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E-Book

Die Kontrolle von Gaspreisen nach Liberalisierung der Energiemärkte

AutorRonny Michael
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl62 Seiten
ISBN9783640571932
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht, Note: 15 Punkte, Universität Bremen, Veranstaltung: Gesundheits- und Medizinrecht sowie Verbraucherschutz, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit befasst sich mit den Kontrollmechanismen des nationalen Vertrags- und Wettbewerbsrechts im Hinblick auf Gaspreise und deren Erhöhungen vor dem Hintergrund der durch die Richtlinie 2003/55/EG in Gang gesetzte Liberalisierung des Marktes. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Kontrollmöglichkeiten des Verbrauchers und den bis dato von der Rechtssprechung entwickelten Grundsätzen.

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Leseprobe

D. Auswirkungen auf die kartellrechtliche Preiskontrolle


 

Nunmehr soll untersucht werden, inwieweit die Abkehr vom System der geschlossenen Versorgungsgebiete unter Ausschluss sparteninternen Wettbewerbs, hin zu dem dargestellten neuen Ordnungsrahmen, sich auf die kartellrechtliche Gaspreiskontrolle auswirkt.

 

Die Überprüfung von Netznutzungsentgelten bleibt dabei außer Betracht, da die energierechtliche Missbrauchskontrolle nach § 30 EnGW dafür lex specialis ist und die genehmigten Entgelte überdies für kartellrechtliche Verfahren mit einer Rechtmäßigkeitsfiktion ausstattet sind.[67]

 

I. Preismissbrauchskontrolle nach § 19 GWB


 

Normadressaten der die Generalklausel konkretisierenden Missbrauchstatbestände aus § 19 Abs. 4 GWB sind ausweislich des Wortlautes der Norm nur Unternehmen, die eine marktbeherrschende Stellung innehaben. Um das Vorliegen einer solchen zu ermitteln, wird zunächst der Markt in sachlicher und räumlicher Hinsicht abgegrenzt und dann in einem zweiten Schritt die konkrete Marktmarkt bewertet.

 

1. Marktabgrenzung


 

(a) Sachlich relevanter Markt

 

(aa) Allgemeine Grundsätze
 

Zur Beantwortung der Frage, welche Waren oder Leistungen zusammen einen Markt bilden, hat sich das Bedarfsmarktkonzept durchgesetzt. Nach diesem bilden sämtliche Erzeugnisse einen Markt, „die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige Verbraucher sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter Weise abwägend miteinander vergleicht und als gegeneinander austauschbar ansieht“.[68]

 

Es kommt demnach auf die funktionelle Austauschbarkeit aus Sicht eines Abnehmers an.[69]

 

Abnehmer von Gas sind zum einen Endverbraucher und zum anderen Weiterverteiler, die Gas zu Handelszwecken beziehen. Insofern ergeben sich aus den unterschiedlichen Verwendungszwecken eigene Märkte. Eine weitere Aufteilung ergibt sich aus der Preislage, da Abnehmer größerer Mengen Energie regelmäßig zu günstigeren Preisen beziehen können. Demnach ist der Markt der Weiterverteiler in solche aufzuteilen, die Gas in großen Mengen von Ferngasunternehmern geliefert bekommen, um es an die Verteiler auf der letzten Stufe weiterzuverkaufen und den lokalen Letztverteilern selbst (i. d. R. Stadtwerke).[70]

 

Entsprechend dazu sind auf Endverbraucherstufe industrielle oder gewerbliche Großkunden auf der einen und HuK-Kunden auf der anderen Seite zu unterscheiden.

 

(bb) Einheitlicher Wärmemarkt für Endverbraucher?
 

Während auf allen Verteilerstufen fraglos davon auszugehen ist, dass das bezogene Gas nicht durch andere Energieträger ersetzt und somit ausgetauscht werden kann, wird teilweise vertreten, dass Gas auf der Endverbraucherstufe mit übrigen Wärmeträgern wie Heizöl, Strom, Kohle und Fernwärme konkurriere und mit diesen einen gemeinsamen sachlichen Markt bilde. Davon ging jüngst auch das OLG Celle[71] aus, indem es in vermeintlicher Anwendung der Grundsätze des BGH-Urteils vom 13.06.2007[72], auf das noch einzugehen sein wird, zu dem Ergebnis kam, dass der in diesem Urteil angenommene Substitutionswettbewerb im Rahmen einer Prüfung des analogen Anwendbarkeit des § 315 BGB auch für die Beurteilung nach § 19 GWB keine andere Wertung zuließe.

 

Dieser Auffassung wird mit dem Argument zugestimmt, dass technische Anlagen zur Erzeugung von Raumwärme eine Lebensdauer von ca. 15 Jahren haben, so dass ein Teil der Nachfrager von Raumenergie sich stets nach Angeboten aller anderen Energieanbieter umsieht.[73]

 

Es liegt bereits nahe, dass diese Auffassung die ausschlaggebende Abnehmersicht auf das nachgefragte Gut unzulässig verkürzt, wenn eine Austauschbarkeit nur aller 15 Jahre gegeben ist. Zumindest verkennt sie, dass der deutsche Wohnungsmarkt von einem hohen Anteil von Mietwohnungen gekennzeichnet ist, bei denen die Mieter fast ausnahmslos an die vom Vermieter vorgegebene Wärmeversorgung gebunden sind. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass Mieter oder auch Käufer einer Wohnung zumindest vor Vertragsschluss die Wahl zwischen verschiedenen Energieformen hätten, da Bedingungen eines Versorgungsvertrages im tatsächlichen Entscheidungsvorgang kein Auswahlkriterium für eine Wohnung sind.[74]

 

Erst recht gilt diese Argumentation für Industrie- oder Gewerbekunden, da bei ihnen Umstrukturierungen mit mutmaßlich höheren Kosten verbunden wären und so noch weniger eine Austauschbarkeit des Energieträgers besteht.

 

Weiterhin ist zu bezweifeln, dass die Sichtweise des OLG Celle auf einer Linie mit der BGH-Rechtsprechung liegt, ist diese doch bisher ausdrücklich nicht von einheitlichem Wärmemarkt ausgegangen.[75]

 

Auch eine Rechtsfolgenbetrachtung spricht dagegen: Würde man einen bundesweiten Wärmemarkt annehmen, hätte die Unternehmen auf der letzten Verteilerstufe im Ergebnis generell keine marktbeherrschende Stellung und § 19 GWB liefe im Ergebnis leer. Daraus ergibt sich ein Widerspruch im Hinblick auf den neugefassten § 29 GWB.[76] Mit diesem wollte der Gesetzgeber nämlich nach seinem offensichtlichen Willen  gerade die örtlichen Strom- und Gasversorger erfassen, die in der Praxis der Kartellbehörden durch enge Abgrenzungen jeweils eine marktbeherrschende Stellung innehaben.[77]  Die Annahme eines einheitlichen Wärmemarktes mit der Folge, dass diese Versorger sowohl aus der Rechtsaufsicht nach § 19 als auch nach § 29 GWB fallen, würde diesem Bestreben diametral entgegenlaufen.

 

(cc) Zwischenergebnis
 

Aus diesen Erwägungen ist weiterhin von einem von den restlichen Energieformen unabhängigen Gasmarkt auszugehen, der sich wie unter (aa) erörtert in verschiedene sachliche relevante Gasmärkte teilt.

 

(b) Räumlich relevanter Markt

 
(aa) Konventionelle netzbezogene Abgrenzung
 

Die Begrenzung des Marktes auf ein bestimmtes Gebiet vollzieht sich ebenfalls nach dem Kriterium der Austauschmöglichkeiten aus Sicht der Marktgegenseite.[78]

 

Diese Austauschmöglichkeiten wurden im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung üblicherweise durch die Netzgebiete der Beteiligten Unternehmen limitiert, so das von den Kartellbehörden und Gerichten bisher netzbezogen abgegrenzt wurde.[79] Mittlerweile haben sich jedoch die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert.

 

Allerdings tritt eine Änderung der Marktverhältnisse nicht notwendigerweise bereits mit der Änderung der bisher für die Marktbegrenzung maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen ein.  Vielmehr ist auf die Entwicklung der tatsächlichen Marktverhältnisse abzustellen. Nach Auffassung des BGH-Kartellsenates[80] sind diese weiterhin von den natürlichen Monopolen der Gasversorger in ihren herkömmlichen Versorgungsgebieten bestimmt, solange nicht ein rechtlich abgesichertes und praktisch handhabbares Durchleitungssystem besteht, das anderen die Möglichkeit einräumt, Nachfrager zu Wettbewerbsbedingungen zu beliefern.

 

Der dem rezitierten Beschluss zugrunde liegende nachgefragte Markt war der regionaler Weiterverteiler. Mit Blick darauf, dass bisher alle sachlichen Märkte nach den Netzgebieten der beteiligten Unternehmen abgegrenzt wurden, ist die vom Kartellsenat entwickelte Formel aber fraglos auch auf andere sachlich relevanten Märkte übertragbar.

 

(bb) Notwendigkeit einer neuen räumlichen Marktabgrenzung
 

Insofern stellt sich die Frage, ob inzwischen die genannten Anforderungen erfüllt sind. Der aufkommende Wettbewerb zeigt, dass seit der Festlegung auf die Zweivertragsvariante als Netzzugangsmodell ein handhabbares Durchleitungssystem existiert, das durch die Aufsicht der Bundesnetzagentur auch rechtlich abgesichert ist. Zweifelhaft ist hingegen, ob dieses System bereits Gewähr dafür bietet, dass Nachfrager zu Wettbewerbsbedingungen beliefert werden können. Die Frage ist nicht mit der nach einem funktionierendem Wettbewerb verwechseln, da sonst dadurch, dass mangelnder Wettbewerb ein Kriterium der erst anschließend zu prüfenden Marktmacht ist, ein Zirkelschluss droht.

 

Stattdessen wird man die bestehende Möglichkeit der Durchleitung zu genehmigten Entgelten genügen lassen müssen, so dass an der tradierten netzbezogenen räumlichen Abgrenzung nicht länger festgehalten werden kann.[81]

 

(cc) Neue Abgrenzungsmethode?
 

Es ist zu überlegen, wie der räumliche Markt stattdessen abzugrenzen ist.

 

Eine Auffassung zieht zur Abgrenzung die 16 bundesweiten Marktgebiete heran, die in der Kooperationsvereinbarung zum Netzzugang definiert sind.[82]...

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