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E-Book

Die heilende Kraft des Lachens

Mit Therapeutischem Humor frühe Beschämungen heilen

AutorMichael Titze
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl100 Seiten
ISBN9783641162542
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Mit Humor die Lebenskraft befreien
'Hölzerne' Menschen haben oft Schwierigkeiten, von anderen akzeptiert zu werden. Dieses Buch zeigt einen interessanten neuen Therapieansatz, wie frühe Beschämungen geheilt werden können.

Michael Titze, geb. 1947, ist Psychologischer Psychotherapeut, Humor-Coach (HCDA - HumorCare Deutschland - Österreich) und Leiter der HCDA-Akademie in Ludwigsburg. Der Autor vieler erfolgreicher Bücher und Fachpublikationen war Initiator der Gelotophobie-Forschung und gilt als Wegbereiter des Therapeutischen Humors im deutschsprachigen Raum.

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Leseprobe

Vorwort


Unter dem Titel Schizophrenie und Familie1 erschienen im Jahre 1969 die wichtigsten Arbeiten der sogenannten Palo-Alto-Gruppe in deutscher Übersetzung. Ich studierte damals Psychologie, und ich kann mich noch gut erinnern, wie sehr mich die paradoxen Aussagen Gregory Batesons und seiner Mitarbeiter beeindruckten. Schon auf den ersten Seiten dieses Buches wird darauf hingewiesen, daß wir stets auf verschiedenen Ebenen kommunizieren. Wir können eine verbale Botschaft vermitteln, zum Beispiel: »Ich mag etwas«, und dabei gleichzeitig körpersprachlich eine gegenteilige Aussage machen, indem wir etwa unser Gesicht angewidert verziehen. Oft ist uns dies gar nicht bewußt. Wir können ferner eine Botschaft in einer wörtlichen – »expliziten« – und einer metaphorischen – »impliziten« – Weise kommunizieren. Dabei kann das offen Ausgesprochene durch das indirekt Thematisierte völlig in Frage gestellt werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand verächtlich grinsend beteuert, das Fachwissen seines Vorgesetzten zu schätzen.

Die implizite Kommunikation spielt bei der Entstehung früher Beschämungen eine ganz entscheidende Rolle. Im abweisenden Gesichtsausdruck und im kalten Blick seiner Bezugsperson liest das Kind die verhängnisvolle Botschaft: Du bist nicht liebenswert, du gehörst nicht dazu ... Das Beschämende daran ist, daß diese Botschaft nicht begründet wird, nicht hinterfragt werden darf und daher auch nicht korrigiert werden kann. Denn eine solche Botschaft wird nicht explizit geäußert.

Derartige kommunikative »Doppelbindungen« sind paradox. Sie sprengen den Rahmen des gesunden Menschenverstandes, der nur eindeutige Aussagen zuläßt. Wer sich aus solchen alogischen und metakommunikativen Zwickmühlen befreien will, der muß den paradoxen Weg konsequent weitergehen. Bateson und seine Mitarbeiter entdeckten in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Humors. Sie beschrieben seine Wirkung so: »Es ist zum Beispiel eine Entdeckung, wenn plötzlich klar wird, daß eine Botschaft nicht nur metaphorisch gemeint ist, sondern auch wörtlich – und umgekehrt. Das heißt, das explosive Moment im Humor kommt in jenem Augenblick zur Wirkung, in dem die Markierung der Kommunikationsmodi aufgelöst und zu einer neuen Synthese zusammengesetzt wird.«2 Damit wurden die analytischen Studien Sigmund Freuds über den Witz3 aus einer neuen Perspektive heraus bestätigt.

In den folgenden Jahren zeigte mir die Lektüre der faszinierenden Werke von Paul Watzlawick, der ebenfalls zur Palo-Alto-Gruppe gehörte, weitere ungeahnte Möglichkeiten paradoxer Auflösungen kommunikativer Doppelbindungen auf.4 Es wurde mir dabei immer stärker bewußt, daß die Symptomatik neurotischer und psychotischer Krankheitsbilder nicht allein unter dem Aspekt eines defizitären Abweichens von der Norm gesehen werden kann. Jedes Symptom bringt vielmehr auch etwas Kreatives zum Ausdruck. Es entspricht einem kommunikativen Arrangement, das schon den (unverstandenen) Ansatz eines Lösungsversuchs in sich birgt.

Diese – gleicherweise ermutigende wie paradoxe – Sichtweise wurde mir auch in den Werken Alfred Adlers vor Augen geführt. Hier bekam ich ein Menschenbild vermittelt, das optimistisch und ressourcenorientiert ist. Denn die schöpferische Kraft läßt den Menschen nicht zum bloßen Opfer widriger Lebensumstände werden. Sie ermöglicht – selbst in den schwersten Formen psychischer Erkrankung – ein Streben nach Überwindung entsprechender Mangelzustände. Das Symptom bringt dies in verschlüsselter Form zum Ausdruck. Es ist, wie Viktor Frankl es ausgedrückt hat, gleichzeitig »Mittel und Ausdruck«.5 Der Psychotherapeut muß diesen Sinngehalt dechiffrieren und seinem Klienten bewußtmachen. Er lenkt damit die Aufmerksamkeit auf die im vordergründig Krankhaften verborgene Lebenskraft. Damit wird ein Symptom annehmbar. Adlers Schüler Rudolf Dreikurs faßte dies vor über sechzig Jahren in die Worte: »Man rät dem Patienten, gerade das zu üben, was er bis jetzt scheinbar bekämpft hat, also sein Symptom zu verstärken.«6 Dadurch wird ein Mut zur Unvollkommenheit angeregt, der die eigentliche Voraussetzung für die Überwindung neurotischer Fehlhaltung ist.

Über die Lektüre von Adlers Werken kam ich zu Viktor Frankl, der für kurze Zeit selbst im Einflußbereich der Individualpsychologie stand.7 Frankls Methode der »paradoxen Intention« ist für mich die genialste Entdeckung der Psychotherapie. Denn im Gegensatz zu vergleichbaren Methoden, etwa der Verhaltenstherapie, hatte Frankl ausdrücklich die geistige Kapazität des Menschen vor Augen. Er war zutiefst davon überzeugt, daß der Mensch unter allen Umständen über sich selbst hinauswachsen kann – sofern es ihm gelingt, sich von sich selbst zu distanzieren. Dazu bedarf es des Mutes zur Lächerlichkeit, den der Therapeut aber nur dann vermitteln kann, wenn er diesen Mut selbst besitzt. Die Voraussetzung dafür ist, sich von den beschämenden Zwängen eines Denkens zu befreien, das eine Trennlinie zwischen gut und schlecht, krank und gesund sowie normal und verrückt zieht. Nach Frankl kann die personale Unversehrtheit, die spezifisch geistige Kraft eines Menschen, selbst in Fällen schwerster psychischer Erkrankung geborgen werden. Dieses »Humanissimum« ist unverletzlich. Es sichert die Menschenwürde, und es ist die Quelle allen Selbstwertgefühls – sofern es nicht aus den Augen verloren wird! Und dies ist stets dann der Fall, wenn sich ein Mensch – »hyperreflektiv« – auf defizitäre Aspekte seiner körperlichen und psychischen Funktionsfähigkeit zu konzentrieren beginnt. In meiner psychotherapeutischen Praxis habe ich verstehen gelernt, was der Grund dafür ist. Es ist die beschämende Überzeugung, im Hinblick auf die unkritisch hingenommenen Idealnormen eines starren Gewissens nicht gut genug zu sein. Und diese Überzeugung ist es, die zu der quälenden Furcht führt, sich vor den Augen der Welt lächerlich zu machen.

In Viktor Frankl habe ich einen großartigen Menschenfreund kennen- und schätzengelernt. Er besitzt den unerschütterlichen Glauben, daß ein Mensch, ungeachtet aller Schicksalschläge, »trotzdem Ja zum Leben sagen«8 kann. Denn die »Trotzmacht« des Geistes vermag ihm die Kraft und die Fähigkeit zu einer sinnerfüllten Selbstentfaltung vermitteln. Und diese Trotzmacht ist es, die den Menschen über sich selbst hinauswachsen – transzendieren – läßt. So kann auch dann ein Urvertrauen zum Dasein (wieder) entstehen, wenn die Logik der äußeren Umstände nur Hoffnungslosigkeit zulassen wollte.

Vieles von dem, was ich dem Leser vermitteln möchte, hat mich Frankl gelehrt. Ich habe mit ihm über den Sinn der paradoxen Intention längere Zeit korrespondiert. Doch zunächst war mir nicht recht bewußt, welche Bedeutung dabei dem Humor zukommt. Eines Tages gab mir Frankl die Anregung, einen Beitrag für das von William F. Fry und Waleed A. Salameh herausgegebene Handbook of Humor and Psychotherapy zu schreiben. Dies war eine große Ehre für mich, denn die Herausgeber hatten Frankl zunächst um seine eigene Mitarbeit gebeten. Doch ich fühlte mich dafür nicht kompetent genug, hatte ich mich doch noch nie ausdrücklich mit der Bedeutung des Humors für die Psychotherapie befaßt! Frankl entgegnete darauf: »Aber Sie haben sich mit der paradoxen Intention befaßt. Und der Humor ist nichts anderes als eine große Paradoxie!«

So habe ich vor rund zehn Jahren meinen ersten Aufsatz über Therapeutischen Humor geschrieben.9 In William E Fry, der lange Jahre an der Stanford-University wirkte, fand ich einen weiteren Lehrer. Er selbst gehört zu den »Urvätern« der Palo-Alto-Gruppe. Sein Spezialgebiet war schon damals die Bedeutung des Humors im Bereich paradoxer Kommunikationsformen.10 Und in den siebziger Jahren hat William Fry die Humorphysiologie11 begründet. Sie wird auch als Gelotologie, d.h. die Wissenschaft vom Lachen, bezeichnet. Inzwischen gibt es einen ganzen Forschungszweig, der sich mit den positiven Auswirkungen des Lachens auf das menschliche Immunsystem befaßt.12

Vor drei Jahren habe ich William Fry auf einer Vortragsreise durch Mitteleuropa begleitet. Bei dieser Gelegenheit erwähnte er anekdotisch die Figur von Pinocchio, die sich in so vielen psychosomatischen Krankheitsbildern wiederfindet. Dieser Anregung verdanke ich es, daß ich mich seither mit dem Wesen des »Pinocchio-Komplexes« befassen konnte. Mit Frys kreativem Mitarbeiter Waleed A. Salameh verbindet mich mittlerweile freundschaftliche Kollegialität. Ich habe ihn bei seiner Arbeit mit Therapeutischem Humor in San Diego unmittelbar erlebt. Dies war ebenso anregend wie ermutigend für mich. Denn noch gibt es nur ganz wenige Psychotherapeuten, die so intensiv und so erfolgreich mit Therapeutischem Humor arbeiten wie Salameh.

Aber noch vielen anderen bin ich zu großem Dank verpflichtet. An erster Stelle denke ich an Wolfgang Kretschmer, meinen langjährigen Lehrer und väterlichen Freund. Er machte mich auf die heute kaum mehr bekannten Studien seines Vaters Ernst Kretschmer über beschämende Insuffizienz bei paranoiden Krankheitsverläufen aufmerksam.13 Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die Bedeutung der Scham im Bereich der Psychotherapie noch gar nicht erkannt worden war. (Erst in den letzten Jahren haben amerikanische Autoren diesen verkannten Affekt zu beschreiben begonnen.) Wolfgang Kretschmer ist ganz unerwartet vor einigen Monaten verstorben. Wenige Wochen vor seinem Tod hielt er noch einen beeindruckenden Vortrag im »Forschungskreis für Philosophie und Therapie«.

Freundschaftliche Dankbarkeit empfinde ich auch gegenüber Rolf Kühn, dem Leiter dieses...

Blick ins Buch

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