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Die Indianer Nordamerikas

Frühe Begegnungen mit den Ureinwohnern

AutorGeorge Catlin
VerlagEdition Erdmann in der marixverlag GmbH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783843802895
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Wer sich für die Ureinwohner Nordamerikas interessiert, wird an Catlins toleranter und lebendig geschriebener Darstellung nicht vorbei kommen. Seine Portraits und Szenen aus dem Leben der nordamerikanischen Ureinwohner zählen zu den Klassikern der amerikanischen Malerei und fanden zahlreiche Bewunderer unter den Vertretern der europäischen Moderne, wie etwa George Sand oder Charles Baudelaire. Ebenso eindringlich, wie in seinen Bildern, dokumentiert Catlin seine achtjährige Reise zu den Indianerstämmen in dieser frühen ethnographischen Studie, in der es ihm gelingt, die Evolution der indianischen Lebensweise unter dem Einfluss des weißen Mannes in feinfühlig-präzisen Schilderungen zu porträtieren.

George Catlin (1796-1872): in Wilkes-Barre, Pennsylvania geboren. Bereits in seiner Jugend fühlt er sich zum Leben in der Wildnis hingezogen. Im Jahr 1821 beschließt er, seine Karriere als Jurist aufzugeben und Maler zu werden. In der darauffolgenden Zeit verfertigt er Porträts, bis er durch ein Schlüsselerlebnis veranlasst wird, alles hinter sich zu lassen und die Ureinwohner Amerikas zu studieren.Ernst Bartsch wurde 1922 in Hundisburg bei Magdeburg geboren. Er arbeitete als Lektor an der Universität Leipzig und war Autor und Herausgeber zahlreicher Schriften über Geographie, Linguistik und Entdeckungsgeschichte.

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ZWEITES KAPITEL


Mündung des Yellowstone River – Charakter des Missouristromes – Erstes Erscheinen eines Dampfbootes auf dem Yellowstone River und sonderbare Vermutungen der Indianer – Niederlassung der Pelzkompanie am Yellowstone

Ich erreichte das Fort an der Mündung des Yellowstone-Flusses an Bord des Dampfbootes »Yellow Stone« nach einer dreimonatigen Reise von St. Louis, das über 400 deutsche Meilen von hier entfernt ist. Der größte Teil dieser Strecken ist nie zuvor von Dampfbooten befahren worden.

Die amerikanische Pelzkompanie hat hier zum Schutz gegen die Indianer ein sehr starkes Fort errichtet, das 300 Fuß im Quadrat und mit Kanonen besetzte Bastionen hat. Unsere Annäherung an das Fort, unter dem eine halbe Stunde langwährenden Donner der Kanonen und dem gellenden Geschrei der an den Ufern versammelten, halb erschrockenen Indianer, bot einen auffallenden und malerischen Anblick.

Bevor ich zu den Vergnügungen und Gebräuchen dieses schönen Landes übergehe (die bis jetzt dem größten Teil der Welt noch unbekannt sind), will ich über meine beschwerliche Reise von St. Louis bis zu dem Fort an der Mündung des Yellowstone einige Worte sagen.

Der Missouri unterscheidet sich in seinem Aussehen und Charakter vielleicht von allen Flüssen der Welt; man fühlt sich beängstigt, sobald man aus dem Mississippi in sein schlammiges Wasser kommt. Von der Mündung des Yellowstone bis zu seiner Vereinigung mit dem Mississippi durchströmt der Missouri mit seinem brausenden trüben Wasser eine Strecke von mehr als 400 deutschen Meilen und auf dieser ganzen Entfernung ist kaum ein Ruheplatz für ein Boot. Durch das fortwährende Herabstürzen der unterwaschenen Alluvialufer ist das Wasser stets trübe und undurchsichtig und hat zu allen Jahreszeiten das Ansehen von Schokolade oder Kaffee mit Milch und Zucker.

Bis auf mehr als 200 Meilen oberhalb St. Louis ist der Strom an den Ufern (und an manchen Stellen das ganze Bett) mit Zweigen und Baumstämmen von den größten Dimensionen angefüllt, die mit dem unterwaschenen Ufer in den Strom gestürzt sind und mit den Wurzeln am Boden festsitzen, während die Wipfel, stromabwärts gerichtet, auf dem Wasser schwimmen und dem Reisenden Furcht und Schrecken einflößen.

Fast auf jeder Insel und Sandbank liegen große Massen dieser schwimmenden Bäume, und bei hohem Wasserstand ist die Oberfläche des Stromes buchstäblich mit solchem Treibholz bedeckt, wodurch es sowohl den Kiel- als den Dampfbooten unmöglich wird, den Strom hinaufzufahren.

Die Szene ist jedoch nicht überall so düster; die Ufer sind mit schönem grünen Rasen bedeckt und an vielen Orten treten die Wälder von stattlichen Baumwollbäumen bis dicht ans Ufer heran, mit dem sie, wenn es unterwaschen ist, in den Strom stürzen und dem Ozean zugeführt werden.

Der größere Teil der Ufer dieses Stromes ist jedoch ohne Wald, und das Auge verweilt gern auf den schönen Prärien, die sich meistenteils sanft gegen den Fluss hin senken, mit Rasen von dunkelstem Grün bedeckt sind, und in der Ferne allmählich in einen Samtteppich von den reichsten Farben übergehen, die kein Pinsel wiederzugeben vermag. Je mehr man sich der Quelle nähert verschwinden die Baumstämme und Zweige, aber der Strom behält seinen heftigen und trüben Charakter.

Eine Strecke von 1.000 englischen Meilen und darüber erschien mir wie ein Feenland und während dieses Teils meiner Reise war ich fast immer auf dem Verdeck und ergötzte mich daran, die zahllosen Berge, Hügel, Täler und Schluchten zu betrachten, wo die Herden von erschreckten Büffeln, Wapitihirschen, Antilopen, von schleichenden Wölfen und Bergziegen, jede auf ihre eigene Weise und in der größtmöglichsten Eile, sich dem Anblick und dem Geräusch des Dampfbootes zu entziehen suchten, das zum ersten Mal die grünen und wilden Ufer des Missouri mit dem Getöse des mächtigen Dampfes begrüßte.

Von St. Louis bis zu den Wasserfällen des Missouri, eine Strecke von mehr als 550 deutschen Meilen, ist eine zusammenhängende Prärie, die nur an wenigen Stellen längs der Ufer des Stromes und seiner Nebenflüsse durch üppigen Wald unterbrochen wird.

Die größte Erhebung dieser Prärien, die sich östlich und westlich vom Missouri in fast endlose Ferne erstrecken, beträgt 200 bis 300 Fuß über dem Niveau des Stromes, der sich ein Bett oder Tal für seinen Lauf gebildet hat, dessen Breite von zwei bis zwanzig englische Meilen wechselt. Dies Bett oder Tal ist augenscheinlich durch die Gewalt der Strömung gebildet worden, die allmählich diesen ungeheuren Raum ausgewaschen und die Trümmer in den Ozean geführt hat. Durch die beständig wiederholten Überschwemmungen des Stromes sind diese Massen abgelagert worden und haben auf den Wiesen zu beiden Seiten den reichsten Alluvialboden mit horizontaler Oberfläche gebildet, durch die der Fluss sich im Schlangenlauf hindurchwindet und abwechselnd von einem Hügelhorn (»bluff«) zum anderen fließt, die sich in höchst malerischen Formen und in den schönsten Farben zeigen; einige senken sich mit ihren grünen Abhängen in den lieblichsten Gruppen allmählich bis an den Rand des Wassers, während andere, ihres Grüns beraubt, sich als ungeheure Tonmassen von verschiedenen Farben zeigen und die wunderlichsten Ansichten darbieten.

Diese sonderbaren und malerischen Formen sind durch Regen und Frost entstanden, die unausgesetzt diese kahlen Hügel verändern, indem sie ihre Abhänge auswaschen und in den Fluss hinabspülen.

Unter diesen Gruppen sieht man tausend verschiedene malerische Formen; an einigen Stellen glaubt man, während das Boot vorüberfährt, vor und hinter sich meilenweit die endlosen Ruinen einer alten Stadt zu sehen – Wälle, Terrassen, Dome, Türme, Zitadellen und Kastelle – Kuppeln, schöne Säulenhallen, hier und da eine einzelne Säule, zerfallene Piedestale und selbst einzeln stehende Spitzsäulen von Ton – und das alles glänzt in der Ferne, wenn das Sonnenlicht von den Tausenden von Gipskristallen, die in dem Ton eingelagert sind, reflektiert wird. Werden diese Gruppen von Domen und Mauern mit Zinnen am Morgen oder Abend von den Sonnenstrahlen beleuchtet, so gewährt dies einen Anblick, den nur derjenige sich vorstellen kann, der dies schöne und malerische Land besucht hat.

In diesen wilden und ruhigen Schlupfwinkeln leben in Herden das Bergschaf und die schnelle Antilope sicher vor ihren Feinden, denen die Abhänge dieser Bluffs fast unzugänglich sind. Auch der Grizzlybär (Ursus ferox) hat sich diese Plätze zu seinem Aufenthalt gewählt, wo er grämlich in den Schluchten und Abgründen herumschleicht und den lauernden Indianer verscheucht, während die Bergschafe und Antilopen sich auf den Gipfeln der Hügel herumtummeln, sicher vor Störungen durch Menschen und Raubtiere.

Nichts hat wohl die Indianer jemals so sehr in Erstaunen versetzt als das Dampfboot, wenn es rauchend, rudernd und brausend an ihren Dörfern vorüberfuhr. Diese armen und unwissenden Menschen hatten auf dieser ganzen Strecke nie etwas von einem Dampfboot gehört und an einigen Orten schienen sie durchaus nicht zu wissen, was sie tun oder lassen sollten; sie konnten nicht, wie ein Holländer zu Newburgh am Hudsonfluss, es für eine »schwimmende Sägemühle« halten; sie hatten keinen Namen dafür und daher war es, wie alles, was ihnen geheimnisvoll und unerklärlich ist, Medizin (Geheimnis). Wir hatten eine zwölfpfündige Kanone und drei oder vier achtpfündige Drehbassen an Bord, die für das Fort der amerikanischen Pelzkompanie an der Mündung des Yellowstone-Flusses bestimmt waren, und sowie wir uns einem Dorf näherten, wurden diese sämtlichen Geschütze mehrmals schnell hintereinander abgefeuert, was die armen Bewohner in die äußerste Verwirrung und Bestürzung versetzte. Einige warfen sich mit dem Gesicht auf die Erde und riefen den Großen Geist an – andere schossen ihre Pferde und Hunde tot und opferten sie, um den Großen Geist zu versöhnen, den sie beleidigt glaubten – noch andere verließen ihre Dörfer und rannten auf die Gipfel der einige Meilen entfernten Hügel, oder sie kamen, wenn das Boot ihrem Dorf gegenüber landete, vorsichtig ans Ufer, um zu sehen, was aus ihren Häuptlingen werden würde, die durch ihre Stellung verpflichtet waren, zu uns an Bord zu kommen, wir mochten Freund oder Feind sein. Zuweilen, wenn der Kapitän zu seinem Vergnügen die Dampfpfeife ertönen ließ, stürzten alle, Männer, Frauen, Kinder, Hunde, Häuptlinge, alt und jung in einer bunten Masse übereinander hin.

Der Großteil ihrer Männer stellte mancherlei wunderliche Vermutungen über die Beschaffenheit und die Kräfte des Dampfbootes auf. Unter den Mandanen nannten einige es das »große Donnerboot«, denn als wir in einiger Entfernung von...

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