaven galten als das Eigentum ihrer Besitzer. Sie besaßen keine persönliche Freiheit und ihre Bewegungsmöglichkeit wurde durch die Kontrolle ihres Herrn eingeschränkt. Ebenso wurden Ehe und Fortpflanzung von diesem kontrolliert: Sie konnten gestattet, verboten oder zwangsweise arrangiert werden. Sklaven waren Rechtsobjekte, keine -subjekte. Ihre Rechte waren drastisch begrenzt, gesetzlich vorgesehene Strafen waren in der Regel härter als für Freie. Allerdings finden sich kaum Gesellschaften, in denen Sklaven gar keine Rechte besaßen. Zwar galt die Züchtigung eines Sklaven durch seinen Herrn als legitim und legal, aber Misshandlungen und Tötungen waren – zumindest juristisch – häufig Grenzen gezogen. Der Sklave war immer Außenseiter in der Gesellschaft, in der er lebte. Das gilt paradoxerweise auch für diejenigen Sklaven, die hohe Positionen inne haben konnten. Sklaven waren grundsätzlich nicht vermögens- und geschäftsfähig. Sofern sie – scheinbar – selbstständig wirtschafteten, taten sie es doch immer in Abhängigkeit von ihrem Herrn sowie für dessen Nutzen.12

Der international renommierte Sklavereiforscher Orlando Patterson (geb. 1940) bezeichnete Sklaverei in seinem 1982 erschienenen Buch Slavery and Social Death als »Sozialen Tod«.13 Der französische Ethnologe Claude Meillasoux (1925–2005) hatte in seiner Anthropologie der Sklaverei von »Nichtgeborenen und Toten auf Bewährung« gesprochen. Um diesen Zustand herbeizuführen, verlaufe die Versklavung über die Stufen der Entsozialisierung, der Entpersönlichung, der Entsexualisierung sowie der Entzivilisierung.14

Wie noch gezeigt werden soll, hat sich die moderne Sklaverei in Grundzügen gewandelt. Der amerikanische Soziologe Kevin Bales hat neben weiteren Unterschieden v.a. darauf hingewiesen, dass es sich bei der modernen Sklaverei – wie sie im 21. Jahrhundert auftritt – nicht mehr um eine akzeptierte juristische und gesellschaftliche Institution handelt, da sie inzwischen durch eine Vielzahl von Menschenrechtsabkommen und nationalen Gesetzen bekämpft wird.15 Nichtsdestotrotz bleiben auch bei dieser Form die persönliche Unfreiheit, Gewalt und Ausbeutung bestehen.

Andere Formen von Unfreiheit unterscheiden sich von der Sklaverei in der Regel durch das Recht auf die eigene Person, Heirat und Fortpflanzung. Das ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. entstehende Kolonat – auf das noch eingegangen werden soll...

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