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Die Gesetzgebungskompetenz der Autonomen Provinz Bozen im Sachbereich Jagd

AutorBenedikt Terzer
VerlagAthesia
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9788868391386
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Die Gesetzgebungskompetenz der Autonomen Provinz Bozen im Bereich Jagd wird in diesem Buch erstmals in juridischer Hinsicht aufgearbeitet. Auf die verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Grundlagen aufbauend, stellt der Autor Entwicklung und status quo der Gesetzgebungskompetenz des Landes Südtirol im Jagdsektor dar. In der Folge wird das Spannungsfeld zwischen staatlicher Gesetzgebung und Landesgesetzgebung auch unter Heranziehung einschlägiger Judikatur des italienischen Verfassungsgerichtshofs beleuchtet. Ein rechtsvergleichender Teil sowie Ausblicke in die Zukunft runden das Buch ab.

Benedikt Terzer, 1990 in Bozen geboren, begann 2009 nach der Matura am Humanistischen Gymnasium 'Walther von der Vogelweide' (Klassische Fachrichtung) in Bozen das Integrierte Diplomstudium der Rechtswissenschaften - Italienisches Recht an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck. Nach einem Auslandsjahr an der Università Cattolica del Sacro Cuore in Mailand schloss er sein Studium im Herbst 2014 ab; anschließend Mitarbeit an wissenschaftlichen Forschungsprojekten zur Südtirol-Autonomie.

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Leseprobe

2. Unionsrechtlicher Einfluss auf den Sachbereich Jagd


2.1. Richtlinie 2009/147/EG


Die Gesetzgebungskompetenz der Autonomen Provinz Bozen im Sachbereich Jagd wird in besonderem Maße von zwei unionsrechtlichen Bestimmungen determiniert.207 Dies ist zum einen die Richtlinie208 2009/147/EG209 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten. Im deutschsprachigen Raum ist sie hauptsächlich unter der Bezeichnung Vogelschutzrichtlinie bekannt.210 De facto kann diese Richtlinie keineswegs auf den Schutz der Vögel reduziert werden, da sie, wie aus der offiziellen Bezeichnung hervorgeht, in erster Linie die Erhaltung des Federwildes anstrebt. Sie setzt die Erhaltung keineswegs mit einem völligen Schutz des Federwildes gleich, sondern betont vielmehr die Möglichkeit einer nachhaltigen Nutzung. Insofern sind die italienische Bezeichnung Direttiva Uccelli oder etwa die englische Bezeichnung „Birds Directive“ präziser als die deutsche Betitelung Vogelschutzrichtlinie, die vor allem in Jägerkreisen kritisiert wird.211

Die Richtlinie 2009/147/EG (in der Folge: Vogelrichtlinie) ersetzt die Richtlinie Nr. 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979212 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, jedoch sind die Änderungen rein formeller Natur und dienen im Endeffekt einer Kodifizierung der Richtlinie aus Gründen der Klarheit und Übersichtlichkeit.213 Die Richtlinie 79/409/EWG galt ursprünglich nur für die neun Mitgliedsstaaten der EWG, nämlich Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Dänemark, Großbritannien und Irland. Im Laufe der Jahre musste die Richtlinie 79/409/EWG, vor allem auch aufgrund der Beitritte neuer Mitgliedsstaaten, mehrfach und erheblich abgeändert werden.214 Vergleicht man den geographischen Geltungsbereich der Vogelrichtlinie aus dem Jahr 1979 (9 Mitgliedsstaaten) mit jenem aus dem Jahre 2015 (28 Mitgliedsstaaten), fällt einerseits auf, dass aufgrund der größeren Ausdehnung der EU dem Erreichen der Ziele der Richtlinie eine größere Reichweite beschieden ist, andererseits, dass mit der zunehmenden Ausdehnung der Europäischen Union die Richtlinie mit völlig neuen biogeographischen Lagen215 konfrontiert ist.

Aus diesem Grund setzte sich die Intergruppe „Nachhaltige Jagd, Biodiversität und Ländliche Aktivitäten“ im Europäischen Parlament mit der schriftlichen Erklärung Nr. 12/2000216 von EU-Parlamentarier Michl Ebner für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auf die nachhaltige Bewirtschaftung von Zugvögeln ein, die mit 44,6 % der damals 626 Mitglieder des Europäischen Parlaments die Mehrheit knapp verfehlte.217

Die Vogelrichtlinie betrifft die Erhaltung sämtlicher wildlebenden Vogelarten, die in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union heimisch sind.218 Sie setzt sich den Schutz, die Bewirtschaftung und die Regulierung der in den Mitgliedsstaaten heimischen, wildlebenden Vogelarten zum Ziel und regelt ihre Nutzung.219 Neben den Vögeln hat die Vogelrichtlinie auch ihre Eier, Nester und Lebensräume zum Gegenstand.220 Art. 2 Vogelrichtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die heimischen wildlebenden Vogelarten auf einem Stand zu halten bzw. auf einen Stand zu bringen, der den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht. Dabei haben die Mitgliedsstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um für die heimischen wildlebenden Vogelarten vielfältige Lebensräume mit einer ausreichenden Flächengröße zu erhalten oder wiederherzustellen.221 Um dies zu erreichen, müssen die Mitgliedsstaaten gemäß Art. 3 Abs. 2 Vogelrichtlinie folgende Maßnahmen ergreifen: a) Einrichtung von Schutzgebieten, b) Pflege und ökologisch richtige Gestaltung der Lebensräume in- und außerhalb von Schutzgebieten, c) Wiederherstellung zerstörter Lebensstätten, d) Neuschaffung von Lebensstätten. Darüber hinaus haben die Mitgliedsstaaten im Hinblick auf bestimmte Vogelarten, die im Anhang I222 der Vogelrichtlinie aufgelistet sind, besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen.223 De facto ist unter den besagten besonderen Schutzmaßnahmen die Ausweisung von zahlen- und flächenmäßig geeigneten Schutzgebieten für die Vogelarten gemäß Anhang I der Vogelrichtlinie zu verstehen. Diese Schutzgebiete (SG) bilden gemeinsam mit besonderen Schutzgebieten (BSG) gemäß Richtlinie 92/43/EWG das Europäische Schutzgebietsnetz Natura 2000.224

Zum Schutz der wildlebenden heimischen Vogelarten haben die EU-Mitgliedsstaaten gemäß Art. 5 Vogelrichtlinie folgende Maßnahmen zu erlassen: das Verbot

  • des absichtlichen Tötens oder Fangens, ungeachtet der angewandten Methode, unbeschadet der Jagdausübung gemäß Art. 7 und der Ausnahmen laut Art. 9 Vogelrichtlinie;
  • der absichtlichen Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern und Entfernung von Nestern;
  • des Sammelns der Eier in der Natur und des Besitzes dieser Eier, auch in leerem Zustand;
  • ihres absichtlichen Störens, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, sofern sich diese Störung auf die Zielsetzung dieser Richtlinie erheblich auswirkt;
  • des Haltens von Vögeln der Arten, die nicht bejagt oder gefangen werden dürfen.

Die Präambel der Vogelrichtlinie betont, dass es bei der Erhaltung der Vogelarten neben dem langfristigen Schutz auch um die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen des gemeinsamen Erbes der europäischen Völker geht.225 In diesem Sinne regelt Art. 7 der Vogelrichtlinie die Jagdausübung im Hinblick auf die wildlebenden einheimischen Vogelarten wie folgt: „Die in Anhang II aufgeführten Arten dürfen aufgrund ihrer Populationsgröße, ihrer geographischen Verbreitung und ihrer Vermehrungsfähigkeit in der gesamten Gemeinschaft im Rahmen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bejagt werden.“

Der Unionsgesetzgeber unterscheidet dabei zwischen Arten, die im Anhang II Teil A der Vogelrichtlinie und im Anhang II Teil B angeführt sind. Erstere dürfen in allen EU-Mitgliedsstaaten bejagt werden, während Letztere nur in den Mitgliedsstaaten, bei denen sie durch ein Kreuzchen im Anhang der Vogelrichtlinie freigegeben sind, bejagt werden. Anhang II Teil A der Vogelrichtlinie listet folgende 24 Vogelarten auf: Saatgans (Anser fabalis), Graugans (Anser anser), Kanadagans (Branta canadensis), Pfeifente (Anas penelope), Schnatterente (Anas strepera), Krickente (Anas crecca), Stockente (Anas platyrhynchos), Spießente (Anas acuta), Knäkente (Anas querquedula), Löffelente (Anas clypeata), Tafelente (Aythya ferina), Reiherente (Aythya fuligula), Schottisches Moorschneehuhn (Lagopus lagopus scoticus et hibernicus), Alpenschneehuhn (Lagopus mutus), Steinhuhn (Alectoris graeca), Rothuhn (Alectoris rufa), Rebhuhn (Perdix perdix), Fasan (Phasianus colchicus), Blässhuhn (Fulica atra), Zwergschnepfe (Lymnocryptes minumus), Bekassine (Gallingago gallinago), Waldschnepfe (Scolopax rusticola), Felsentaube (Columba livia), Ringeltaube (Columba palumbus).

Für den Mitgliedsstaat Italien sind zusätzlich folgende 18 Vogelarten laut Anhang II Teil B jagdbar: Birkhuhn (Tetrao tetrix), Auerhuhn (Tetrao urogallus), Felsenhuhn (Alectoris barbara), Wachtel (Coturnix coturnix), Wasserralle (Rallus acquaticus), Teichralle (Gallinula chloropus), Kiebitz (Vanellus vanellus), Kampfläufer (Philomachus pugnax), Rotschenkel (Tringa totanus), Turteltaube (Streptopelia turtur), Feldlerche (Alauda arvensis), Amsel (Turdus merula), Wacholderdrossel (Turdus pilaris), Singdrossel (Turdus philomelos), Rotdrossel (Turdus iliacus), Eichelhäher (Garrulus glandarius), Elster (Pica pica), Aaskrähe ( Corvus corone).

Die Mitgliedsstaaten müssen dafür sorgen, dass bei der Jagdausübung die Grundsätze für eine vernünftige Nutzung und eine ökologisch ausgewogene Regulierung der Bestände der betreffenden Vogelarten eingehalten werden, sodass eine bestandsverträgliche Entnahme erfolgen kann.226 Um diese zu garantieren, haben die Mitgliedsstaaten dafür Sorge zu tragen, dass die Bejagung nicht während der Nistzeit oder während der einzelnen Phasen der Brut und Aufzuchtzeit erfolgt.227 Handelt es sich um Zugvögel, so ist zusätzlich dafür zu sorgen, dass diese nicht während ihres Rückzuges zu den...

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