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Die 'Gleichschaltung' der Kölner Medien im Dritten Reich

AutorSebastian Schellschmidt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl126 Seiten
ISBN9783656270560
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - Nationalsozialismus, II. Weltkrieg, Universität zu Köln, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Forschung stellt sich seit dem Ende des Dritten Reichs 1945 die Frage, wie es der NSDAP gelingen konnte, von einer kleinen, faschistischen Krawall-Bewegung zur allein herrschenden Macht aufzusteigen und eine ganze Nation zu verführen. Denn spricht man vom Dritten Reich, spricht man auch von einer Zeit der Masseneuphorie zugunsten der Herrscher. Das zentrales Ziel des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) war eine einheitliche Führung der Presse und des Rundfunks. Unmittelbar nach der 'Machtergreifung' beseitigte die Regierung Hitler sämtliche oppositionellen Medien und brachte durch Terror und Hetze die Übrigen nach und nach auf Parteilinie. Die Presse, ehemals Grundstein des demokratischen Systems, wurde mithilfe einer konsequenten und radikalen 'Gleichschaltung' zum Lenkungsapparat der Massen pervertiert. Anbetracht der zentralen Bedeutung der Medien als Propagandainstrumente der NSDAP, ist eine genauere Untersuchung dieser Vorgänge von höchstem Interesse. Kann man sich anhand der Analyse des kompromisslosen Umbaus der Kölner Medien doch einer Antwort auf die zentrale Frage, wie die Partei die öffentliche Meinung beeinflusste und so das Volk verführte, nähern. Wie verlief nun die mediale 'Gleichschaltung' in Köln? In der Domstadt wurden immerhin international beachtete Blätter wie die 'Kölnische Zeitung' (KöZ) und die 'Kölnische Volkszeitung' (KVZ) herausgegeben. Innerhalb der heterogenen Medienlandschaft war man sich seiner demokratischen Verantwortung durchaus bewusst. Viele Zeitungen vertraten daher klare politische Positionen und lehnten eine faschistische Diktatur, wie sie Hitler anstrebte, ab. Hatten es die Nationalsozialisten daher in Köln besonders schwer, eine mediale Konvergenz zu erzeugen? Tatsächlich verlief der politische Aufstieg Hitlers in Köln eher schleppend, im Vergleich zu anderen Metropolen im Reich. Die großen bürgerlichen Redaktionen in Köln waren etabliert und das Kölner Parteiblatt 'Westdeutscher Beobachter' (WB) bis dahin nicht mehr als ein wenig beachtetes Hetzblatt mit Partei-Ankündigungen und Propaganda. Dennoch schrieben auch in Köln sehr schnell nach der Machtergreifung alle verbliebenen Zeitungen für den Führer. Wie kam es dazu? Hatten die Zeitungen der Domstadt überhaupt eine Chance zur offenen Opposition gegen die zweifellos terroristische 'Gleichschaltung'? Oder schwammen sie bereits vor der Machtergreifung im 'braunen Gewässer'?

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Leseprobe

I) Einleitung

 

Der 30. Januar 1933 markiert eine der größten Zäsu­ren in der deutschen Geschichte: Paul von Hinden­burg ernennt Adolf Hitler zum Reichskanzler. In we­nigen Wochen gelang es ihm und seinen Parteigenos­sen die Weimarer Republik im Terror zu versenken und nach den Märzwahlen im Reich eine brutale Dik­tatur zu errichten, die letztlich den 2. Weltkrieg aus­lösen sollte. Hitlers Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) hob die demokratischen Frei­heiten weitestgehend auf, machte oppositionelle Par­teien und Verbände durch Inhaftierungen und Verbo­te mundtot und forcierte eine radikale öffentliche Diskriminierung jüdischer Mitbürgerinnen und Mit­bürger. „Niemals seit dem Zeitalter der Aufklärung wurden 'Andersdenkende' dermaßen restriktiv ver­folgt, wie auch zu keiner anderen Zeit so viele Deut­sche im Namen des Staates hingerichtet wurden.“[1]

 

Die Forschung stellt sich seit dem Ende des Dritten Reichs 1945 daher die Frage, wie es der NSDAP gelin­gen konnte, von einer kleinen, faschistischen Kra­wall-Bewegung zur allein herrschenden Macht aufzu­steigen und eine ganze Nation zu verführen. Denn spricht man vom Dritten Reich, spricht man auch von einer Zeit der Masseneuphorie zugunsten der Herr­scher. Fast immer fällt in diesem Zusammenhang der Name Joseph Goebbels. Als Parteivorstand im Gau Berlin und Propagandaleiter der Partei konstruierte er schon vor der eigentlichen „Machtergreifung“ den Führerkult um Adolf Hitler und nutzte als späterer Minister für Volksaufklärung und Propaganda die neuen Massenmedien zur Lenkung der öffentlichen Meinung. „Auf Schonung konnte die Presse nicht hof­fen. Zu tief saß der Hass der neuen Herren und zu ge­nau wussten diese, dass ihre Macht ohne total kon­trollierte Massenmedien auf tönernen Füßen stand.“[2] Auch Hitler war sich ihrer Bedeutung für die Festi­gung seiner Diktatur frühzeitig bewusst:

 

„Was wir immer mit dem Worte 'öffentliche Mei­nung' bezeichnen, beruht nur zu einem kleinsten Teil auf selbstgewonnenen Erfahrungen oder gar Er­kenntnissen der einzelnen, zum größten Teil dage­gen auf der Vorstellung, die durch eine oft ganz un­endlich eindringliche  und beharrliche Art von soge­nannter 'Aufklärung' hervorgerufen wird. So wie die konfessionelle Einstellung das Ergebnis der Erzie­hung ist und nur das religiöse Bedürfnis an sich im Innern des Menschen schlummert, so stellt auch die politische Meinung der Masse nur das Endresultat einer manchmal ganz unglaublich zähen und gründ­lichen Bearbeitung von Seele und Verstand dar. Der weitaus gewaltigste Anteil an der politischen 'Erzie­hung', die man in diesem Falle mit dem Wort Propa­ganda bezeichnet, fällt auf das Konto der Presse. Sie besorgt in erster Linie diese 'Aufklärungsarbeit' und stellt damit eine Art von Schule für Erwachsene dar.“[3]

 

Das zentrales Ziel des Ministeriums für Volksaufklä­rung und Propaganda (RMVP) war eine einheitliche Führung der Presse und des Rundfunks. Unmittelbar nach der „Machtergreifung“ beseitigte die Regierung Hitler sämtliche oppositionellen Medien und brachte durch Terror und Hetze die Übrigen nach und nach auf Parteilinie. Die unzähligen Journalisten nach 1933 spielten gar keine Rolle. Sie waren nur noch Empfänger, Ausführer, Überbringer der ihnen auf den sogenannten Pressekonferenzen oder durch Tages- und Wochenparolen fertig servierten Gedanken.“[4] Die Presse, ehemals Grundstein des demokratischen Systems, wurde mithilfe einer konsequenten und radikalen „Gleichschaltung“ zum Lenkungsapparat der Massen pervertiert. Anbetracht der zentralen Bedeutung der Medien als Propagandainstrumente der NSDAP, ist eine genauere Untersuchung dieser Vorgänge von höchstem Interesse. Kann man sich anhand der Analyse des kompromisslosen Umbaus der Kölner Medien doch einer Antwort auf die zentrale Frage, wie die Partei die öffentliche Meinung beeinflusste und so das Volk verführte, nähern.

 

Der auch im Titel dieser Arbeit verwendete Begriff der „Gleichschaltung“ entspringt dabei einer NS-Ter­minologie, die ursprünglich den gesamten Prozess der Vereinheitlichung des privaten und öffentlichen Lebens in Deutschland nach der Machtergreifung umschreibt. Entstanden in der Machteroberungs-Phase, wurde der Terminus 1933 durch den Reichs-Justizminister Franz Gürtner am 31. März erstmals offiziell verwendet.[5] Sein Gebrauch ist allerdings nicht unumstritten, da er die ungeheure Gewalt verschleiert, die hinter diesem komplexen Vorgang stand. Imanuel Geiss bezeichnet ihn daher richtiger-weise als „verharmlosende Umschreibung für die faktische Unterwerfung aller Organe und relevanten Gruppen unter die NS-Herrschaft.“[6] Entsprechend wurde der Begriff in den folgenden Zeilen stets in Anführungszeichen gesetzt.

 

Wie verlief nun die mediale „Gleichschaltung“ in Köln?  In der Domstadt wurden immerhin internatio­nal beachtete Blätter wie die „Kölnische Zeitung“ (KöZ) und die „Kölnische Volkszeitung“ (KVZ) her­ausgegeben. Innerhalb der heterogenen Medienland­schaft war man sich seiner demokratischen Verant­wortung durchaus bewusst. Viele Zeitungen vertra­ten daher klare politische Positionen und lehnten eine faschistische Diktatur, wie sie Hitler anstrebte, ab. Hatten es die Nationalsozialisten daher in Köln besonders schwer, eine mediale Konvergenz zu er­zeugen?

 

Tatsächlich verlief der politische Aufstieg Hitlers in Köln eher schleppend, im Vergleich zu anderen Me­tropolen im Reich. „Köln war unbestritten die deut­sche Großstadt, in der der Widerstand gegen den Auf­stieg des Nationalsozialismus am stärksten war.“[7] Zwar war die Domstadt seit Mitte der 20er Jahre Sitz der Gauleitung, aber bei den Wahlen zwischen 1920 und 1933 verzeichnete die Hitler-Bewegung den schwächsten prozentualen Stimmanteil.[8] Die großen bürgerlichen Redaktionen in Köln waren etabliert und das Kölner Parteiblatt „Westdeutscher Beobach­ter“ (WB) bis dahin nicht mehr als ein wenig beachte­tes Hetzblatt mit Partei-Ankündigungen und Propa­ganda. Dennoch schrieben auch in Köln sehr schnell nach der Machtergreifung alle verbliebenen Zeitun­gen für den Führer:

 

„Wir geben freimütig zu, dass an dieser Stelle die Verdienste Hitlers und seiner alten Garde während ihrer schwersten Kampfzeit in den vergangenen 14 Jahren nicht richtig gewürdigt und erkannt worden sind. Wir haben darin geirrt und geben diesen Irr­tum zu, wenn wir freilich auch betonen müssen, dass wir der nationalsozialistischen Bewegung nicht mit unwürdigen Mitteln oder gar dem fanatischen Hasse andrer Gegner entgegengetreten sind.“[9]

 

Wie kam es dazu? Hatten die Zeitungen der Domstadt überhaupt eine Chance zur offenen Opposition gegen die zweifellos terroristische „Gleichschaltung“? Oder schwammen sie bereits vor der Machtergreifung im „braunen Gewässer“? Die vorliegende Arbeit möchte diesen Fragen auf den Grund gehen und unternimmt dabei den Versuch, die Rollen und Positionen der großen Kölner Zeitungen vor und nach der Macht­übernahme zu analysieren. So lassen sich anhand der verschiedenen Berichterstattungen über den Aufstieg der Partei wertvolle Erkenntnisse über die Haltung der verschiedenen Blätter gegenüber Hitler herausar­beiten. In diesem Zusammenhang werden sowohl die administrativen und institutionellen Maßnahmen, mit denen es den Machthabern gelingen konnte, die bürgerlichen Zeitungen zu verdrängen oder für die Verbreitung der eigenen Ideologie einzunehmen, als auch die Hetze und Terrorisierung außerhalb von Ge­setzen und Verordnungen erfasst. Dabei geht es nicht um die Frage, wie erfolgreich die Massenmedien bei der Meinungs-Beeinflussung der Bevölkerung in Köln waren, sondern ob die „Gleichschaltung“ der Kölner Medien ein langwieriger, zäher Prozess oder nur die Vollendung einer bereits vorher einsetzenden Ent­wicklung war.

 

Konkret nähert sich die Arbeit der Beantwortung die­ser komplexen Frage, indem sie zunächst anhand der Untersuchungen von Heimann, Schmitz und Frei die Bedeutung des Rundfunks als Propaganda-Instru­ment herausarbeitet. Die handfeste „Gleichschaltung“ des Kölner Rundfunks wird dann mithilfe der Arbeiten von Bernard und Diller nachge­zeichnet. Im Anschluss geht die Arbeit anhand der Arbeiten von Paul und Plücker auf die Pressepolitik der NSDAP vor 1933 ein. Darauffolgend arbeitet sie die historischen Rahmenbedingungen und Entwick­lungen bezüglich der „Gleichschaltung“ im Pressewe­sen mithilfe der Untersuchungen von Plücker, Wulf und Matzerath heraus. Unterstützend werden dabei die entsprechenden Gesetze und Verordnungen der Partei aus dem Reichsgesetzblatt (RGB) zitiert und ihre Funktionen kommentiert. Auf diese Weise soll ein fundierter Überblick über die Situation der Presse im Reich und somit auch der Kölner Presse gegeben werden. Der Fokus liegt in diesem Kontext auf den zur Beantwortung der übergeordneten Fragestellung relevanten Maßnahmen und Hintergrundinformatio­nen. So stehen nicht nur der Wert der Medien als Er­ziehungs- und Propagandainstrument im Vorder­grund, sondern vor allen Dingen auch die rechtlichen Schritte, mit denen es der...

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