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Die Kirche: Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Vision

Eine Studie der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK)

AutorÖkumenischer Rat der Kirchen (ÖKR)
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl127 Seiten
ISBN9783641154721
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Das neue Konvergenzpapier des Ökumenischen Rates der Kirchen - eine Einladung zur Debatte
Die Einheit aller Christen als ein Leib - das ist die biblische Vision von der Gemeinschaft aller Glaubenden. Tatsächlich aber ist das Christentum in zahlreiche »Christentümer«, in Konfessionen, Freikirchen und religiöse Gemeinschaften gespalten. Kann es die eine Kirche geben? Und wenn ja, wie?
Dieses nach mehr als 20 Jahren der Diskussion und Beratung verabschiedete Konvergenzpapier des Ökumenischen Rates der Kirchen lädt dazu ein, in den Gemeinden und Kirchen vor Ort über diese Fragen zu sprechen. Ein Meilenstein des Ökumenischen Gesprächs auf dem Weg zu einer sichtbar geeinten Kirche.

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Leseprobe

KAPITEL II

Die Kirche des dreieinigen Gottes

A. Gottes Willen für die Kirche erkennen

11. Alle Christen teilen die Überzeugung, dass die Heilige Schrift normativen Charakter hat, und daher stellt das biblische Zeugnis eine unersetzliche Quelle dar, wenn man eine größere Übereinstimmung zum Thema Kirche erzielen will. Das Neue Testament bietet zwar keine systematische Ekklesiologie, enthält jedoch Berichte über den Glauben der frühen Gemeinden, über ihren Gottesdienst und ihre Praxis der Nachfolge, über verschiedene Aufgaben des Dienstes und der Leitung, sowie Bilder und Metaphern, mit denen die Identität der Kirche ausgedrückt wird. Spätere Auslegung in der Kirche, die immer bemüht war,den biblischen Lehren treu zu bleiben, brachte im Laufe der Geschichte zusätzlichen Reichtum an ekklesiologischen Einsichten hervor. Derselbe Heilige Geist, der die frühesten Gemeinden bei der Abfassung der inspirierten Bibeltexte leitete, leitet auch weiterhin die späteren Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu von Generation zu Generation in ihrem Bemühen, dem Evangelium treu zu bleiben. Das ist es, was man unter der »lebendigen Tradition« der Kirche versteht.11 Die große Bedeutung der Tradition wird von den meisten Gemeinschaften anerkannt, doch sie unterscheiden sich in der Beurteilung dessen, wie deren Autorität sich zu derjenigen der Heiligen Schrift verhält.

12. In den verschiedenen Büchern des Neuen Testamentes und in der nachfolgenden Überlieferung lässt sich eine große Vielfalt an ekklesiologischen Einsichten finden. Indem der neutestamentliche Kanon diese Pluralität in sich aufnimmt, legt er Zeugnis dafür ab, dass sich diese mit der Einheit der Kirche vereinbaren lässt, leugnet jedoch nicht, dass legitime Vielfalt ihre Grenzen hat.12 Legitime Vielfalt ist kein Zufall im Leben der christlichen Gemeinde, sondern vielmehr ein Aspekt ihrer Katholizität, einer Eigenschaft, in der sich die Tatsache widerspiegelt, dass es zum Plan des Vaters gehört, dass die Erlösung in Christus inkarnatorischen Charakter hat und damit unter den verschiedenen Völkern, denen das Evangelium verkündet wird, »Fleisch wird«. Um sich dem Geheimnis der Kirche auf angemessene Weise zu nähern, ist die Verwendung und Wechselwirkung eines breiten Spektrums an Bildern und Einsichten erforderlich (Volk Gottes, Leib Christi, Tempel des Heiligen Geistes, Weinstock, Herde, Braut, Haushalt, Soldaten, Freunde usw.). Der vorliegende Text versucht, sich auf den Reichtum des biblischen Zeugnisses und gleichzeitig auf Einsichten aus der Tradition zu stützen.

B. Die Kirche des dreieinigen Gottes als Koinonia

Die Initiative Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes

13. Die Kirche ist von Gott ins Leben gerufen, der »die Welt [also geliebt hat], dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben« (Joh 3,16), und der den Heiligen Geist sandte, um diese Gläubigen zur ganzen Wahrheit zu führen und sie an alles zu erinnern, was Jesus lehrte (vgl. Joh 14,26). In der Kirche sind die Gläubigen durch den Heiligen Geist mit Jesus Christus vereint und teilen so eine lebendige Beziehung zum Vater, der zu ihnen spricht und sie zu einer vertrauensvollen Antwort auffordert. Der biblische Begriff Koinonia hat bei der ökumenischen Suche nach einem gemeinsamen Verständnis des Lebens und der Einheit der Kirche eine zentrale Bedeutung gewonnen. Diese Suche geht von der Voraussetzung aus, dass Gemeinschaft nicht einfach der Zusammenschluss bestehender Kirchen in ihrer derzeitigen Form ist. Das Substantiv Koinonia (Communio, Teilhabe, Gemeinschaft, Miteinander-Teilen), das sich von einem Verb mit der Bedeutung »etwas gemeinsam haben«, »miteinander teilen«, »teilnehmen«, »teilhaben an« oder »gemeinsam handeln« ableitet, erscheint an Stellen, die von dem Teilen des Abendmahls Jesu (vgl. 1 Kor 10,16-17), der Versöhnung von Paulus mit Petrus, Jakobus und Johannes (vgl. Gal 2,7-10), der Kollekte für die Armen (vgl. Röm 15,26; 2 Kor 8,3-4) und der Erfahrung und dem Zeugnis der Kirche (vgl. Apg 2,42-45) erzählen. Als eine von Gott gegründete Gemeinschaft gehört die Kirche Gott und existiert nicht für sich selbst. Sie ist ihrem ganzen Wesen nach missionarisch, dazu berufen und gesandt, mit ihrem eigenen Leben Zeugnis abzulegen für jene Gemeinschaft, die Gott für die ganze Menschheit und für die gesamte Schöpfung in seinem Reich vorgesehen hat.

14. Zentrum und Grundlage der Kirche ist das Evangelium, die Verkündigung des fleischgewordenen Wortes Jesus Christus, Sohn des Vaters. Dies spiegelt sich wider in der neutestamentlichen Bekräftigung: »Denn ihr seid wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da bleibt.« (1 Petr 1,23). Durch das Predigen des Evangeliums (vgl. Röm 10,14-18) und durch die Kraft des Heiligen Geistes (vgl. 1 Kor 12,3) kommen Menschen zum rettenden Glauben und werden mittels der Sakramente in den Leib Christi eingegliedert (vgl. Eph 1,23). In Übereinstimmung mit dieser Lehre nennen einige Gemeinschaften die Kirche creatura evangelii oder »Geschöpf des Evangeliums«.13 Das Leben der Kirche definiert sich also unter anderem dadurch, dass sie eine Gemeinschaft ist, die das Wort Gottes hört und verkündet. Aus dem Evangelium schöpft die Kirche ihr Leben und entdeckt immer wieder neu die Richtung für ihre Reise.

15. Die Antwort Marias, der Mutter Gottes (Theotokos), auf die Botschaft des Engels bei der Verkündigung, »mir geschehe, wie du gesagt hast« (Lk 1,38), wird als ein Symbol und Vorbild für die Kirche und jeden einzelnen Christen verstanden. Im Studiendokument von Glauben und Kirchenverfassung »Kirche und Welt« (1990) wurde angemerkt, dass Maria »ein wichtiges Vorbild für alle« ist, »die verstehen wollen, was Leben in seiner ganzen Fülle in einer christlichen Gemeinschaft bedeutet«. Denn sie empfängt das Wort Gottes und antwortet darauf (Lk 1,26-38), sie teilt die Freude über die frohe Botschaft mit Elisabeth (Lk 1,46-55), sie sinnt über die Ereignisse der Geburt und Kindheit Jesu nach, leidet daran und versucht, sie zu verstehen, (Mt 2,13-23; Lk 2,19, 41-51), sie bemüht sich, die volle Bedeutung der Jüngerschaft zu begreifen (Mk 3,31-35; Lk 18,19-20), sie steht unter dem Kreuz bei Jesus und begleitet seinen Leichnam zum Grab (Mt 27,55-61; Joh 19,25-27) und schließlich wartet sie mit den Jüngern und empfängt mit ihnen an Pfingsten den Heiligen Geist (Apg 1,12-14; 2,1-4).14

16. Christus betete zum Vater, er möge den Geist auf seine Jünger herabsenden, um sie in alle Wahrheit zu leiten (Joh 15,26; 16,13). Es ist der Geist, der nicht nur den einzelnen Gläubigen Glauben und andere Charismen schenkt, sondern auch die Kirche mit ihren wesentlichen Gaben, ihren Eigenschaften und ihrer Ordnung ausrüstet. Der Heilige Geist nährt und belebt den Leib Christi durch die lebendige Stimme des gepredigten Evangeliums, durch sakramentale Gemeinschaft, insbesondere in der Eucharistie, und durch Ämter, die dem Dienst gewidmet sind.

Das prophetische, priesterliche und königliche Volk Gottes

17. Mit der Berufung Abrahams wählte Gott sich selbst ein heiliges Volk. Die Propheten erinnerten häufig mit der folgenden kraftvollen Formulierung an diese Wahl und Berufung: »... ich will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein« (Hes 37,27; Jer 31,33; wiederaufgegriffen in 2 Kor 6,16; Hebr 8,10). Der Bund mit Israel markierte einen entscheidenden Augenblick in der fortschreitenden Verwirklichung des Heilsplans. Die Christen glauben, dass Gott im Wirken, im Tod und in der Auferstehung Jesu und in der Aussendung des Heiligen Geistes den neuen Bund aufrichtete, um alle Menschen mit sich und miteinander zu vereinen. Es ist etwas wirklich Neues in diesem von Christus gestifteten Bund, und doch bleibt die Kirche in Gottes Heilsplan tief verbunden mit dem Volk des ersten Bundes, dem Gott immer treu bleiben wird (vgl. Röm 11,11-36).

18. Im Alten Testament befindet sich das Volk Israel auf der Reise hin zur Erfüllung der Verheißung, dass in Abraham alle Völker der Erde gesegnet sein werden. All diejenigen, die sich Christus zuwenden, finden diese Verheißung in ihm erfüllt, als er am Kreuz die Trennwand zwischen Juden und Nicht-Juden niederriss (vgl. Eph 2,14). Die Kirche ist »das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums« (1 Petr 2,9-10). Obgleich sie das einzigartige Priestertum Jesu Christi anerkennen, dessen eines Opfer den neuen Bund errichtet (vgl. Hebr 9,15), sind die Gläubigen dazu berufen, durch ihr Leben zum Ausdruck zu bringen, dass sie »königliche Priesterschaft« genannt werden, indem sie sich selbst hingeben »als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist« (Röm 12,1). Jeder Christ und jede Christin erhält vom Heiligen Geist Gaben für den Aufbau der Kirche und für seinen oder ihren Anteil an der Sendung Christi. Diese Gaben sind zum Nutzen aller gegeben (vgl. 1 Kor 12,7; Eph 4,11-13) und verpflichten jeden Einzelnen, jede Ortsgemeinde und die Kirche als Ganze auf jeder Ebene ihres Lebens zu Verantwortung und gegenseitiger Rechenschaft. Gestärkt durch den Geist sind die Christen dazu berufen, ihre Nachfolge in verschiedenen Arten des Dienstes zu leben.

19. Das gesamte Volk Gottes ist dazu berufen, ein prophetisches Volk zu sein, das Gottes Wort bezeugt, ein priesterliches Volk, das das Opfer eines Lebens in der Nachfolge Christi bringt, und ein königliches Volk, das als Werkzeug zur Errichtung der Herrschaft Gottes...

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