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E-Book

Die großen Herrscher des Hauses Habsburg

700 Jahre europäische Geschichte

AutorFriedrich Weissensteiner
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl448 Seiten
ISBN9783492972093
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Keine andere Dynastie hat die europäische Geschichte so stark geprägt wie die der Habsburger. Friedrich Weissensteiner porträtiert die bedeutendsten Herrscher und liefert eine Geschichte des Hauses Habsburg in farbigen Biografien - vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Für diese Ausgabe wurde der Text aktualisiert und um die Porträts von Joseph II. und Leopold II. erweitert.

Friedrich Weissensteiner, geboren 1927 in Großpertholz/Niederösterreich, schloß sein Studium der Anglistik und Geschichte mit der Promotion ab. 1950 trat er in den Schuldienst ein und war von 1974 bis 1987 Direktor eines Bundesgymnasiums in Wien. Seine Bücher über die österreichische Geschichte - insbesondere über die Habsburger - haben ihn über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt gemacht.

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Leseprobe

Herzog Rudolf IV.:
Der Begründer des Habsburg-Mythos


Rudolf IV., der in den Geschichtsbüchern und historischen Werken mit dem Beinamen »der Stifter« bedacht wird, gehört zu den imposantesten Herrschergestalten des Hauses Habsburg im Mittelalter. Der am 1. November 1339 geborene älteste Sohn Herzog Albrechts II. war eine Persönlichkeit von unverwechselbarem geistigen Zuschnitt. Maßlos ehrgeizig, von einem unbändigen Tatendrang und einem tiefgründigen Selbst- und Sendungsbewußtsein erfüllt, verblüffte er seine Mit- und Umwelt mit der Ungezügeltheit seines Temperamentes, der Kühnheit seiner Konzepte und Konzeptionen, der unbekümmerten Raschheit seines Wollens und Handelns, der Vielseitigkeit seiner Ideen und einer üppig wuchernden Phantasie.

Hätten wir nur das Bildnis von ihm, das heute kostbarer Besitz des Wiener Erzbischöflichen Dom- und Diözesanmuseums ist – es ist vermutlich das älteste deutsche Fürstenporträt –, würde das oben gezeichnete Charakterbild berechtigter Skepsis begegnen. Der Herzog blickt uns daraus ganz und gar nicht tatendurstig entgegen. Das lange, ein wenig aufgedunsene Gesicht mit den schweren Augenlidern, den wulstigen Lippen, dem typisch habsburgischen Unterkiefer und dem dunklen, schütteren Bart macht einen versonnenen, schwermütigen Eindruck. Aber wir kennen Rudolfs Pläne, seine Taten, seine Leistungen und Gedankenkombinationen. Und sie sprechen eine ganz andere Sprache als seine Physiognomie.

Rudolfs charakterliche Veranlagung – wie könnte es anders sein? – war eine erbbedingte Mitgift der Eltern. Dem Vater, dem klugen Albrecht II., der infolge einer Polyarthritis an Händen und Füßen gelähmt war, verdankte er seine ehrgeizige Zielstrebigkeit. Von der Mutter, Johanna von Pfirt, der Erbtochter der letzten Grafen von Ferette und Montbeliárd, erbte er die Ungeduld des Herzens, sein Temperament und höchstwahrscheinlich auch seine Prunkliebe. Die Ehe der Eltern war übrigens fünfzehn Jahre kinderlos geblieben, bevor nach einer Wallfahrt des Herzogs nach Aachen und Köln, bei der er den Erben erflehte, der erste Sohn zur Welt kam. Die Wiener trauten dem gelähmten Herzog die Vaterschaft nicht zu. Aber Albrecht stellte sie nachher noch einige Male unter Beweis: auf Rudolf folgten noch drei Söhne und zwei Töchter. Im übrigen ist heute medizinisch längst erwiesen, daß Polyarthritis kein Grund für Impotenz ist.

Über die Kindheit des Prinzen wissen wir wenig. Rudolf wuchs in der Burg zu Wien auf. Möglicherweise waren die beiden Schwestern seine Spielgefährten. Von den drei jüngeren Brüdern trennte ihn ein Altersunterschied von acht bis vierzehn Jahren.

Der Herzogssohn genoß eine sorgsame Erziehung, über die wir im Detail natürlich nicht unterrichtet sind. Wer seine Erzieher waren, wie der Unterricht vor sich ging und was man ihn lehrte, ist nicht überliefert.

Rudolf IV. war nicht nur des Schreibens mächtig, er erfand sogar eine Geheimschrift, von der einige Proben erhalten sind. Er war der erste Fürst seiner Zeit, der seine Urkunden eigenhändig unterschrieb. Er kümmerte sich persönlich um deren Ausfertigung und war mit den technischen Fertigkeiten und sonstigen Details seiner Kanzlei auf das beste vertraut.

Seine anlagemäßige geistige (Früh-)Reife mag durch die frühe Bekanntschaft und den Umgang mit bedeutenden Gelehrten gefördert worden sein und seine Ideenwelt beflügelt haben. Unter ihnen spielte der geistliche Kanzler Rudolfs, der Bischof von Gurk, Brixen und Chur, Johannes von Platzheim, eine besondere Rolle. Ernst Karl Winter, der in einem breitangelegten, kontroversiellen Werk Rudolf den Stifter als den Schöpfer des österreichischen Staatsbewußtseins gepriesen hat, bezeichnete Platzheim als einen »politischen Kopf ersten Ranges, einen Staatsdenker und Staatsmann von Format, beides zugleich und beides zusammen«.

Eine andere Persönlichkeit, die mit Rudolf in enger Verbindung stand und auf ihn geistigen Einfluß nahm, war Graf Ulrich von Schaunberg, ein reichsunmittelbarer Dynast mit Besitzungen in Oberösterreich. Neben diesen beiden Männern sind aus der Umgebung des Regenten noch der Wiener Bürgermeister Hans von Tirna, der für die Städtepolitik des Herzogs verantwortlich war, und der Rektor der Stephansschule in Wien, Konrad von Megenberg, zu nennen. Megenberg, ein großer Gelehrter und gefeierter Lehrer, widmete dem jungen Prinzen ein philosophisches Werk.

Der Vater machte seinen ältesten Sohn schon als Kind zum Spielball eines dynastischen Eheprojektes. Der Neunjährige wurde mit der sechsjährigen Katharina, einer Tochter des Königs von Böhmen und späteren Kaisers Karl IV., verlobt, die mit ihm aufwuchs und die er vierzehnjährig in Prag heiratete. Die Verbindung blieb, wohl wegen Unfruchtbarkeit der weiblichen Ehehälfte, kinderlos. Und schon dem Zehnjährigen mußten über Geheiß des Herzogs die Landesherren ihre Reverenz erweisen, sprich: nach mittelalterlichem Lehensrecht Gehorsam und Treue schwören.

Es war das Jahr, in dem die Pest mit ihren verheerenden Ausund Folgewirkungen auch Wien heimsuchte: das Jahr 1349. Tausende Menschen wurden von der furchtbaren Seuche hinweggerafft. Die Todesrate soll täglich fünfhundert bis siebenhundert Opfer betragen haben. Ganze Stadtteile verödeten, der wirtschaftliche Schaden war enorm. Die psychologischen Folgen waren freilich noch katastrophaler als die Epidemie selbst. In ihrem Gefolge kam es zu schweren Ausschreitungen gegen die Juden, die als Sündenböcke für die Heimsuchung herhalten mußten. Sie wurden der Brunnenvergiftung, des rituellen Kindermordes und der Hostienschändung beschuldigt. Die schwere soziale Krise, die mit der Verbreitung der Pest einherging, löste auch aggressive chiliastische Massenbewegungen aus. Flagellantenscharen durchzogen, nur mit einem Büßerhemd bekleidet, die Lande, geißelten sich selbst und versetzten mit ihren hysterischen Bußübungen die Menschen in Angst und Schrecken. Rechnet man die zahlreichen Katastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen, Brände und Mißernten hinzu, die um die Mitte des 14. Jahrhunderts die Menschen heimsuchten, so ergibt sich das Bild einer düsteren Umwelt, in die der junge Prinz hineinwuchs. Die Seele des sensiblen Knaben wird davon nicht unberührt geblieben sein.

Seine ersten militärischen und politischen Erfahrungen sammelte der junge Rudolf ausgerechnet in jenen Gebieten, Ländern und Ländereien, in denen der Urgroßvater, Rudolf I., vor seiner Krönung zum deutschen König agiert hatte: am Oberrhein, im Elsaß, in den österreichischen Vorlanden und in der Schweiz.

Im Jahre 1354 nahm er gemeinsam mit dem Vater an einem Kriegszug gegen die Reichsstadt Zürich teil, der sich das Ziel steckte, den Expansionsbestrebungen der Schweizer Eidgenossenschaft entgegenzutreten und das Interesse des Hauses im Herkunfts- und Stammland zu wahren. Die Eindrücke, die er dabei gewann, haben später seine Entscheidungen, vor allem seine Haltung gegenüber den Städten, mitbestimmt. 1357 übertrug Kaiser Karl IV. seinem tatendurstigen Schwiegersohn die Aufgaben eines Reichslandesvogtes im Elsaß und in Schwaben, die dieser mit dem ihm eigenen Feuereifer in Angriff nahm. Rudolf schlug seinen Sitz in Rheinfelden im schweizerischen Aargau auf und verfocht mit jugendlichem Ungestüm die territorialstaatlichen Ansprüche des Hauses Habsburg und des Reiches. Er legte bereits in dieser Position ein erstaunliches Selbstbewußtsein an den Tag und erbat vom Kaiser Souveränitätsrechte, die er schon kurze Zeit später als österreichischer Landesfürst contra legem für sich in Anspruch nahm. Die Durchführung und Verwirklichung seiner Absichten und Pläne blieb im Ansatz stecken. Am 20. Juli 1358 starb Albrecht II. Der reformfreudige Sohn trat neunzehnjährig die Nachfolge an.

Der junge Herzog besaß kein fertiges Regierungsprogramm, als er das Erbe des Vaters antrat. Aber er hatte ein politisches Grundkonzept, das er in seiner siebenjährigen Herrschaft (1358–1365) mit konsequenter Unrast verfolgte. Er wollte seinem Geschlecht, das von den höchsten Reichsämtern ausgeschlossen war, ein größeres Ansehen verschaffen, in seinen Ländern wie ein König unumschränkt regieren und alle Gebiete, die zu seinem Machtbereich gehörten, zu einem geschlossenen, einheitlichen Herrschaftskomplex um- und ausbauen. Das »dominium Austriae«, das ihm vorschwebte, sollte vom Oberrhein bis nach Ungarn und Oberitalien reichen.

Bei der Durchsetzung dieser ambitionierten Vorhaben ließ er es an Eigenmächtigkeiten, Eitelkeiten und Provokationen nicht fehlen. Die persönlichen Triebkräfte hinter allen seinen Handlungen und Plänen waren ein ausgeprägtes, übersteigertes Geltungsbedürfnis und eine innere, seelische Unruhe, die ihn zu manchen übereilten Schritten verleitete. Das Psychogramm...

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