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Die Grundlagenrechtsprechung des EuGH zur Entstrickungsbesteuerung

AutorConstantin von Schönberg
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl86 Seiten
ISBN9783668109407
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Jura - Steuerrecht, Note: 2,0, Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg (Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Steuerrecht), Veranstaltung: BWL - Steuerrecht, Sprache: Deutsch, Abstract: Gegenstand der Arbeit ist die Entwicklung und Systematisierung der EuGH-Grundlagenrechtsprechung über die Entstrickungsbesteuerung im binnen-marktlichen Rahmen. Zuletzt erging im Januar das EuGH-Urteil zur Rs. DMC (vom 23.01.2014, C-164/12, n. n. v.), womit die EuGH-Rechtsprechung zur Entstrickungsbesteuerung nach dem wegweisenden EuGH-Urteil zur Rs. National Grid Indus (vom 29.11.2011, C-371/10, Slg. 2011, I-12273) einen vorläufigen Abschluss und eine damit einhergehende klare Rechtspre-chungslinie fand. Die Arbeit basiert auf einem ausführlichen Literaturstudium und einer umfangreichen Untersuchung der einschlägigen EuGH-Urteile und befindet sich mit der Untersuchung der zuletzt ergangenen Rs. DMC auf dem aktuellen Stand der EuGH-Rechtsprechung.

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Leseprobe

C. Unionsrechtliche Würdigung Konformität der Entstrickungsbesteuerung


 

I. Einführung


 

Ziel des Teils C. ist es, unter dem Wortlaut der unionsrechtlichen Würdigung des Entstrickungstatbestandes den Schwerpunkt der Arbeit zu untersuchen und zu konstatieren, namentlich das System der aktuellen EuGH-Grundlagenrechtsprechung zur Entstrickungsbesteuerung. Die Untersuchung der EuGH-Rechtsprechung orientiert sich dabei zweckmäßigerweise an dem groben Aufbau der Entstrickungsurteile[112].

 

Im Sinne der sonst üblichen einführenden Bestandteile rechtlicher Rahmen, Sachverhaltserläuterung bzw. Ausgangsstreit und Vorlagefragen wird ein kompakter Überblick der Rechtsprechungshistorie mit den einschlägigen EuGH-Urteilen gegeben. Als darauf folgendes Untersuchungsgebiet wird der Eingriff in den Schutzbereich der Grundfreiheiten bearbeitet.[113] Im Zuge dessen werden die betreffenden Grundfreiheiten und deren Anwendbarkeit erläutert sowie die Beschränkungsmöglichkeiten einer Grundfreiheit durch Entstrickungsbesteuerungsregelungen aufgeklärt. Daran schließt sich das nächste Untersuchungsgebiet mit der Aufklärung der Rechtfertigungsebene an, bei der insbesondere die Rechtfertigungsgründe und die Verhältnismäßigkeit der Besteuerung durchdrungen werden. Im letzten Kapitel werden noch offene Diskussionspunkte und Fragen untersucht. Dabei wird auf die Übertragbarkeit der jüngeren auf die früheren EuGH-Urteile eingegangen, die Wirkung der EuGH-Rechtsprechung auf die deutschen Regelungen zur Entstrickungsbesteuerung diskutiert und im Zusammenhang von noch offenen Fragen ein Ausblick auf die künftige EuGH-Rechtsprechung zur Entstrickungsbesteuerung gegeben.

 

II. Rechtsprechungshistorie


 

Nach Dobratz hat die das letzte Vierteljahrhundert andauernde Rechtsprechungsodyssee des EuGH zur Entstrickungsbesteuerung mit der Rs. Daily Mail[114] gewissermaßen begonnen und mit der Rs. DMC[115] einen vorläufigen Abschluss gefunden.[116]

 

Die Ansicht von Dobratz hinsichtlich des Beginns aussagekräftiger EuGH-Rechtsprechung zum Thema Wegzugsbesteuerung ist insofern zu befürworten, als die Daily Mail-Entscheidung als erstes klareres Urteil mit der primären Niederlassungsfreiheit als Prüfungsgegenstand gearbeitet hat.[117] Im Vorfeld beschäftigten sich die EuGH-Rechtsprechungen mit den Rs. Fearon, avoir fiscal und Segers in einer Grauzone zwischen sekundärem[118] und primärem Niederlassungsrecht.[119] Bereits bei der Rs. Fearon wurde im Rahmen von sekundärem Niederlassungsrecht dahingehend entschieden, dass sich eine in dem Fall irische Gesellschaft ggü. dem irischen Staat nicht auf den Schutz einer europarechtlichen Niederlassungsfreiheit berufen kann, mit anderen Worten die Niederlassungsfreiheit nicht über nationales Recht zu stellen ist.[120]

 

Die Klägerin in der Rs. Daily Mail, eine britische Kapitalgesellschaft, ersuchte die Zustimmung zur Verlegung ihrer Geschäftsleitung in die Niederlande, um dort neben Geschäftsleitungssitzungen und weiteren Tätigkeiten in der Hauptsache Wertpapiere ihres Betriebsvermögens zu verkaufen und im Anschluss eigene Unternehmensteile in Form von Aktien zurückzukaufen, ohne Steuern auf den entstandenen erheblichen Wertzuwachs dieser Wertpapiere zahlen zu müssen. In Ermangelung einer Zustimmung des britischen Finanzministeriums, die für den Vorgang Bedingung gewesen wäre, galt es nun für den EuGH, die Anwendbarkeit der den Art. 52, 58 EWGV zu Grunde gelegten Niederlassungsfreiheit und die Besteuerungskonsequenzen aufzuklären.[121] Das Ergebnis war eine recht klare Ausgangssituation für spätere Entscheidungen. Zwar wurden gem. Rn. 23-25 des Urteils eine Problematik zwischen den einzelnen mitgliedstaatlichen Steuerregelungen und daraus entstehende steuerliche Nachteile erkannt, jedoch im Fall von nach nationalem Recht begründeten Gesellschaften zur Identitätswahrung der Gesellschaft dem nationalen Recht in seiner Besteuerung der Vorrang vor der Niederlassungsfreiheit nach Art. 52, 58 EWGV gewährt und eine Problembeseitigung auf zukünftige Harmonisierungsrechtssetzungen bzw. Vertragsschlüsse zwischen Mitgliedstaaten geschoben. Der Eingriff der britischen Finanzverwaltung war also trotz beschränkender Wirkung auf die Niederlassungsfreiheit legitim. Damit fiel die Entscheidung des EuGH deutlich gegen ein ggü. nationalen Vorschriften vorrangiges EU-Recht aus.[122]

 

Eine erste größere Weiterentwicklung der Daily Mail-Rechtsprechung deutete sich mit der Rs. X, Y[123] an. Die Schweden X und Y hatten vor, Gesellschaftsanteile in Form von Aktien zum Buchwert auf eine weitere schwedische Gesellschaft zu übertragen, die als Tochtergesellschaft einer Gesellschaft aus Belgien ebenfalls im Eigentum von X und Y und einer weiteren Gesellschaft stand. Mit der Aufdeckung der stillen Reserven aufgrund der belgischen und nicht schwedischen Muttergesellschaft wurde eine Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit in Form der Benachteiligung grenzüberschreitender Fälle festgestellt.[124] In Rn. 51 des Urteils werden die möglichen Rechtfertigungsgründe Kohärenz einer Steuerregelung, steuerliche Kontrolle bei späterer Besteuerung und Bekämpfung der Steuerhinterziehung aufgeführt. Eine mögliche Steuerhinterziehung allein konnte keine die Niederlassungsfreiheit behindernde Steuermaßnahme rechtfertigen.[125] Die Rechtfertigungsgründe Kohärenz und steuerliche Kontrolle scheiterten an dem unverhältnismäßigen und nicht erforderlichen Ausschluss des Steueraufschubs, wenngleich die Kohärenz aufgrund des bestehenden DBA gegeben war.[126] Dieses Urteil stellte insofern eine Weiterentwicklung der EuGH-Rechtsprechung dar, als die Sofortbesteuerung nicht ausgeschlossen wurde, lediglich die mangelnden Steueraufschubsmöglichkeiten ein derartiges Konstrukt unverhältnismäßig werden ließen und damit für eine Ablehnung der nationalen Regelungen seitens des EuGH gesorgt wurde.[127]

 

Hinsichtlich der Verwaltungssitzverlegung von Kapitalgesellschaften wurde mit der Rs. Daily Mail eine klare Ausgangssituation für juristische Personen geschaffen. Mit der Rs. X, Y setzte der EuGH ein erstes Statement zu natürlichen Personen, was in der Rs. de Lasteyrie du Saillant[128] wesentlich fortgeschrittenere Ausmaße annahm. Es galt, mit diesem Urteil die Unzulässigkeit einer steuerlichen Benachteiligung, einzig an die Wohnsitzverlagerung in das Ausland gebunden, festzustellen.[129] Die französische Wegzugsbesteuerung von durch natürliche Personen gehaltenen wesentlichen Beteiligungen sah vor allem die Vermeidung einer Steuerumgehung vor, gleichzeitig aber auch eine Anrechnung ausländischer Veräußerungsgewinnsteuer und den Erlass der festgesetzten Entstrickungssteuer nach fünf Jahren bei Nichtverkauf. Zusätzlich bestand die Möglichkeit einer Stundung auf Antrag mit Sicherheitsleistung als Alternative zur Sofortbesteuerung und eine Erklärungspflicht des Steuerpflichtigen zu dem gewährten Zahlungsaufschub.[130] Abermals wurden die Rechtfertigungsgründe für eine derartige Besteuerung in der Steuerumgehung bzw. –flucht, der Kohärenz zwischen dem Steueraufschub und der späteren Besteuerungssicherung in Betracht gezogen. Die Ansicht zur Steuerflucht aus dem vorherigen Urteil wurde in vergleichbarer Form bestätigt und führte – da die Verhinderung der Steuerflucht und nicht allein die Wegzugsbesteuerung das Hauptziel der französischen Besteuerung war – gleichzeitig zu einer Ablehnung der Kohärenz als Rechtfertigungsgrund.[131] Zusätzlich sorgten die die Niederlassungsfreiheit beschränkenden Konditionen des Zahlungsaufschubs, darunter vor allem die zu leistenden Sicherheiten, für die weitere Unverhältnismäßigkeit der Regelung[132], sodass summa summarum eine derartige Besteuerungsregelung vom EuGH abgelehnt wurde.[133]

 

Ein erster vorläufiger Abschluss in der Rechtsprechungshistorie hinsichtlich der Entstrickungsbesteuerung natürlicher Personen wurde mit der Rs. „N“[134] erreicht.[135] Im Gegensatz zur französischen Rechtsprechung sah die niederländische „Exit“-Besteuerung in einem ähnlichen Sachverhalt keinen Steuererlass nach fünf Jahren vor, sodass in diesem Fall erneut über die Rechtfertigungsgründe einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit debattiert werden konnte. Der EuGH nutzte in seiner Argumentation die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis nach dem Territorialitätsprinzip, zeitlich gemessen an der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen, in Anlehnung an den Art. 13 Abs. 5 OECD-MA 2005.[136] Eine Entstrickungsbesteuerung nach niederländischem Recht war also als geeignet einzustufen. Hinsichtlich der zu stellenden Sicherheiten sah der EuGH diese nicht als geringstes Mittel an, sodass schlussendlich die Amtshilfe- und Beitreibungsrichtlinien als das angemessenste Mittel in Betracht gezogen wurden.[137] An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass im...

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