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Die Kelten

Geheimnisse einer versunkenen Kultur - Ein SPIEGEL-Buch

VerlagDeutsche Verlags-Anstalt
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783641222932
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Krieger, Künstler und Druiden - die Welt der Kelten
Sie lebten im Mitteleuropa der Eisenzeit. Sie hinterließen prächtige Schätze und beeindruckendes Kunsthandwerk. Die Römer fürchteten ihre Krieger. Doch bis heute rätseln Forscher: Wer waren die Kelten? Wie lebten und an was glaubten sie? SPIEGEL-Autoren und Experten nähern sich in diesem Buch der rätselhaften Kultur der Kelten, oft ausgehend von konkreten Orten und Fundstellen. Sie tragen die Erkenntnisse und Vermutungen von Archäologen, Keltologen und Sprachwissenschaftlern zusammen und versuchen so, ein Bild des Lebens vor 2500 Jahren zu zeichnen. Und sie zeigen auf, welche Rätsel diese geheimnisvolle Kultur, die große Teile Europas vom 6. Jahrhundert vor Christus bis zu Caesars Sieg über die Gallier prägte, noch immer umgeben.

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Leseprobe

Wenn bloß der Himmel nicht einstürzt


387 v. Chr. rücken keltische Krieger auf Rom vor. Die Angst vor den Barbaren schlägt sich in der antiken Geschichtsschreibung nieder – und prägt für lange Zeit das Keltenbild.

Von Cord Aschenbrenner

Der Lärm ist schwer zu ertragen. Das heisere Kriegsgeschrei der Kelten kurz vor dem Angriff soll den in langen Schlachtreihen aufgestellten Römern Angst einjagen und den eigenen Kampfgeist anstacheln. Aus der Poebene sind die struppigen, hünenhaften Krieger in Richtung Süden gezogen; so gewaltig war ihr Krach, dass die Bewohner der bukolischen Landschaft Mittelitaliens, die Etrusker, sie schon aus großer Entfernung hören konnten.

Für die Bauern ist das anhaltende Lärmen der riesigen, grobschlächtigen Kelten, sind die quäkenden Töne ihrer langen Kriegstrompeten so etwas wie ein bedrohliches Erkennungszeichen. Auch ihre Gesänge auf dem Weg nach Süden sind beunruhigend: Als »misstönend« beschreibt sie später der um die Zeitenwende lebende römische Historiker Titus Livius in seiner römischen Stadt- und Staatsgeschichte »Ab urbe condita«. Jetzt stehen sie am Flüsschen Allia, einige Kilometer nördlich von Rom, den römischen Truppen gegenüber.

Es ist wohl der 18. Juli 387 v. Chr., als sich die römischen Regimenter in Phalanx-Ordnung den Kelten entgegenstellen. An der Allia sollen die Barbaren unter ihrem Anführer Brennus aufgehalten, vernichtet oder zur Umkehr gezwungen werden, nachdem sie vorher schon die weiter nördlich gelegene Stadt Clusium belagert haben.

Die Kelten aber, Livius nennt sie Gallier – in Anlehnung an Julius Caesar –, überrennen die Römer einfach. Brüllend stürmen die großen Männer auf die Legion zu, manche von ihnen nackt, geschmückt mit Armreifen und Halsbändern. Andere haben ihre Gesichter mit Kalk beschmiert, die blondierten Haare nach oben gebürstet. Viele tragen mannshohe Schilde, die meisten schwingen Langschwerter mit zwei Schneiden. Die Römer, keine Berufssoldaten, sind dieser Attacke nicht gewachsen. Kurz halten sie stand, dann fliehen sie in Panik vom Schlachtfeld oder werden dort getötet.

Es ist die erste ernsthafte Begegnung der Römer mit den Kelten. Zwar hatten bereits seit etwa 500 v. Chr. keltische Stämme die Alpen überquert und sich in der Poebene niedergelassen, doch in der Wahrnehmung der Römer spielten sie lange keine Rolle. Erst, als sich Brennus mit seinen Truppen in Richtung Süden aufmacht, geraten die barbarischen Krieger in den Blick.

Auf die römischen Truppen müssen die Kelten schon allein wegen ihrer äußeren Erscheinung ähnlich Furcht einflößend gewirkt haben wie die nordamerikanischen Indianer auf die ersten Siedler aus Frankreich und England. Der Schrecken ob des überraschenden Angriffs, ob der überlegenen Kampfeskraft derer, die man doch für kulturlose Barbaren hielt, schlägt sich in der römischen Geschichtsschreibung nieder und bestimmt so das Bild der Kelten lange Zeit mit.

Zwischen Rom und den Kelten liegt nach der Schlacht an der Allia kein Hindernis mehr. Wenige Tage später nimmt Brennus’ Heerhaufen die Stadt am Tiber bis auf das Kapitol ein – die römischen Verteidiger haben sich ohne weitere Gegenwehr in die Burg auf dem Kapitolhügel zurückgezogen. Die Bewohner Roms fliehen oder hoffen auf die Gnade der Eroberer.

Folgt man Livius, so retten nur die auf dem Hügel zu Ehren der Göttin Juno gehaltenen heiligen Gänse die Stadt vor der völligen Niederlage. Durch ihr Geschnatter warnen sie die Verteidiger des Kapitols vor den eines Nachts heranschleichenden Kelten. Der Überraschungsangriff misslingt.

Livius schreibt seine Stadtgeschichte um 25 v. Chr. nieder, also mehr als 350 Jahre nach der Eroberung Roms. Für die wirklichen Geschehnisse bei der fast geglückten Einnahme der Stadt geben seine Schilderungen nach Ansicht von Historikern allerdings nicht allzu viel her – zu viele offensichtliche Legenden und Anekdoten durchziehen den Bericht.

Sehr knapp und nüchtern hingegen beschreibt der griechische Historiker Polybios (ca. 200 bis 120 v. Chr.) die Einnahme der Stadt durch die Kelten: »Nach einiger Zeit besiegten sie die Römer und ihre Bundesgenossen in einer Schlacht, verfolgten die Fliehenden und eroberten drei Tage später Rom selbst mit Ausnahme des Kapitols. Ein Einfall der Veneter in ihr Land jedoch lenkte sie von Rom ab. Sie schlossen daher einen Vertrag mit den Römern, gaben ihnen ihre Stadt zurück und kehrten heim.«

Polybios erwähnt nicht das hohe Lösegeld, das die Römer für den Abzug der Gallier zahlen müssen, wie Livius berichtet. Schwerer als die tausend Pfund Gold wiegt aber die traumatische Erfahrung, das Zentrum der eigenen Herrschaft fast verloren zu haben und die eigenen Ambitionen als aufstrebende Macht erst einmal überdenken zu müssen.

Das Ganze ist so einschneidend für den Stadtstaat Rom, dass das Datum der Schlacht an der Allia als »dies ater«, als schwarzer Tag, Eingang in den römischen Kalender findet; noch lange Zeit hält sich auch der Ausdruck »Metus Gallicus« – Furcht vor den Galliern.

Bis zum 2. Jahrhundert v. Chr. hat diese Furcht einen realen Hintergrund. Immer wieder gibt es Krieg mit den Barbaren aus dem Norden, oder sie kämpfen an der Seite der Feinde Roms.

Darüber hinaus instrumentalisieren römische Politiker aber auch immer wieder das Schreckensbild von den gefährlichen Galliern. Der Feldherr Marius etwa aktiviert noch um das Jahr 100 v. Chr. herum die Angst vor den Kriegern aus dem Norden. Bei der Bekämpfung der Kimbern und Teutonen – keine Gallier – macht er sich den Metus Gallicus geschickt zunutze, um das Amt des Konsuls fünfmal hintereinander zu bekleiden.

Im Prinzip konnten die Römer auch schon lange vor der überraschenden Einnahme Roms durch Brennus’ Krieger von den Kelten wissen. Vor allem in griechischen Berichten tauchen sie immer wieder auf. Einer der ersten Belege für ein Volk namens »Kelten«, griechisch »Keltoi«, findet sich in den »Historien« des bedeutenden griechischen Gelehrten Herodot aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. Herodot, der als erster Historiker gilt und aus Ionien, der von Griechen besiedelten Westküste der Türkei stammte, soll weite Reisen durch die damals bekannte Welt unternommen haben.

In den »Historien« schreibt er, vermutlich fußend auf den Berichten griechischer Seefahrer und Händler, dass die Kelten dort leben, wo der »Istros«, die Donau, entspringt und wo die »Stadt Pyrene« liegt. Möglicherweise ist diese identisch mit der Heuneburg, einer bedeutenden und reichen frühkeltischen Siedlung östlich der Donauquellen.

Auch der Geograf Hekataios von Milet, ebenfalls ein Grieche, soll in seiner nur fragmentarisch erhaltenen, von späteren Autoren zitierten Erdbeschreibung die Heimat der Kelten benannt haben; die griechische Kolonie Massalia, heute Marseille, läge »unterhalb des Keltenlandes«.

Und schon eine der vermutlich ältesten schriftlichen Quellen über den Westen und Norden Europas, ein griechischer Periplus, so etwas wie ein Seefahrtshandbuch für unbekannte ferne Gestade, könnte um 600 v. Chr. die Kelten erwähnt haben; jedenfalls vermutet man, dass sich der spätantike Autor Avienus darauf stützt, als er in seiner Weltbeschreibung schreibt: »Sie leben in einem Land, das sie den Ligurern genommen haben.« Die Ligurer lebten im westlichen Oberitalien, aber auch an der französischen Mittelmeerküste.

Der Schriftsteller Xenophon liefert den ersten Beleg für die Anwesenheit von Kelten in Griechenland: Er erwähnt keltische Kämpfer aufseiten der Spartaner im Krieg gegen Theben um 370 v. Chr. Der Historiker Ephoros von Kyme widmet den Fremden um die Mitte des 4. Jahrhunderts eine eigene Schilderung. Ihm erscheinen die Kelten als ein bedeutendes Volk.

Auch bei den beiden großen griechischen Philosophen Platon und Aristoteles kommen die Kelten vor – nicht gerade positiv allerdings. Platon missbilligt ihre Trunksucht; sein Schüler Aristoteles ist nicht weniger kritisch, er nennt sie unbeherrscht und unfähig zu staatlicher Ordnung.

Beide Philosophen wissen von den keltischen Raubzügen auf dem Balkan und in Griechenland. Sie kennen auch die Gewohnheit keltischer Krieger, sich als Söldner bei Kriegen zwischen den Völkern im Mittelmeerraum zu verdingen. Und zwar auf beiden Seiten, so bei den Kriegen zwischen Karthago und Syrakus. Der bedeutende preußische Historiker Theodor Mommsen hat sie in seiner »Römischen Geschichte« zutreffend als »Landsknechte des Altertums« bezeichnet.

Während der Punischen Kriege ab 264 v. Chr. rekrutieren die Karthager keltische Söldner aus Oberitalien, von wo ja auch Brennus mit seinen Kriegern gekommen war, und setzen sie psychologisch geschickt gegen das Römische Reich ein. Auch die Karthager kennen die Angst Roms vor den Kelten.

Ein Epigramm aus der Gedichtsammlung Anthologia Graeca geißelt den »frevelhaften Übermut« der Kelten, »der kein Gesetz anerkennt«. Nicht einmal vor Alexander dem Großen haben die Kelten übermäßigen Respekt, wie der Geograf Strabon berichtet. Er bezieht sich auf einen von Alexanders Feldherren, der dabei war, als der Herrscher des riesigen Reiches während seines Balkanfeldzugs im Jahr 335 v. Chr. die an der Adria lebenden Kelten empfing.

Es gab Wein, so schilderte es der Soldat, man plauderte, und irgendwann stellte Alexander...

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