„Haptische Erfahrung überzeugt, emotionalisiert und führt zum Besitzwunsch. Und das ist das Ziel multisensorischen Marketings und Verkaufs“ (Nölke & Gierke 2011, S. 185). Unter Haptik wird dabei die Informationsaufnahme über den Tastsinn verstanden. Dieser unterteilt sich in den Haut- und Bewegungssinn. Bei dem Hautsinn erfolgt eine passive Berührung von Objekten, wohingegen der Bewegungssinn aktive und freiwillige Berührungen mit der Hand darstellt (Nickel 2009, S. 798). Die haptische Wahrnehmung erfolgt erst durch aktives Berühren eines Gegenstandes, also durch „Überstreichen, Drücken, Umfassen oder Konturen nachfahren“ (Nölke und Gierke 2011, S. 158). In Printmedien, die auf die Wirkung von Haptik setzen, muss die entsprechende Werbung den Konsumenten kommunizieren, wie sie das Objekt richtig berühren, denn verschiedene Arten der Berührung haben unterschiedliche Auswirkungen. Beispielsweise wird Rauheit erst durch Überstreichen einer Oberfläche empfunden (Krishna 2010, S. 38).
Das größte Organ des Menschen ist die Haut. Insbesondere an den Händen befindet sich eine Vielzahl an Rezeptoren, durch die ein großer Teil des Gehirns aktiviert wird. Bereits der kleine Finger nimmt einen größeren Teil im Gehirn ein als der gesamte Rücken. Wenn der Mensch eine angenehme Berührung empfindet, wird das Hormon Oxytocin freigesetzt. Durch dieses wird dem Menschen suggeriert, dass er sich wohl fühlt und er entwickelt eine positive Erinnerung an diese Berührung (Hultén et al. 2009, S. 138). Darüber hinaus ist der Tastsinn ein Nahsinn. Das bedeutet, dass die Produkte oder Kommunikationsmedien dem Konsumenten in physikalischer Form zugänglich sein müssen (Krishna 2010, S. 18; Hultén et al. 2009, S. 11). Das besondere an dem haptischen Gedächtnis ist, dass Gegenstände oder Produkte auch mit verbundenen Augen wiedererkannt werden können, wenn in der Vergangenheit bereits eine Berührung mit dem entsprechenden Produkt stattgefunden hat (Klatzky, Lederman & Metzger 1985, S. 301; Klatzky et al. 1993, S.170; Klatzky & Lederman 1995, S. 1122)
Dem Tastsinn kommt bei der Beurteilung von Produkten eine wichtige Rolle zu, denn der Mensch behält bis zu 90% von dem, was er bereits einmal gefühlt hat (Schmitz 2004, S. 69). Dies ist darin begründet, dass durch die Berührung eine bildliche Information aufgenommen wird, sodass beide Gehirnhälften aktiviert werden. Demzufolge ergibt sich eine höhere Leistungs- und Aufnahmefähigkeit, als wenn nur eine Gehirnhälfte aktiviert ist (Schmitz 2004, S. 69; Lindstrom 2005, S. 11). Durch Haptik kann auch die unbewusste Wahrnehmung der Marke gesteigert werden (Streicher 2012, S. 920). Einen weiteren positiven Einfluss von haptischen Elementen beschreibt Streicher (2012, S. 920) hinsichtlich der Produkteinführung auf dem Markt. Wenn Produkte mit bereits etablierten haptischen Elementen gestaltet sind, haben diese eine größere Chance auf dem Markt zu bestehen, da diese sich durch die Elemente automatisch vertraut anfühlen und das damit verbundene Markenwissen auf das Produkt übertragen wird.
Durch die Vielzahl an Produktinformationen, mit denen Konsumenten konfrontiert werden, sinkt die Glaubwürdigkeit der Produktversprechen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, eignet sich der Einsatz von haptischen Elementen, denn das eigene Berühren verursacht eigene Erkenntnisse, welche das Individuum nicht anzweifelt. Das bedeutet, dass die gefühlten Informationen immer subjektiv als wahr aufgenommen werden (Schmitz 2004, S. 77; Nölke & Gierke 2011, S. 162). Der Tastsinn ist ein Bestätigungssinn für Konsumenten und hat einen Einfluss von 25% auf das Kaufverhalten (vgl. Abbildung 1 unter 2.3) (Steiner 2011, S. 50). Dieser ist jedoch gleichzeitig derjenige Sinn, der im Marketing am meisten unterschätzt wird (Peck & Childers 2007 zit. nach Streicher 2012, S. 920).
Des Weiteren sind haptische Elemente oft mit dem visuellen Sinn verknüpft. Wenn beide Sinne die gleiche Botschaft vermitteln, führt dies zu einer leichteren Wiedererkennung des Produkts oder der Werbung (Nölke & Gierke 2011, S. 172). Überdies haben Nölke und Gierke (2011, S. 172) in einem Lernexperiment gezeigt, dass Informationen, die über Berührung aufgenommen werden, schneller abgerufen werden können als visuell aufgenommene Informationen. Oftmals sind diese haptischen Erfahrungen mit Emotionen verbunden. Ein Gefühl von Kälte wird beispielswiese mit Erfrischung oder ein Gefühl von Weichheit mit Geborgenheit assoziiert (Nölke & Gierke 2011, S. 172-174). Zudem ist gemäß Kilian (2012c, S. 29) festzuhalten, dass eine haptische Erfahrung stärker im Gedächtnis verankert ist, wenn sich die Konsumenten länger mit dem Objekt beschäftigen oder ein größerer Kraftaufwand nötig ist. Dabei ist jedoch das richtige Maß an Länge und Aufwand zu analysieren, sodass der Konsument durch zu starke Anstrengung nicht abgeschreckt wird.
Der Einsatz von Haptik in der Produkt-, Verpackungs- und Kommunikationsgestaltung kann zur Differenzierung von Wettbewerbern dienen (Kilian & Brexendorf 2005, S. 14; Meyer 2001, S. 169). Ebenso wie die anderen Sinne kann der Tastsinn zur Positionierung und zum Aufbau einer Markenidentität eingesetzt werden (Esch 2010, S. 320). Die Produkt-eigenschaften und Kommunikationsbotschaften werden durch die Integration bestimmter Elemente, die sich durch ihre einzigartige Konsistenz, Textur, Temperatur, Form und Gewicht von anderen Marken abgrenzen, hervorgehoben. Durch diese Eigenschaften können den Konsumenten ganz bestimmte Eindrücke vermittelt werden, die dieser anschließend mit der Marke verbindet (Hultén et al. 2009, S. 139; Meyer 2011, S. 169). Außerdem fühlen sich Konsumenten durch die Berührung oft emotional mit dem Produkt verbunden, wodurch die Zahlungsbereitschaft steigt (Jansson-Boyd 2011, S. 534; Peck & Shu 2009, S. 445). Dass sich Berührung auf das Kaufverhalten auswirkt, hat auch Streicher (2012, S. 920) in einem Experiment gezeigt. In diesem haben Probanden Coca-Cola gegenüber anderen Getränken bevorzugt, wenn sie zuvor mit der Glasflasche in Berührung gekommen sind. Ein negativer Einfluss in der Beurteilung des Produkts kann entstehen, wenn Konsumenten erwarten, das Produkt anfassen zu können, dieses ihnen jedoch verwehrt wird (Jansson-Boyd 2011, S. 534). Weiterhin kann die Berührung mit einem Produkt häufig zu impulsiven Käufen führen (Peck & Childers 2006, S. 768). Dies kann darin begründet sein, dass Konsumenten einen gewissen Besitzwunsch oder Eigentumseffekt entwickeln, wenn sie das Produkt anfassen können, wodurch wiederum eine bessere Bewertung des Produkts hervorgerufen wird (Peck & Shu 2009, S. 438). Die Berührung eines Objektes kann des Weiteren zur Überwindung von Unsicherheiten beitragen. Durch eine Berührung mit einem weichen Objekt kann beispielsweise die Unsicherheit bei mehrdeutigen Aufgaben reduziert werden, da es oft mit Komfort und Sicherheit assoziiert wird (Van Horen & Mussweiler 2014, S. 78). Dieser Aspekt kann gezielt in der Produkt-, Verpackungs- und Kommunikationsgestaltung eingesetzt werden, um den Konsumenten ein sicheres Gefühl in ihrer Kaufentscheidung oder Beurteilung zu vermitteln.
Im Folgenden wird dargestellt, welche Berührungsbedürfnisse bei Menschen existieren, denn Menschen haben ein unterschiedliches Bedürfnis Objekte anzufassen. Dabei werden zwei Arten des sogenannten „Need for Touch“ (Berührungsbedürfnis) unterschieden. Zum einen gibt es das instrumentale Bedürfnis und zum anderen das autotelische Bedürfnis einer Berührung. Personen, die ein instrumentales Berührungsbedürfnis haben, fassen Produkte an, um auf diese Weise mehr Informationen über das Produkt zu bekommen. Oftmals tun sie dies, um anhand der gewonnen Informationen eine Kaufentscheidung treffen zu können. Sie verfolgen mit diesem Verhalten ein bestimmtes Ziel. Dem gegenüber steht das autotelische Berührungsbedürfnis. Dieses Bedürfnis zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen Produkte anfassen, weil es ihnen Freude bereitet. Ihr Ziel liegt in diesem Fall in der Berührung selbst (Krishna & Morrin 2008, S. 808).
Peck und Childers (2003a, S. 37-40) haben in einer Studie untersucht, ob Menschen mit hohem Berührungsbedürfnis sicherer in ihrer Produktbeurteilung sind, wenn sie das Produkt anfassen können. Dazu mussten die Probanden einen Pullover und ein Mobiltelefon beurteilen. Nur einem Teil der Versuchsgruppe war es erlaubt, die Produkte anzufassen, während die Probanden der zweiten Gruppe das Produkt lediglich hinter einer Scheibe aus Plexiglas ansehen konnten. Bei Personen mit einem hohen Berührungsbedürfnis und der Möglichkeit, den Artikel zu berühren, zeigte sich eine größere Überzeugung in der Beurteilung des Produkts. Wenn die Probanden die Artikel jedoch nur hinter der Scheibe sehen konnten, waren sie nicht mehr so selbstsicher in ihrer Beurteilung. Bei Personen mit geringem Bedürfnis nach Berührungen ergab sich kein Unterschied hinsichtlich der Sicherheit bei der Beurteilung der beiden Produkte. Des Weiteren wurde in der Studie festgestellt, dass Personen mit hohem Berührungsbedürfnis frustriert waren, wenn sie die Produkte nicht anfassen konnten. Wiederum ergab sich kein Unterschied in der Beurteilung bei Personen, die ein weniger starkes Verlangen nach Berührung...