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E-Book

Die globale Überwachung

Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen

AutorGlenn Greenwald
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783426425169
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Bereits in seinen ersten Artikeln über die NSA-Affäre brachte Glenn Greenwald das ganze Ausmaß der Massenüberwachung im digitalen Zeitalter ans Licht. Seine Berichterstattung, für die er mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, löste international ein politisches Erdbeben aus. In seinem Buch deckt Greenwald anhand einer Fülle von brisanten Geheimdokumenten aus dem Archiv des Whistleblowers Edward Snowden die illegalen Praktiken der amerikanischen Geheimdienste auf. Alles und jeder wird ausgespäht, die Bevölkerung steht unter Kollektivverdacht. Meinungsfreiheit wird im Namen der Sicherheit unterdrückt, und es gibt keine Privatsphäre mehr - nirgends.

Der Jurist und Verfassungsrechtler Glenn Greenwald ist einer der einflussreichsten politischen Kommentatoren in den USA. Er war Kolumnist bei The Guardian und ist seit 2014 Mitherausgeber der publizistischen Website The Intercept. Seit der Aufdeckung der NSA-Affäre wurde er mehrfach für seine journalistische Tätigkeit ausgezeichnet; u.a. erhielt der Guardian den Pulitzer-Preis für Greenwalds Snowden-Enthüllungen. Das Magazin Foreign Policy ernannte ihn zu einem der 100 »Global Thinkers« des Jahres 2013. Greenwald hat mehrere Bestseller veröffentlicht, u.a. How Would a Patriot Act? Er lebt in Rio de Janeiro, Brasilien.

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Leseprobe

Vorwort zur Taschenbuchausgabe


Seit der Erstveröffentlichung dieses Buches im Mai 2014 überschlagen sich – gerade in Deutschland, aber auch überall sonst auf der Welt – die Ereignisse infolge der Snowden-Enthüllungen. Dabei wird deutlich, wie groß die Sorge um den Schutz der Privatsphäre ist. Leider ist dies auch auf das Umsichgreifen elektronischer Spionage seitens verschiedener Regierungen zurückzuführen, unter anderem auch der deutschen.

Im Herbst 2013 erschienen im Spiegel Spionageberichte, die Deutschland unmittelbar betrafen. Der erste Artikel enthüllte die Massenüberwachung der gesamten deutschen Bevölkerung durch die NSA, was milden Tadel seitens der Regierung Merkel nach sich zog. Als jedoch weitere Spionagefälle bekannt wurden – insbesondere als sich herausstellte, dass nicht nur gewöhnliche Bürger, sondern führende Politiker, darunter Kanzlerin Merkel persönlich, abgehört worden waren –, reagierte die Bundesregierung ungehalten. Gemeinsam mit Brasilien stellte sich Deutschland an die Spitze der öffentlichen Empörung über die Spionagetätigkeit der NSA.

Während sich der Bundestag 2014 anschickte, die Überwachung der Deutschen durch die NSA zu untersuchen, kam ein neuer Skandal ans Licht. Ein Agent des Bundesnachrichtendienstes (BND) wurde unter dem Vorwurf verhaftet, er habe den parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Auftrag der NSA bespitzelt. Dass die NSA zunächst ganz Deutschland überwacht hatte und anschließend einen Doppel­agenten einsetzte, um den entsprechenden Untersuchungsausschuss auszuspionieren, war im Grunde eine Demütigung des politischen Berlin in einem nie gekannten Ausmaß.

Aber viele Deutsche äußerten den stets schwelenden, heimlichen Verdacht, dass die »Empörung« Berlins weitgehend vorgetäuscht war. Fast scheint es, als könne keine Demütigung oder Respektlosigkeit tief genug gehen, um die eherne Unterwürfigkeit der Bundesregierung gegenüber den Vereinigten Staaten zu erschüttern. Zudem war dieser Verdacht durch die Ansicht begründet, dass der BND über die Bespitzelung nicht nur im Bilde gewesen war, sondern sich aktiv daran beteiligt hatte.

Diese Ansicht hat sich in überwältigender Weise bestätigt. Im Jahr 2015 vom Spiegel vorgelegte Beweise demonstrieren, dass die NSA, von ihrem Stützpunkt in Deutschland aus, offenbar »über Jahre hinweg mit Wissen des Bundesnachrichtendienstes Ziele in Westeuropa und Deutschland ausgespäht« hat (Spiegel 23.04.2015). Andere Dokumente enthüllten zuvor unbekannte Kooperationsabkommen zwischen den beiden Diensten.

All diese Enthüllungen weckten naturgemäß große Sorge um den Schutz der Privatsphäre in Deutschland. Aber in noch stärkerem Maße warfen sie – wie der NSA-Skandal selbst – grundsätzliche Fragen zur Demokratie auf. Wie kann man von einem Land behaupten, es habe eine funktionierende Demokratie, wenn die folgenreichsten Handlungen seiner Regierung vor den Bürgern geheim gehalten werden oder, schlimmer noch, führende Beamte und Politiker systematisch und bewusst die Öffentlichkeit darüber täuschen?

Seit ich das allererste Mal einen Blick in das Snowden-­Archiv warf, war es nicht die offenkundig hemmungslose Invasion der Privatsphäre, die mir am meisten Sorge bereitete. Es war die schonungslose Zersetzung der Demokratie, die sich hier zeigte. Dass etwas von so gewaltigen Dimensionen – die Umwandlung des Internets in ein Reich der Massenüberwachung, die Schaffung des größten je dagewesenen Systems der Überwachung ohne Anfangsverdacht – vollkommen im Dunkeln vollzogen werden konnte, ließ die Demokratie illusorisch erscheinen. Dieselbe Reaktion stellte sich bei mir ein, als ich beobachtete, wie in Deutschland die Wahrheit ans Licht kam: Es schien klar, dass die Bundesregierung ihre Bürger bewusst getäuscht hatte, als sie ihnen die Tatsache verschwieg, dass sie von dem System der Überwachung, das sie angeblich so empörend fand, Kenntnis gehabt und sich daran beteiligt hatte.

Außerhalb Deutschlands gewannen die Reaktionen auf die Snowden-Enthüllungen noch zwei Jahre nach Publikmachung der ersten Dokumente an Intensität. Und größtenteils wurden schwer zu überwindende Hindernisse für das amerikanische Regime der Massenüberwachung errichtet.

Am 2. Juni 2015 – exakt zwei Jahre nach der Ankunft von Laura Poitras und mir in Hongkong, wo wir Edward Snowden trafen – unterschrieb Präsident Obama den USA Freedom Act. Unter anderem bereitete das neue Gesetz dem ­allerersten Überwachungsprogramm ein Ende, über das ich im Guardian berichtet hatte: der Sammlung und Speicherung der Telefonverbindungsdaten aller Amerikaner.

Zweifellos aber leistet das Gesetz beklagenswert unzureichende Dienste zum Schutz der Privatsphäre. Erstens gilt es nur für Amerikaner und lässt damit 95 Prozent der Bewohner des Planeten, die nach amerikanischer Diktion als »Nicht­amerikaner« bezeichnet werden, völlig ungeschützt. Und die große Mehrheit der von der NSA durchgeführten Überwachungsprogramme, von denen Amerikaner betroffen sind, blieb unangetastet. Dieses neue »Reform«-Gesetz gemäßigt zu nennen, oder auch nur »symbolisch«, ist eine Untertreibung.

Was allerdings nicht heißt, dass es völlig bedeutungslos wäre. So mangelhaft dieses Gesetz sein mag, es ist das erste Mal seit den Anschlägen vom 11. September – vor 14 Jahren –, dass die Machtbefugnisse, die sich die US-Regierung im Namen der Terrorismusbekämpfung aneignete, beschnitten und nicht erweitert wurden. Hinsichtlich der Neuausrichtung des amerikanischen Wertesystems und seiner Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit ist dies eine wichtige Kurskorrektur. Entscheidender ist allerdings, dass das Gesetz mit breiter Unterstützung beider Parteien verabschiedet wurde: Führende Mitglieder der Demokraten und der Republikaner bekräftigten zum ersten Mal seit beinahe zwei Jahrzehnten die Wichtigkeit der Freiheitsrechte und der Privatsphäre.

Wie ich in diesem Buch jedoch dargestellt habe, kann die US-Regierung sicher nicht selbst ihrer Macht ernstzunehmende Grenzen setzen. Mächtige Institutionen suchen nicht nach Mitteln und Wegen, ihre eigene Macht zu beschneiden. Gelegentlich sind sie gezwungen, den Anschein zu erwecken, aber das Ergebnis ist in der Regel eher Schein als Sein und mehr darauf zugeschnitten, die erzürnte Öffentlichkeit zu beschwichtigen, als tatsächlich Macht abzugeben.

Die wahren Fronten in diesen Schlachten verlaufen fern von Washington. Und dort sind die Zeichen ermutigend.

Vor den Snowden-Enthüllungen arbeiteten die führenden Technologieunternehmen des Silicon Valley eifrig und enthusiastisch mit der NSA zusammen; sie reichten enorme Datenmengen ihrer Nutzer weiter, taten bei dieser Kollaboration oft ihr Bestes und lieferten noch mehr, als das Gesetz es befahl. Schließlich waren damit keine Risiken verbunden (denn es vollzog sich im Geheimen), während andererseits reicher Lohn winkte, und zwar in Form von Regierungsaufträgen und generell engen Beziehungen zu Geheimdienstfunktionären, die jährlich über zweistellige Milliardenbeträge verfügen.

Seit wir Licht auf dieses Beziehungsgeflecht werfen konnten, haben sich die Rahmenbedingungen drastisch geändert. Und zwar nicht etwa deshalb, weil sich diese Unternehmen plötzlich um die Privatsphäre ihrer Nutzer sorgen würden – in den Jahren vor den Enthüllungen hatten sie klar bewiesen, dass sie derlei Bedenken nicht kennen. Vielmehr hat sich die Situation aus kommerziellem Eigeninteresse verändert: Firmen wie Facebook, Google, Yahoo und Microsoft waren wie gelähmt vor Angst, die gegenwärtige und auch die nächste Generation von Internetusern weltweit zu verlieren, wenn sie als Kollaborateure der NSA wahrgenommen würden. Sie waren beherrscht von der tiefen Sorge, dass in Ländern wie Deutschland, Südkorea und Brasilien die sozialen Medien Teenager vor amerikanischen Internetanbietern warnen könnten, weil sie ihre Daten an die NSA weitergeben würden. Womöglich würden sie den jungen Leuten empfehlen, stattdessen zu Online-Diensten zu greifen, die sich dem Schutz statt der Zerstörung ihrer Privatsphäre verschreiben. Studien zeigen weltweit eine massive Zunahme der Verschlüsselungspraxis durch die Nutzer. Dies verdeutlicht, wie ernst die Menschen heute den Schutz der Privatsphäre nehmen und dass sie bereit sind, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Aus der Angst heraus, das neu erwachte...

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