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E-Book

Die Kirche und das liebe Geld

Fakten und Hintergründe

AutorGerhard Hartmann, Jürgen Holtkamp
VerlagTopos
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl309 Seiten
ISBN9783836750004
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Finanzskandale der jüngeren Zeit waren nicht nur Anlass für zahlreiche Kirchenaustritte, sondern ließen auch wilde Spekulationen über die reiche Kirche ins Kraut schießen. Der aufgeregten Debatte in den Medien setzt dieses Buch nüchterne Aufklärung entgegen. Wie kam es eigentlich zu unserem System der Kirchensteuer? Warum werden Bischöfe vom Staat bezahlt? Wie setzt die Kirche ihre finanziellen Mittel tatsächlich ein und wer bestimmt darüber? Die beiden Autoren liefern solide Informationen über historische und rechtliche Hintergründe. Ein Muss für alle, die in der aktuellen Debatte fundierte Sachinformation suchen.

Gerhard Hartmann, geb. 1945, Dr. theol., langjähriger Verlagsmitarbeiter in leitender Position; Privatdozent für Neuere Kirchengeschichte an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Graz; zahlreiche Veröffentlichungen zu Kirchengeschichte, Religion und Spiritualität. Jürgen Holtkamp, geb. 1963, Dr. phil., Studium der Religionspädagogik und Erziehungswissenschaften; langjähriger Leiter der Fachstelle Kommunikation des Bistums Münster; zurzeit Abteilungsleiter bei der Caritas des Bistums Essen.

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Leseprobe

Die „Kirche und das liebe Geld“: im Trommelfeuer der Kritik


Im Sinne einer sachlichen Auseinandersetzung nehmen wir Kritik ernst und wollen darauf angemessen sowie faktenorientiert antworten. In den folgenden Kapiteln werden wir immer wieder auf diese eingehen. Nachstehend werden die wichtigsten Kritikpunkte, die sich übrigens in fast gleichem Maße auf beide Großkirchen beziehen, aufgeführt. Seitenverweise zeigen an, wo sie behandelt werden. Diese Kritiken kommen aus zwei unterschiedlichen Richtungen, und zwar von „kirchenexterner“ wie von „kircheninterner“ Seite.

Die „kirchenexternen“ Kritiker lehnen Religion grundsätzlich ab und sind teilweise militante Atheisten. Es hat sich im deutschsprachigen Raum aber auch anderswo ein aggressives Neuheidentum gebildet, das kein Verständnis für jene aufbringt, die in Freiheit und in der Öffentlichkeit ihr religiöses Bekenntnis leben wollen. Es ist eine intellektuell agile, aber zahlenmäßig nicht signifikante Gruppe, die u. a. eine bedingungslose Trennung von Staat und Kirche fordert. Sie liegt im Trend einer wachsenden Religionsverachtung, die teilweise sogar in Hass umschlägt und für die westeuropäischen Industriegesellschaften typisch geworden zu sein scheint.

Die „kircheninternen“ Kritiker, hier besonders am Kirchensteuersystem, finden sich in der katholischen Kirche vor allem an ihren beiden Rändern. Von „progressiver“ Seite werden dabei pastorale Gründe vorgebracht. Die Art der Kirchensteuerbeitreibung durch das Finanzamt (bzw. den Lohnsteuerabzug) verstärke die Kirchenaustritte, ihr hafte auch das Odium einer gewissen „Unbarmherzigkeit“ an. Von vor allem extrem „traditionalistischen“ Kreisen hingegen, die sich im Besitz der allein gültigen Glaubenswahrheit und Spiritualitätspraxis wähnen, wird in dem als „Zwangssystem“ gedeuteten deutschen Kirchensteuersystem die Finanzierung der als „von Rom“ (immer noch?) abgewichenen deutschen Kirche (oft als sog. „Lehmann-Kirche“ disqualifiziert) gesehen.

Aber es finden sich unter den „kircheninternen“ Kritikern sowohl enttäuschte Christen als auch engagierte Kirchenmitglieder beider Konfessionen, die ihre Kirchen in diesem Bereich auf einem falschen Weg sehen. Sie wünschen sich organisatorisch entschlackte Kirchen mit glaubensüberzeugten Mitgliedern oder romantisch-verklärend die (angeblichen) idealen Zustände in der Urkirche.

Die Hauptkritikpunkte sind also vor allem das deutsche Kirchensteuersystem, aber auch die zu starke Verflechtung von Staat und Kirche insgesamt. Darüber hinaus geraten die diversen Staatsleistungen immer wieder ins Visier. Die wichtigsten sind:

Das in Art. 137 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) i. V. mit Art. 140 GG festgehaltene Verbot einer Staatskirche werde durch die Kirchensteuer u. v. a. m. gebrochen. Dazu siehe S. 106f.

Vor allem „kircheninterne“ Kritiker weisen darauf hin, dass durch den staatlichen Einzug der Kirchensteuer der Eindruck entstehe, sie sei kein Mitgliedsbeitrag, und dass die Kirchen als staatliche Einrichtungen wahrgenommen würden. Insbesondere wird die damit zusammenhängende Möglichkeit einer Zwangsvollstreckung kritisiert. Dazu siehe S. 80f.

Auch würden sich die Kirchen durch die Kirchensteuer an einem ungerechten Steuersystem beteiligen und immer abhängiger von der staatlichen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik werden. Dazu siehe S. 75f.

Weil die Kirchensteuer als Sonderausgabe bei der Einkommensteuererklärung geltend gemacht werden kann, werde darin eine bevorzugte Behandlung der kirchensteuereintreibenden Religionsgesellschaften gesehen. Der Staat verzichte dabei auf Steuereinnahmen, was zu Lasten der Allgemeinheit gehe. Dazu siehe S. 86f.

Die Kirchensteuer auf die Abgeltungsteuer wird als eine zusätzliche Schröpfung seitens der Kirchen gewertet, was zu Kirchenaustritten führt. Dies wiederum ist für „kircheninterne“ Kritiker Anlass, gleich die Abschaffung der Kirchensteuer zu fordern. Dazu siehe S. 87f.

Das deutsche Kirchensteuersystem führe im Vergleich zu den europäischen Nachbarn (siehe S. 118f.) bei den Kirchen zu überhöhten Einnahmen, fördere damit eine ausufernde Bürokratie und verfestige Kirchenstrukturen.

Die deutsche Kirchensteuer widerspreche dem katholischen Kirchenrecht und dem „Geist“ des Neuen Testaments. Dazu siehe S. 97f.

Vor allem von „kircheninternen“ Kritikern wird bemängelt, dass die deutsche Kirchensteuer aber auch der österreichische Kirchenbeitrag zum Kirchenaustritt animieren. Daher wird eine sog. „Kultursteuer“ oder „Gemeinwohlabgabe“ gefordert. Siehe dazu S. 150f.

Ein weiterer Vorwurf lautet, dass die Kirchen verschwenderisch mit Kirchensteuergeldern umgingen. Als Beispiel wird der Skandal in Limburg genannt. Weil die Kirche zu viel Geld habe, horte sie es, verstecke es vermutlich in dubiosen schwarzen Kassen, gebe es für Prunk und Luxus und nicht für die Armen oder Bedürftigen aus.

Außerdem gehörten den Kirchen zu viele Immobilien in bester Citylage. Dazu siehe S. 202f.

Besonders werden immer wieder die sog. „Staatsleistungen im engeren Sinn“ der „kirchenexternen“ wie zunehmend auch der „kircheninternen“ Kritik unterworfen. Das sind jene Leistungen, die vor allem in Zusammenhang mit der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts stehen und wo der Verfassungsgesetzgeber in Art. 138 WRV i. V. mit Art. 140 GG fordert, dass diese abgelöst werden sollen. Die (katholische) Kirche betreibe hierbei eine Doppelmoral: Einerseits poche sie auf den Schadensersatz für die Enteignungen im 19. Jahrhundert, lasse andererseits aber zu, dass die Sexualverbrechen von Priestern an minderjährigen Schutzbefohlenen verjährt werden. Entschädigungszahlungen an die Opfer würden so vermieden. Siehe dazu S. 166f.

Kritisiert werden auch die Religionsförderungen, nämlich die direkte staatliche Finanzierung des Religionsunterrichts gemäß Art. 7 Abs. 3 GG und der Theologischen Fakultäten im Rahmen der staatlichen Universitäten, ebenso die Militär- und Gefängnisseelsorge. Sie widersprechen der Trennung von Kirche und Staat. Siehe dazu S. 184f.

Ebenso kritisch werden die „Staatsleistungen im weiteren Sinn“ gesehen. Gemeint sind dabei vor allem die Subventionen für Kindertagesstätten und Schulen in kirchlicher Trägerschaft sowie für den Denkmalschutz. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang auch die gelegentliche Monopolstellung der Kirchen bei Kindertagesstätten, Behinderteneinrichtungen, Krankenhäusern etc. Damit setzten die kirchlichen Träger in vielen Regionen die Kommunen so unter Druck, dass diese deren Konditionen akzeptieren müssten. Siehe dazu S. 182f.

Eher grundsätzlicher bzw. staatskirchenrechtlicher Natur sind nachstehende Kritikpunkte:

Dadurch, dass die Kirchen und Religionsgesellschaften gemäß Art. 137 Abs. 5 WRV Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, werden sie bevorzugt und andere Religionsgesellschaften, die diesen Status nicht haben, benachteiligt.

Damit die Kirchensteuer eingezogen werden kann, müssen die Steuerpflichtigen bzw. Beschäftigten ihr Religionsbekenntnis bei der Einkommensteuererklärung bzw. beim Meldeamt wegen der Lohnsteuerkarte angeben. Das verstoße gegen die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG. Siehe dazu S. 106f.

Ein weiterer Vorwurf lautet, dass die Kirchen konzernähnliche Strukturen aufgebaut hätten und wie Konzerne schalteten und walteten. Als Beleg wird angegeben, dass die beiden Kirchen zusammengerechnet die größten nichtstaatlichen Arbeitgeber Deutschlands und die größten privaten Grundbesitzer sind. Sie verfügen über Aktienpakete und viele Firmenbeteiligungen.

Caritas und Diakonie seien Konzerne, die sich gerne am Staat bereichern. Das zeigten auch die Zahlen der beiden Wohlfahrtsverbände: Obwohl die Kirchenmitgliederzahlen schrumpfen, wachsen deren Mitarbeiterzahlen. Dazu siehe S. 204f.

Als weitere Belege werden die Skandale um die Vatikanbank genannt. Der Kirche gehe es gar nicht um das Seelenheil, sondern nur um Macht, Einfluss und Geld.

Es wird kritisiert, dass die Kirchen eigene Vertreter in die Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten entsenden und dort Sendeplätze bekommen.

Ein weiterer Vorwurf lautet, die Kirchen nutzten den Staat aus, manipulierten das politische System durch aktiven Lobbyismus und bauten sich ein eigenes Wirtschaftsimperium auf – und das auf Kosten der Steuerzahler. Im Auftrag der Kirchen seien Lobbyisten tätig, deren Aufgabe darin bestehe, die Privilegien der Kirchen zu sichern und Glaubensinhalte in Politik und Gesellschaft durchzusetzen.

Unverständnis herrscht bei den Kritikern darüber, dass die Kirchen – basierend auf Art. 137 Abs. 3 WRV i. V. mit Art. 140 GG – das Privileg eines eigenen Arbeitsrechts besitzen. Kirchliche Mitarbeiter müssten aufgrund dessen nach den Vorgaben der...

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