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Die Geschichte wird mich freisprechen

AutorFidel Castro
VerlagRotbuch Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783867896054
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
Unter dem Titel »La historia me absolverá«, in Anlehnung an den letzten Satz seines Plädoyers, wurde die ausführliche Verteidigungsrede bekannt, die Fidel Castro am 16.???Oktober 1953 hielt, bei der vorletzten Gerichtsverhandlung in Santiago de Cuba gegen die Beschuldigten des Angriffs auf die Moncada-Kaserne in ebendieser Stadt und auf die Kaserne Carlos Manuel des Céspedes in Bayamo, jeweils am 26.???Juli desselben Jahres. Sie ist ein programmatisches Manifest, Anklageschrift, rechtliche, moralische, philosophische und politische Verteidigungsschrift des revolutionären Kampfes gegen die Tyrannei. »Die Geschichte wird mich freisprechen« ist damit von selbst zu einem Grundsatzdokument der Kubanischen Revolution und einem der wichtigsten Texte über das politische Denken und die revolutionäre Aktion Kubas und Lateinamerikas geworden.

Fidel Castro, 1926 geboren, studierte Jura, Sozialwissenschaften und Internationales Recht. Er gilt als der am längsten amtierende Staatsmann der Geschichte: Ein halbes Jahrhundert stand der »Máximo Líder« an der Spitze Kubas. Er überdauerte neun US-Präsidenten und pflegte persönliche Kontakte zu den wichtigsten Köpfen der Welt. Er rauchte Zigarren mit Nikita Chruschtschow und Willy Brandt, empfing Papst Johannes Paul??II., pflegte Freundschaften mit Gérard Depardieu und Ernest Hemingway. Im Februar 2008 legte der kubanische Staats- und Parteichef sämtliche politischen Ämter nieder und übergab sie an seinen Bruder Raúl.

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Leseprobe

2

Sie haben diesen Prozess als den bedeutendsten in der Geschichte der Republik bezeichnet, und wenn Sie das ehrlich geglaubt haben, dann hätten Sie nicht zulassen dürfen, dass Ihre Autorität derart der Lächerlichkeit preisgegeben wird.

Die erste Sitzung im Rahmen dieser Verhandlung fand am 21. September statt. Unter Hunderten von Maschinengewehren und Bajonetten, die auf skandalöse Weise in den Gerichtssaal eingedrungen waren, setzten sich mehr als einhundert Menschen auf die Anklagebank. Die Mehrheit dieser Leute hatte mit den Vorfällen nicht das Geringste zu tun. Sie waren lediglich bereits vor Tagen präventiv in Haft genommen worden, wo sie unsäglichen Schikanen und Misshandlungen durch die repressiven Truppen ausgesetzt waren; der Rest der Angeklagten jedoch, die kleinere Anzahl, zeigte sich stolz und fest entschlossen, seine Beteiligung am Kampf für die Freiheit kundzutun. Mit beispielhafter Selbstlosigkeit versuchten sie, diejenigen aus den Gefängniszellen zu befreien, die in böser Absicht in den Prozess mit hineingezogen worden waren. Jene, die bereits gegeneinander gekämpft hatten, standen sich erneut gegenüber, und wieder standen wir auf der Seite der Gerechtigkeit, im Kampf der Wahrheit gegen die Niederträchtigkeit. Und offensichtlich war das Regime auf die moralische Katastrophe, die es heimsuchen würde, nicht gefasst!

Wie sollten sie ihre falschen Anschuldigungen aufrecht­erhalten? Wie wollten sie verhindern, dass die wahren Ereignisse bekannt würden, wenn diese jungen Menschen bereit waren, jedes Risiko auf sich zu nehmen – Gefängnis, Folter und im schlimmsten Fall auch den Tod –, um all jene Dinge vor Gericht anzuklagen?

In dieser ersten Sitzung sollte ich meine Aussage machen und wurde zwei Stunden lang befragt. Ich beantwortete die Fragen des Herrn Staatsanwalts und der zwanzig Anwälte
der Verteidigung. Mit exakten Zahlen und Angaben konnte ich nachweisen, wie viel Geld wir aufgewendet hatten, wie wir dazu gekommen waren und welche Waffen wir wie beschafft hatten. Ich hatte nichts zu verbergen, denn wir hatten das alles mit einer für diese Republik beispiellosen Opferbereitschaft aller Beteiligten erreicht. Ich sprach über die Ziele unseres Kampfes und die menschliche, großmütige Haltung, die wir gegenüber unseren Gegnern eingenommen haben. Durch die mutige Unterstützung meiner Gefährten konnte ich beweisen, dass die hier falsch Beschuldigten weder direkt noch indirekt an den Aktionen beteiligt waren, denn ich sagte, dass sie sich für ihre revolutionäre und patriotische Haltung weder schämen müssten noch sie bereuen würden – auch dann nicht, wenn sie die Konsequenzen zu spüren bekämen. Obwohl es mir während der ganzen Zeit im Gefängnis zu keinem Zeitpunkt erlaubt war, mit ihnen zu sprechen, taten wir dennoch alle das Gleiche. Wenn die Menschen dasselbe Ideal haben, dann kann nichts und niemand die Kommunikation zwischen ihnen unterbinden – weder die Wände der Zellen noch die Erde auf den Friedhöfen, denn es ist dieselbe Erinnerung, dieselbe Seele und dieselbe Idee, dasselbe Bewusstsein und dieselbe Würde, die uns allen Hoffnung
gibt.

Von diesem Augenblick an begann das Lügengebäude, das die Regierung um die Geschehnisse herum errichtet hatte, wie ein Kartenhaus einzustürzen, sodass selbst der Herr Staatsanwalt einsehen musste, wie absurd es war, all die Menschen in den Gefängnissen festzuhalten, die der intellektuellen Urheberschaft angeklagt waren, und umgehend ihre einstweilige Freilassung beantragte.

Am Ende meiner Aussage in dieser ersten Sitzung bat ich das Gericht um Erlaubnis, die Anklagebank verlassen und einen Platz zwischen den Anwälten der Verteidigung einnehmen zu dürfen, was mir gewährt wurde. Hier begann für mich die wichtigste Mission dieser Gerichtsverhandlung: die vollständige Demontage der schamlosen Lügen, die sie über unsere Kämpfer verbreitet hatten, und die Erbringung des unwiderlegbaren Beweises für die grauenhaften und abscheulichen Verbrechen, die sie gegen die Gefangenen begangen hatten. So zeigten wir der Nation und der Welt das wahre Gesicht dieses Regimes sowie das unendliche Leid, dem dieses Volk ausgesetzt ist, das die schrecklichste und unmenschlichste Unterdrückung seiner Geschichte erlebt.

Die zweite Sitzung fand am Dienstag, den 22. September, statt. Gerade einmal zehn Personen hatten ihre Aussage gemacht und dabei die Umstände der Morde, die in der Gegend von Manzanillo3 begangen worden waren, ans Tageslicht gebracht, wobei sie Beweise für die unmittelbare Verantwortung des befehlshabenden Hauptmanns des dortigen Militärstützpunktes erbrachten – und die Aussagen weiterer dreihundert Zeugen standen noch aus. Was wäre geschehen, wenn die erdrückende Beweislast dazu geführt hätte, dass die verantwortlichen Militärs vor diesem Gericht zu den Ereignissen hätten befragt werden müssen? Hätte die Regierung zulassen können, dass ich das vor so vielen Zuschauern im Gerichtssaal, den auf der Insel akkreditierten Journalisten und den Führern der Oppositionsparteien – die sie dummerweise auf die Anklagebank gesetzt hatten, damit sie aus nächster Nähe hören konnten, was hier erörtert wurde – durchführte? Eher würden sie diesen Gerichtssaal mit all seinen Richtern in die Luft jagen!

Also planten sie, mich aus dem Gerichtssaal zu entfernen, und bedienten sich dabei der Hilfe des Militärs. Am Freitagabend, den 25. September, kurz vor der dritten Anhörung vor Gericht, kamen zwei Ärzte der Strafvollzugsanstalt in meine Zelle. Ich spürte, wie leid es ihnen tat, als sie mir erklärten: »Wir sind gekommen, um dich zu untersuchen.« »Und wer sorgt sich so um meine Gesundheit?«, fragte ich sie. Mir war gleich auf den ersten Blick klar gewesen, was hier geschehen sollte. Sie verhielten sich wie Ehrenmänner und sagten mir die Wahrheit: Am Nachmittag sei Oberst Chaviano4 im Gefängnis gewesen, um ihnen mitzuteilen, dass ich »der Regierung einen schlimmen Schaden« zufügte und dass sie eine Bescheinigung ausstellen sollten, derzufolge ich krank sei und somit nicht in der Lage, an den Sitzungen weiterhin teilzunehmen. Die Ärzte sagten mir außerdem, dass sie bereit seien, ihre Arbeit niederzulegen und die Konsequenzen dafür zu tragen, und dass ich entscheiden solle, was nun zu tun sei. Es war schwer für mich, diese Männer zu bitten, sich bedingungslos zu opfern, aber ich durfte andererseits auf keinen Fall zulassen, dass der Plan des Regimes aufging. Um die Entscheidung ihrem eigenen Gewissen zu überlassen, sagte ich: »Ihr werdet wissen, was eure Pflicht ist. Meine kenne ich sehr gut.«

Sie zogen sich zurück und unterzeichneten die Bescheinigung. Ich weiß, dass sie das in dem Glauben taten, dass das die einzige Möglichkeit sei, mein Leben zu retten, welches sie in Gefahr sahen. Ich habe mich nicht dazu verpflichtet, dieses Gespräch geheim zu halten; mich interessiert einzig und allein die Wahrheit. Aber wenn die Tatsache, dass ich diese Wahrheit hier ausspreche, den beiden Männern schadet, dann möchte ich hier jeden Zweifel an ihrer Ehrbarkeit ausräumen.

In derselben Nacht schrieb ich einen Brief an dieses Gericht, in dem ich den Plan, der hier ausgeheckt worden war, zur Anzeige brachte und zwei Rechtsmediziner anforderte, die bescheinigen sollten, dass ich mich in einem ausgezeichneten gesundheitlichen Zustand befand. Ich machte klar, dass, wenn eine derartige List notwendig sei, um mein Leben zu schützen, ich es tausendmal vorzöge, es zu verlieren. Um zu unterstreichen, dass ich bereit war, auch ganz allein gegen eine derartige Niedertracht anzukämpfen, fügte ich meinem Brief einen Gedanken des Meisters5 bei: »Eine gerechte Sache vermag selbst aus den Tiefen einer Höhle mehr zu erreichen als eine ganze Armee.« Das ist der Brief, den – wie das Gericht weiß – Dr. Melba Hernández 6 in der dritten Anhörung der mündlichen Verhandlung, am 26. September, verlas. Trotz der strengen Bewachung, unter der ich stand, hatte ich ihr diesen Brief zukommen lassen können. Er führte zu sofortigen Repressalien: Dr. Hernández wurde in Einzelhaft genommen, und mich verlegten sie in einen noch entlegeneren Winkel des Gefängnisses. Von da an wurden alle Angeklagten von Kopf bis Fuß untersucht, bevor man sie den Gerichtssaal betreten ließ.

Die Rechtsmediziner kamen am 27. September und bestätigten, dass ich keinerlei gesundheitliche Probleme hätte. Trotzdem wurde ich auch nach mehrfacher Aufforderung durch das Gericht nicht mehr zu der Verhandlung zugelassen. Lassen Sie mich noch hinzufügen, dass außerdem Unbekannte auf den Straßen Flugblätter verteilten, in denen dazu aufgerufen wurde, mich aus dem Gefängnis zu befreien. So wollte das Regime eine Gelegenheit konstruieren, mich unter dem Vorwand der Fluchtgefahr aus dem Verkehr zu ziehen. Dieser Plan jedoch schlug fehl, weil die Falschheit der Flugblätter von Freunden erkannt und angezeigt wurde und weil nach Bekanntwerden des gefälschten ärztlichen Attestes klar war, dass sie keine andere Möglichkeit sahen, meine weitere Teilnahme an der Gerichtsverhandlung zu verhindern, als eine solch infame Lüge zu verbreiten.

Ein befremdlicher Fall, meine Herren Richter: ein Regime, das Angst davor hat, einen Angeklagten vor Gericht zu stellen. Ein grausames Terrorregime fürchtet sich vor der moralischen Überzeugung eines wehrlosen Mannes, unbewaffnet, verleumdet und zum Schweigen gebracht. Und so nahmen sie mir, nachdem sie mir alles andere bereits genommen hatten, auch noch das Recht, mich als Hauptangeklagter vor Gericht selbst zu verteidigen. Bitte bedenken Sie, dass dies unter der Aushebelung der Gesetze und mithilfe einer Politik der »öffentlichen Ordnung«...

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