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Die Gruppe als Lern- und Erfahrungssystem

Die Relevanz soziodynamischer Konzepte (Theorie) für die Inszenierung von Lern- und Erfahrungsprozessen im Bereich Bewegung und Sport

AutorJörg Habenicht
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl111 Seiten
ISBN9783640236503
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 1997 im Fachbereich Psychologie - Lernpsychologie, Intelligenzforschung, Note: Gut, Universität Wien (Institut für Sportwissenschaften/Wien), 85 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Gedanke, der letztendlich zur Bearbeitung dieses Themas führte, kam mir auf einem gruppendynamischen Seminar im Dezember 1995. Im Zuge meines Studiums der Sportwissenschaften und der Prävention/Rekreation hatte ich bereits durch einige wenige Lehrveranstaltungen Erfahrungen im Bereich der Psychologie sammeln können. Diese Erlebnisse führten mich zu der Erkenntnis, daß die Anwendungsgebiete der Psychologie im Sport viel zahlreicher sind, als es auf den ersten Blick erscheint. Während dem oben genannten Seminar, das von Dr. Kleiner geleitet wurde, wurde mir klar, daß nur wenige Bereiche der Psychologie im Sport sinnvoll angewendet werden können. Die Gruppendynamik hinterließ durch dieses Seminar tiefen Eindruck auf mich, und ich beschloß, mögliche Anwendungsgebiete der angewandten Gruppendynamik im Sport zu erkunden. Besonderes Interesse galt dabei dem Bereich des Leistungssports, da mir bereits in der Zeit während meines Studiums die wachsende Professionalität aufgefallen war. Die Geldmittel wurden für die Optimierung möglichst vieler leistungsbeeinflußender Bereiche verwendet und so interessierte es mich, welche Bedeutung den Konzepten der Gruppendynamik hier beigemessen wurde. Aber auch im Freizeitsport vermutete ich viele Möglichkeiten, gruppendynamische Anwendungen sinnvoll einzusetzen. Ich hatte im Laufe meines Studiums gelernt, wie man sportliche Leistung optimiert, Trainingspläne anpaßt und geeignete Umweltbedingungen zum Erbringen einer sportlichen Leistung schafft. Mit der Zeit entwickelte sich jedoch eine zweite Sicht der Dinge, die den Freizeitsport als Vermittler von Spass und Lebensfreude darstellte. Diese verschiedenen Sichtweisen stellten sich letztendlich als gleichbedeutend heraus. So beschäftigt sich die vorliegende Arbeit auch mit beiden Sichtweisen, denn der Zwiespalt, der bei der Literatursuche und der Interpretation von Texten, entstand, ließ mich bald einen Weg der Mitte einschlagen.

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Leseprobe

2. DER FORSCHUNGSGEGENSTAND „GRUPPE“


 

Das folgende Kapitel soll jenen IST-Zustand offenlegen, der für das weitere Verständnis von Gruppendynamik und ihrer unterschiedlichen Konzepte nötig ist. Anhand der Ausführungen ausgewählter Autoren soll der Begriff „Gruppe“ konstruktiv definiert werden, um mit diesem zentralen Gegenstand der Arbeit hermeneutisch korrekt umgehen zu können. In einer Übersicht soll die Gruppe gegenüber anderen sozialen Phänomenen abgegrenzt werden.

 

Jene Faktoren, die die Gruppe definieren und die zu ihrer Bestimmung dienen, werden im Anschluß daran erklärt. Die verschiedenen Definitionen, die es von zahlreichen Autoren für Gruppen gibt, sollen in einer Übersicht auf Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Überschneidungegn beleuchtet werden. Ein weiteres Unterkapitel beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Formen der Gruppe und erläutert auch, wie es zu deren Bildung kommt. Dabei wird besonderes Augenmerk auf den Typ der "Kleingruppe" gelegt. Auch die Merkmale einer „Sportgruppe“ sollen in diesem Kapitel näher beleuchtet werden. Ein Exkurs über „Macht“, wie sie gerade in Gruppen vorkommen kann, soll diesen theoretischen Teil der Arbeit komplettieren.

 

Mit einer Übersicht von SCHNEIDER ( 1985. S 12 ) soll auf die Entwicklung der Gruppenforschung hingewiesen machen. Die Zahl der Publikationen, Untersuchungen und Forschungsreihen nimmt jährlich zu, und so läßt sich erahnen, welche Bedeutung der Forschungsbereich der „Gruppe“ bzw „Gruppendynamik“ erlangt hat.

 

ABBILDUNG 3: Zahl der Publikationen mit dem Stichwort „Gruppe“ im Titel seit 1967.

 

 

SCHNEIDER ( 1985. S 12 )

 

SCHNEIDER empfindet die steigende Anzahl von Veröffentlichungen als sehr positiv, räumt aber auch gleichzeitig ein, daß die sozialwissenschaftliche Forschung oft von Voreingenommenheit aufgrund spezifischer Menschenbilder beeinflußt ist.

 

Um der Notwendigkeit der Unparteilichkeit in der Forschung gerecht zu werden, tritt er auch für einen „Theorienpluralismus“ ein. Was dieser Begriff bedeutet, soll anhand der zahlreichen Definitionen und Begriffsbestimmungen, die im nächsten Kapitel angeführt sind, gezeigt werden.

 

2.1. DEFINITIONEN zum Begriff „Gruppe“


 

In SCHÄFERS ( 1994. S 19 ) findet sich folgende Definition der " sozialen Gruppe ":

 

„Gruppe ist einer der wichtigsten Begriffe der Alltagssprache wie der Wissenschaftssprache zur Bezeichnung bestimmter Merkmale und Formen der Realität. Gruppe ist ein Ordnungs- und Klassifikationsbegriff, der die Gemeinsamkeit einer Reihe von gleichen bzw. ähnlichen Elementen hervorhebt: Menschengruppe ( erst im 18. Jahrhundert) , Baumgruppe, Sternengruppe usw. Wortgeschichtlich ( etymologisch ) ist interessant darauf hinzuweisen, daß Gruppe ursprünglich einen germanischen Wortstamm hat und etwa " Klumpen " bedeutet. Es erfolgt dann eine Entlehnung ins Romanische; italienisch " gruppo ", Französisch " groupe " bedeutet soviel wie " ein Haufen Figuren ", " ein Pack Geld ", Ansammlung, Schar etc.“

 

Der Gruppen- Begriff wird im deutschen Sprachraum ab 1830 auch zur Bezeichnung sozialer Beziehungen verwendet, jedoch gab es noch keine Eingrenzungen, was Größe sowie Struktur einer Gruppe betraf.

 

Der Gruppen-Begriff wird im Jahre 1844 neu interpretiert und systematisch ausgearbeitet. STRÜMPELL ( 1844 ) in SCHÄFERS ( 1994. S 20. ) bezieht sich auf das Vorliegen von drei Momenten:

 

" 1. ein gemeinsames Denken, Wollen oder Thun als solches, an dessen Objekte oder Zwecke alle Teil haben können;

 

2. der Umstand, daß sich kein Privatdenken oder -Wollen oder -Thun eben als solche, bloß individuelles an die Stelle des allgemeinen setzt;

 

3. der Umstand, daß im Falle eines von innen oder außen kommenden Angriffs auf einen Koefficienten des allgemeinen Denkens, Wollens oder Thuns, diesen denselben so auffaßt, als ob es ihm selbst widerfahren wäre"

 

Die Verwendung des Gruppenbegriffs entwickelte sich noch bis zur Jahrhundertwende weiter. Eine in den Sozial- und Humanwissenschaften weitgehend akzeptierte und seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts gültige Definition (= Def. für Kleingruppen ) liest sich in

 

SCHÄFERS ( 1994. S 20 ) so:

 

" Eine soziale Gruppe umfaßt eine bestimmte Zahl von Mitgliedern ( Gruppenmitglieder ) , die zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels ( Gruppenziel) über längere Zeit in einem relativ kontinuierlichen Kommunikations- und Interaktionsprozeß stehen und ein Gefühl der

 

Zusammengehörigkeit ( Wir- Gefühl ) entwickeln. Zur Erreichung des Gruppenziels und zur Stabilisierung der Gruppenidentität ist ein System gemeinsamer Normen und eine Verteilung der Aufgaben über ein gruppenspezifisches Rollendifferential erforderlich. "

 

Im Vergleich dazu betont GOFFMAN ( 1971. S 13 ), in seiner Definition das soziale Moment und bezieht sogar spezielle Gruppenphänomene ein:

 

" Eine soziale Gruppe läßt sich als eine spezielle soziale Organisation verstehen. Ihre Elemente sind Individuen, welche diese Organisation als eine distinkte kollektive Einheit , eine soziale Entität sehen, die abgehoben werden kann von den spezifischen Beziehungen, die zwischen den Teilnehmern bestehen; sie nehmen sich selbst als Mitglieder wahr, empfinden Zugehörigkeitsgefühl und eine gewisse Identifikation mit der Organisation und fühlen sich hierdurch gestützt; eine eher feindliche Einstellung gegenüber Außengruppen ist ziemlich konstant vorhanden. Ein symbolhaftes Bild von der Realität der Gruppe und der eigenen Beziehung zu ihr gehören ebenfalls dazu."

 

Im allgemeinen Wortverständnis ist die Gruppe identisch mit der Mehrzahl von Menschen, oder anders gesagt mit dem "Mensch im Plural". Diese Interpretation ist jedoch zu allgemein gehalten und kann zu Verwirrungen führen. Entscheidend für eine nähere Begriffsbestimmung ist aber das Faktum, daß die Möglichkeit zur unmittelbaren Interaktion besteht, wie bereits HOMANS ( 1960, S.29 ) feststellte: "Unter einer Gruppe verstehen wir eine Reihe von Personen, die in einer Zeitspanne häufig miteinander Umgang haben und deren Anzahl so gering ist, daß jede Person mit allen anderen Personen in Verbindung treten kann, und zwar nicht über andere Menschen, sondern von Angesicht zu Angesicht."

 

In dieser Definition werden allerdings nötige Gemeinsamkeiten dieser Personen nicht näher bestimmt. Menschen, die vor einem verschlossenem Geschäft auf den Einlaß warten und sich dabei unterhalten, fielen auch unter diese Bestimmung, wie ROSENSTIEL ( 1992. S. 259 ) anhand diese Beispiels erläutert. Daher bietet er "wesentliche Definitionsbestandteile" an:

 

 Mehrzahl von Personen in

 

direkter Interaktion über eine

 

längere Zeitspanne bei

 

Rollendifferenzierung und

 

gemeinsamen Normen, verbunden durch

 

ein Wir-Gefühl.

 

ROSENSTIEL (1992. S.261) weist darauf hin, daß weitere Definitionen möglich seien, oder andere Definitionsbestandteile aufgenommen werden könnten; aber "von der Möglichkeit zur unmittelbaren Interaktion über eine längere Zeit hinweg wird man allerdings nicht absehen können, da hier erst ein spezifisch von der Gruppe gefärbtes Erleben und Verhalten beim Gruppenmitglied analysierbar wird."

 

In Gablers Wirtschaftslexikon ( ARENTZEN/WINTER 1992. S 234 ) wird der Begriff Gruppe durch folgende charakteristische Merkmale festgelegt:

 

Bestimmte Anzahl von Mitgliedern, die

 

über längere Zeit miteinander ein gemeinsames Ziel

 

 verfolgen und

 

in einem kontinuierlichen Kommunikations- und

 

 Interaktionszusammenhang gruppenspezifische Rollen,

 

 Werte und Normen ausbilden.

 

Demnach handelt es sich bei der Gruppe um ein soziales Gebilde wie Familie, Horde oder Sippe, welche den Ursprung menschlichen Gruppenlebens darstellen. Gegenüber früheren Abgrenzungen verstehen die Autoren den Begriff in der gegenwärtigen soziologischen Auffassung als Kleingruppe, d.h. ein Gebilde von drei bis 25 Mitgliedern, wobei die Zweiergruppe eine Sonderstellung einnimmt.

 

HEINEMANN ( 1990. S 122 ) zum Beispiel schreibt keine genauen Mitgliederzahlen vor, macht aber die Existenz einer „sozialen Gruppe“ von folgenden vier Merkmalen abhängig:

 

a) Das Vorhandensein eines „Wir-gefühls“:Er sieht darin eine wechselseitige Orientierung, Identifikation, Verantwortungsbereitschaft und psychische Verbundenheit der Gruppenmitglieder untereinander. Einen wichtigen Punkt stellt auch die bewußtseinsmäßige Abgrenzung der Eigengruppe von der Fremdgruppe dar.

 

b) Die Abgrenzung nach außen : Die Gruppe sollte sich als eigenständiges soziales Gebilde von der sozialen Umwelt und von anderen sozialen Gebilden abgrenzen. Diese Abgrenzung ist für Gruppenmitglieder als auch...

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