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E-Book

Die Gottestänzerin

Mein Leben bei den Pygmäen

AutorCornelia Canady
Verlaghey! publishing
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl346 Seiten
ISBN9783942822015
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Der Kampf einer Deutschen für die Pygmäen. Nur widerstrebend schließt sich Cornelia Canady einer Expedition zu den Pygmäen im zentralafrikanischen Regenwald an. Doch die fremde Kultur zieht sie schnell in ihren Bann. Sie beschließt, allein bei den Gottestänzern, wie sie sich selbst nennen, zu bleiben und in ihre archaische Lebensweise einzutauchen. Cornelia beobachtet und jagt mit ihnen Elefanten, sie feiert ihre Feste mit und ergründet die Geheimnisse der Urwaldapotheke. Angriffe von Affen und ein apokalyptisch anmutender Überfall von Millionen Treiberameisen gehören zum abenteuerlichen Alltag. Die wahren Gefahren aber drohen aus der »zivilisierten Welt«: Wilderei und Holzeinschlag in großem Stil zerstören die Lebensgrundlage der Pygmäen. Cornelia beschließt, für ihre Freunde und deren Kultur zu kämpfen: Sie entwickelt Hilfsprojekte, unter anderem in Zusammenarbeit mit dem WWF. Ein zäher Kampf beginnt...

Cornelia Canady, geboren 1942 in Berlin, war Cutterin und Naturfilmexpertin am Max-Planck-Institut für Verhaltensforschung, bevor sie für über zehn Jahre in die Zentralafrikanische Republik übersiedelte. Dort engagierte sie sich für die Erhaltung des Urwaldes, der dem letzten traditionell lebenden Pygmäenstamm Lebensraum bietet. Cornelia Canady beschreibt ihr abenteuerliches Leben in der fremden Kultur in ihrer Biographie "Die Gottestänzerin" sowie in den Romanen "Tränen am Ouibangui" und "Ruf des Abendwindes". Heute lebt die Autorin auf Teneriffa - doch wie ihre Heldinnen zieht es auch sie immer wieder nach Afrika zurück. Foto: (c) Privat

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Leseprobe

2. Abenteuer im Urwald

Das Gemetzel in der Papageiensaline

Mittlerweile war ich heimisch geworden in dem kleinen Dorf. Ich hatte dort neue Freunde gewonnen und fühlte mich wohl. Doch der Urwald um das Dorf versetzte mich immer noch in den größten Schrecken. Um meiner Ängste Herr zu werden und vielleicht sogar die Schönheiten des Waldes zu entdecken, beschloss ich, mich mal allein auf den Weg zu machen. Man hatte mir von einer Papageiensaline erzählt, wo sich morgens angeblich Unmengen von Papageien aufhalten, Graupapageien und auch die kleineren grünen. Ich kannte die Richtung vom Wurzelnsammeln, und außerdem ging es immer den kleinen Weg am Bach entlang. Ich könne die Lichtung gar nicht verfehlen, meinte Sangui und ließ mich unbesorgt ziehen. Ich fühlte mich glücklich und frei und genoss die Wanderung wie einen Pilgergang, spürte den Atem Gottes und würdigte die Schöpfung. Ich nahm alle Eindrücke tief in mich auf, sah die sanft bewegten Gräser, sah flauschige Mooskissen, zartes Grün, rosa und blaue Schmetterlinge, Borken, Blätter und Gräser, und hörte meinem Lieblingsvogel zu, der Oriole. Ich ahmte ihren Ruf nach und dann noch einmal, und siehe da, schließlich kam sie neugierig näher und antwortete mir: uhuhuuu. Es war ein mittelgroßer Vogel, gelb mit schwarzem Kopf. Für mich war dieses Uhuhuuu mittlerweile der typische und vertraute Dschungelruf. Er gab mir das Gefühl, im Urwald schon ein bisschen heimisch zu sein.

Ich hatte tatsächlich keine Schwierigkeiten, den Weg zu finden, und war richtig stolz auf mich, als ich den ersten Trupp Graupapageien vorbeifliegen sah. Erstaunlich, wie sie die relativ plumpen Körper mit kurzen Flügelschlägen in der Luft hielten. Ich folgte ihrem Gepfeife und Geschnalze bis in die Nähe der Saline. Der kleine Bach hatte sich verbreitert und war wunderbar klar. Dicke, rosarote, sinnlich fleischige Blüten säumten das Ufer, um ihre gelblichen Staubgefäße flatterte und summte es, ein Waran schwänzelte davon, giftig schillernde Libellen flitzten über das Wasser.

Dann wurde das Gepfeife und Gekrächze lauter, und auf einmal tat sich ein Wunderland auf – die Papageiensaline. Umgeben von sattfarbigem Unterholz und hohen Bäumen, saßen überall, auf Ästen, am Boden, im Schlamm und im Gras, Hunderte von Papageien, kleine grüne mit roten Schnäbeln und graue mit schwarzen Schnäbeln und langen roten Schwanzfedern. Endlich sah ich sie mal aus der Nähe, und ich kam aus dem Staunen nicht heraus. Ich fand sie außerordentlich amüsant und liebenswert und obendrein ein bisschen komisch. Sie reckten die stark gebogenen Schnäbel nach oben und nach vorne, wenn sie pfiffen, kreischten und krächzten. Was konnten sie nicht alles für Laute von sich geben! Sie rangelten am Boden und turtelten, indem sie sich gegenseitig fütterten und die Hälse in die Höhe reckten.

Ich wuchs fast an einem alten Baumstamm an, damit ich bloß nicht auffiel und dieses wundervolle Schauspiel genießen konnte, ohne die Natur zu stören. Diese Saline hier sah so unwahrscheinlich ursprünglich aus, als wäre der liebe Gott mitten in der Schöpfung unterbrochen worden. Mitten im Urwald tat sich einfach diese Lichtung auf, ein offener, mit einer Art Schilfgras bewachsener Platz, der von hohen Bäumen umsäumt war. Ein alter Baumriese stand mit karg belaubten Ästen in der Mitte. Es roch nach klarem Wasser, so wie an der See; auch die leichte Brise passte dazu. Und darüber wölbte sich ganz vorschriftsmäßig der afrikanisch glatte Himmel, diesmal satt lila eingefärbt mit orangefarbigen Sonnenfetzen hinter einer einzigen Wolke.

Da flog gerade wieder so ein kleiner, pfeifender Trupp ein, fiel auf den Boden und hoppelte auf dem unebenen Gelände herum. Das Gewatschel der Papageien bringt mich immer wieder zum Lachen. Ihre Füße sind offensichtlich zum Gehen nur schlecht geeignet; die Zehen stehen so o-beinig gegeneinander, dass ich mich an meine Mädchenzeit erinnert fühlte, wo alle Verwandten ständig versuchten, meinen Gang mit unerbetenen Ratschlägen zu korrigieren. Bis auf Tante Frieda, die selbst »über den großen Onkel« lief.

Genau diesen Tante-Frieda-Watschelgang sah ich hier in hundertfacher Ausführung vor mir. Manche Graupapageien legten sich außerdem noch schwer von einer Seite zur anderen, wenn sie den Fuß wechselten, wie betrunkene Seeleute. Direkt vor mir fiel eine Gruppe in dichtes Schilfgras ein und pickte sich dort die Samen heraus. Zwei von ihnen kletterten an den stabilen Halmen herunter, um am Boden einen sozialen Federputz vorzunehmen. Das Weibchen drehte dabei in verständlichem Stolz den leicht aufgeplusterten Hals um 180 Grad, und ich dachte, nun müsse der Kopf abfallen, so grotesk sah das aus. Aber sie wusste wohl besser als ich, was sie ihrem Hals zumuten konnte.

Das Männchen würgte irgendetwas längst Verdautes wieder hoch in den kräftigen schwarzen Schnabel, und da holte das Weibchen die Delikatesse auch schon heraus. Er würgte weiter, und sie rückte ihm gierig noch näher auf den Leib, schaute ihm starren Blicks in die Augen und pickte plötzlich fordernd in seinen Schnabel. Liebe geht eben durch den Magen, auch hier.

Er besann sich nun auf seine männliche Beschützerrolle, ­ruckte mit dem Kopf leicht zur Seite und warf einen Kontrollblick zu der Gruppe am anderen Ende der Lichtung. Dann ein weiterer Kopfruck zu den Gräsern … auch da war alles o.k. Sie waren so drollig, die Papageien, und die Welt war hier so offensichtlich in Ordnung, dass ich mir vorkam wie im Paradies.

Eine kleine Gruppe trank gerade aus dem seichten Rinnsal, das sich durch die Mitte der Saline schlängelte, schlug mit den Flügeln, spritzte, schüttelte sich und krähte übermütig dazu. Einige wateten bedächtig im Wasser herum, andere flogen auf, zogen mit schwerem Flügelschlag einen Kreis – sie wirkten dabei so plump, dass ich Angst hatte, sie könnten abstürzen – und fielen laut plappernd in den nächsten Baum ein. Es war ein großer Padoukbaum mit einer ungeheuren Blattkrone, der bis eben noch sehr würdevoll wirkte. Jetzt aber war in seinem Geäst die Hölle los. Überall wimmelte und flatterte und zitterte es, Laub, Äste und Papageien waren ein einziges buntes Durcheinander. Der gesamte Baum war in Bewegung und schien sich mit anschwellendem Gekreisch in die Luft erheben zu wollen.

Plötzlich drang das Böse in das kleine Paradies. Etwas Furchtbares war im Gange, aber ich konnte es noch nicht deuten. Ein Lärm wie die Schreie von hundert Kindern drang aus westlicher Richtung über die Lichtung zu mir herüber, und der Papageienschwarm, der gerade aufgestiegen war, drehte jäh ab und schwirrte kreischend davon. In der Saline bewegte es sich heftig; graues und grünes Gefieder flatterte in panischem Schrecken hastig auf, mit den gleichen entsetzten Kinderschreien. Auch aus dem Padoukbaum stoben die Vögel heraus.

Grässliches bahnte sich offenbar an. Ich war aufgesprungen und versuchte, etwas zu entdecken, einen Hinweis, eine Spur, suchte nach einer Erklärung für die Panik der Vögel. Doch außer den aufgescheuchten Papageientrupps war nichts Außergewöhnliches zu sehen. Aber das Schreien, das vom Westen kam, wurde stärker. Wieder flüchteten Schwärme von Papageien, einige flogen in westlicher Richtung, doch drehten sie gleich wieder ab, ruckartig, als hätten sie etwas Schreckliches gesehen. Mit Riesenschritten stürmte ich über die Saline, achtete kaum auf die schönen Blumen, die sich in sattgelben Inseln hier angesiedelt hatten. Ich fühlte mich unwiderstehlich vorwärts gedrängt, in den Wald und weiter den Schreien nach.

Nun bildete ich mir ein, eine Wagentür zufallen zu hören. Aber das war doch nicht möglich in dieser unzugänglichen, verlassenen Gegend! Ich wusste zwar, dass irgendwo dort drüben eine Piste verlief, aber ich dachte, sie wäre viel weiter weg. Der Lärm herabstürzender Äste drang zu mir, das laute Krachen, wenn sie auf dem Boden aufprallten, und dazu immer diese jämmerlichen Schreie. Meine Ohnmacht machte mich fast wahnsinnig, warum kam ich nicht schneller vorwärts?

Der Wald wurde wieder dicht und dunkel, roch nach Farn und Schimmel. Geradeaus kam ich nicht mehr weiter, das Dickicht war undurchdringlich. Außerdem warteten dort eine Mückenwand und die allgegenwärtigen, verhassten kleinen Urwaldbienen, die mir das Leben so gründlich versauten. Trotzdem machte ich nur einen kleinen Umweg an der Viecherwand vorbei und kroch auf allen Vieren durch das verfilzte, mit messerscharfen Dornen bewehrte Unterholz.

Ich hustete ständig vor mich hin, um feindseligen Kriechtieren meine Ankunft zu signalisieren und sie zu verscheuchen. Die Wirkung auf das Ungeziefer konnte ich nicht beurteilen, aber mich beruhigte es jedenfalls. Ich kam dem Lärm und Geschrei näher und konnte jetzt auch menschliche Stimmen heraushören. Es klang nach Befehlen, Zurufen und knappen Antworten. Angestrengt spähte ich umher, aber der Wald war noch zu dicht. Ich hastete weiter, um nicht zu spät zu kommen, obwohl ich gar nicht wusste, was ablief. Ich brach kleine Äste am Rande meiner Spur, um später den Rückweg finden zu können. Ein bisschen hatte ich schließlich schon bei meinen Freunden gelernt. Es stand mir deutlich vor Augen, wie Mopo auf unseren Exkursionen immer wieder Zweige knickte, um den Weg zu markieren.

Langsam wurde der Wald durchlässig, es wurde heller. Die menschlichen Laute wurden leiser, als ob sie sich entfernten. Die Schreie dagegen waren so laut wie eh und je und gingen mir durch Mark und Bein. Im Endspurt brach ich nun durch die letzten Hindernisse, konnte wieder aufrecht gehen und erreichte den Schauplatz einer Tragödie. Vor mir lag eine kleine Lichtung, ähnlich der Saline, an der...

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