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Die Königserhebungen von 1002 und 1024 als Spiegel für den Wandel im Herrschaftsaufbau

AutorChristian Lübke
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl89 Seiten
ISBN9783656035473
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 2,0, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Historisches Seminar), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Examensarbeit behandelt einen relativ großen Zeitraum sehr ausfühlich. Sie beschreibt wie aus dem Erbrecht das Wahlrecht hervorging. Auch die Umstände und Stationen der verschiedenen Herrscher werden erwähnt und erläutert. Anhand der Gliederung lassen sich die genauen Einschnitte leicht erkennen und verfolgen.

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Leseprobe

B.  Hauptteil

 

I. Die Zeit nach dem Tod des Vorgängers

 

1. Die Zeit der Unsicherheit und der Friedenssicherung

 

Zur damaligen Zeit gab es für den Herrschaftsverband wohl kaum eine größere Katastrophe als der Tod eines Königs ohne Nachkommen und somit ohne eine Designation. Mit dem frühen und überraschenden Tod Ottos III. trat genau diese Situation ein. Anderen Bewerben war es dadurch möglich, ebenfalls Anspruch auf die Krone zu stellen[26]. Dass sich jedoch Herzog Heinrich von Bayern gegen Markgraf Ekkehard von Meißen und gegen Herzog Hermann II. von Schwaben durchsetzen konnte, verdankte er vor allem seinem absoluten Willen, die Krone für sich zu erlangen[27]. Hermann von Reichenau berichtet in seiner Chronik über die Ereignisse kurz nach dem Tod Ottos III. in Italien in verkürzter Form. Dessen Leichnam wurde in Aachen begraben, nachdem seine Eingeweide in Augsburg beigesetzt worden waren[28]. Des Weiteren soll Heinrich die Insignien an sich genommen haben und an Ottos Stelle neuer König geworden sein[29]. Aufschluss über den genauen Ablauf der Geschehnisse gibt Hermann nicht. Auch Lampert von Hersfeld berichtet nur darüber, dass Heinrich neuer König wurde[30]. Die Umstände die dazu führten verschweigt auch er.

 

Einen ausführlichen Einblick über die Ereignisse im Jahre 1002 findet man dagegen in der Chronik Thietmars von Merseburg. Zunächst betont er, wie groß die Trauer um den verstorbenen Otto III. gewesen war und lobt dessen Milde und Freigiebigkeit[31]. Dann berichtet er, dass der Tod des Kaisers so lange geheim gehalten wurde, bis alle Truppen zusammengezogen worden waren. Ständig von Feinden belagert, erreichten sie schließlich den Hof Polling des Augsburger Bischofs Siegfried und wurden dort unter Tränen von Heinrich in seinem Herrschaftsgebiet in Empfang genommen[32].

 

Bereits hier wird die ganze Problematik der ottonischen Herrschaft in Italien deutlich. Schon am 15. Februar 1002 erhoben dort lombardische Große in Pavia, den hartnäckigen Gegner Ottos III., Arduin von Ivrea, zum italienischen König[33]. Auf die Italienpolitik soll jedoch zu einem späteren Zeitpunkt genauer eingegangen werden.

 

Heinrich ersuchte nun die anwesenden weltlichen und geistlichen Großen einzeln, unter großen Versprechungen, ihn zu ihrem König zu wählen. Hier bewies er erstmals großes Geschick, da er durch gesonderte Verhandlungen eine viel stärkere Position einnehmen konnte, als wenn er einer geschlossenen Front gegenübergetreten wäre[34].

 

Außerdem nahm er die Leiche des Kaisers sowie die Insignien mit Ausnahme der heiligen Lanze, welche Erzbischof Heribert von Köln heimlich vorausgeschickt hatte, an sich[35]. Um die heilige Lanze zu erhalten, setzte Heinrich Heribert in Haft und ließ diesen erst gegen Hinterlassung seines Bruders als Geisel weiterziehen, um die Lanze zurückzuschicken. Wie die meisten der anwesenden Großen war auch Heribert nicht bereit, sich zu einer Vorentscheidung über die anstehende Königswahl überreden zu lassen. Er versicherte allerdings, dass er demjenigen bereitwillig zustimmen würde, dem sich der größere und bessere Teil des populus zuwenden sollte[36]. Über die Vorbehalte gegen Heinrich schweigen die Quellen, doch ist es möglich, dass seine damals schon als endgültig befundene Kinderlosigkeit und seine körperliche Anfälligkeit für Krankheiten eine größere Rolle spielten[37].

 

Anschließend geleitete Heinrich den Leichenzug nach Augsburg, wo er die Eingeweide Ottos III. feierlich beisetzen ließ. Danach entließ er den Zug mit der Leiche des Kaisers zu ihrem Bestimmungsort nach Aachen[38].

 

Heinrich musste sich nun der Tatsache stellen, dass das Reich kein Erbreich war und die Entscheidung vielmehr bei den Großen lag, wen sie als König anerkennen wollten[39]. Die Unsicherheit, die im gesamten Reich herrschte wird besonders daran verdeutlicht, dass es nach dem Tod Ottos III. niemanden gab, der die Insignien sicher verwahren konnte und Heinrich durch „Erpressung“ in ihren Besitz gelangen konnte.

 

Welchen Vorteil ihm dies verschaffte, warum er überhaupt der Meinung war, erbrechtlichen Anspruch auf den Thron zu haben und gegen welche Konkurrenten und Oppositionen er sich durchsetzen musste, soll später erläutert werden.

 

Dass es durchaus möglich war, den Frieden im Reich zu wahren, auch wenn der Herrscher ohne einen designierten Nachkommen gestorben war, verdeutlicht die Königserhebung Konrads II. im Jahre 1024. Eine entscheidende Rolle nahm hier die Kaiserwitwe Kunigunde ein, die wie ihr Gemahl Heinrich II., heilig gesprochen wurde[40].

 

Einen detailierten Ablauf über die Ereignisse nach Heinrichs Tod gibt Konrads Hofkaplan Wipo, der zwar mit großer Wahrscheinlichkeit als Augenzeuge eigene Erlebnisse verarbeiten konnte, historisch jedoch mit Bedacht behandelt werden muss[41]. Er war weder Annalist noch Chronist und auch kein Historiker. Vielmehr setzte er sich als Ziel, pädagogisch und mahnend, seine Stimme am Hof zu erheben und geistlicher Berater des Herrscherhauses zu sein[42].

 

Nach einer schweren Krankheit verstarb Heinrich II. am 13. Juli 1024 in der Pfalz Grone bei Göttingen[43]. Für seine Zukunft hatte er nicht vorgesorgt. Die Ehe mit Kunigunde war kinderlos geblieben und bis zu seinem Tod weigerte er sich, die Weichen für seine Nachfolge zu stellen. Es scheint, als wäre dem Herrscherpaar die Sorge um das Reich abhanden gekommen[44]. Wie schon zuvor, nach dem plötzlichen, kinderlosen Tod Ottos III., war somit kein Nachfolger designiert und es herrschte laut Wipo Unsicherheit und Besorgnis im ganzen imperium[45]. Wie brisant die Lage wiederum in Italien war, zeigt die Tatsache, dass die Bewohner Pavias nach dem Tode Heinrichs II. die Königspfalz völlig zerstörten[46].

 

Auch nördlich der Alpen befürchtete man Unruhen, da vor allem mächtige principes versuchten, sich gewaltsam den größtmöglichen Vorteil zu verschaffen. In dieser Situation gelang es jedoch durch göttliche Vorsehung, diese drohende Gefahr abzuwenden. Neben zahlreichen Bischöfen und Großen, nennt Wipo vor allem die Kaiserwitwe Kunigunde und ihre Brüder, Bischof Dietrich von Metz und Herzog Heinrich von Baiern, die für das Wohl des Reiches eintraten[47]. Dass auch ihre Brüder und alle anderen Beteiligten explizit als Gehilfen genannt werden, verdeutlicht, dass selbst der angesehenen Kaiserin solche Aktivitäten ohne männliche Unterstützung nicht zustanden[48].

 

Anders als noch nach dem Tod Ottos III. 1002, war man nicht mehr völlig unvorbereitet auf eine bevorstehende Thronvakanz, so dass das Interregnum nur sechs Wochen andauerte[49]. Dies lag aber sicherlich nicht ausschließlich an der sicheren Verwahrung der Reichinsignien, sondern hauptsächlich am Zusammenspiel der Großen des Reiches. Zwar fiel Kunigunde durch den Besitz der Insignien eine entscheidende Rolle bei der Organisation und Durchführung der Erhebung zu, doch war dies keine Garantie für die Friedenssicherung während der königlosen Zeit[50].

 

Gerade am Beispiel Heinrichs II. wird deutlich, dass er selbst mit dem Besitz der Insignien noch lange nicht die Rechte eines Königs besaß, sondern sich erst die Zustimmung der Großen sichern musste[51].

 

Ein weiterer Unterschied lag darin, dass 1024 unter Großen des Reiches kein Anwärter auf den Königsthron zu erkennen war, der eine ähnlich nahe Verwandtschaft zum verstorbenen Herrscher hätte vorweisen können, wie sie Heinrich damals für sich in Anspruch genommen hatte[52].

 

Die Herkunft der beiden Anwärter, Heinrich und Konrad, soll demnach genauer erläutert werden, um Aufschluss darüber zu geben, inwieweit sie einen erbrechtlichen Anspruch auf den Thron geltend machen konnten, wie es Heinrich 1002 letztendlich tat.

 

2.  Die Herkunft der Kandidaten

 

Das Königshaus, das Heinrich I. im Jahre 919 begründet hatte, war 1002 mit dem Abbruch der Generationenfolge erloschen. Man musste nun einen Nachfolger finden, dessen Vater kein König war[53]. Trotz allem war Heinrich der festen Überzeugung, dass ihm nach erbrechtlichen Gesichtspunkten die Königswürde zustehen sollte. Wie schon sein Großvater und sein Vater zuvor, strebte auch er nach diesem Amt[54].

 

Als Sohn Heinrichs des Zänkers folgte er diesem als Herzog Heinrich IV. von Baiern nach[55]. Thietmar berichtet, dass Heinrich dem Haus der Herrscher entsprossen war und schon den höchsten menschlichen Adel erwarb, sobald er der Jugend...

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