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Die Kraft der Überflüssigen

Der Mensch in der globalen Perestroika

AutorKai Ehlers
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl312 Seiten
ISBN9783743122727
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,49 EUR
Überflüssig? Abgedrängt? Kein Ausweg? Keine Perspektive? Nur noch der große Crash? Nur noch Selektion von Nützlichen und nicht Nützlichen? Oder Revolten? Schauen wir genau hin: Die "Überflüssigen" sind nicht das Problem, das entsorgt werden müsste - sie sind die Lösung. Sie sind Ausdruck des über Jahrtausende angesammelten Reichtums der Menschheit - wirtschaftlich, sozial und kulturell. Sie sind Ausdruck der Kräfte, welche die Menschheit heute zur Verfügung hat, um vom physischen Überlebenskampf aller gegen alle in eine ethische Kulturgemeinschaft überzugehen, die am Aufstieg des Menschen zum Menschen orientiert ist und keinen Menschen mehr ausschließt. Das vorliegende Buch zeigt: Wer die "Überflüssigen" sind, welche Kräfte in ihrem "Überflüssigsein" liegen, welchen Widerständen bis hin zu eugenischen Selektionsphantasien der heute Mächtigen ihr Aufbruch ausgesetzt ist, welche Kraft die "Überflüssigen" bilden, wenn sie sich entschließen, ihr Leben selbst zu organisieren - und schließlich, wie der Weg der Selbstorganisation in einer neuen, sozial orientierten Gesellschaft aussehen könnte.

Kai Ehlers wurde 1944 in Brüx bei Prag geboren. Er ist seit 1950 in Hamburg gemeldet, allerdings bei ständig wechselndem Wohnsitz in verschiedenen Orten Deutschlands. Er studierte Deutsch, Publizistik , Theaterwissenschaften, beendete das Studium 1968 zugunsten von Gemeinschaftsexperimenten, war ab 1970 als politischer Journalist in der außerparlamentarischen Opposition (APO) und ihren Organisationsnachläufern aktiv. Seit Anfang der 80er richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die Sowjetunion/Russland, sehr bald dann auf die Folgen, die Perestroika für Russland und über Russlands Grenzen hinaus hat. Heute forscht er nach Alternativen zur Globalisierung neoliberalen Typs und setzt sich praktisch für deren Verwirklichung ein.

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Leseprobe

Vorwort


Liebe Leserinnen, lieber Leser,

„Die Kraft der ‚Überflüssigen’“ – warum dieses Buch? Wie ist dieser Titel zu verstehen? Was kann Kraft mit „Überflüssigen“ zu tun haben? Ist diese Formulierung nicht ein Widerspruch in sich? Ein unsinniges Paradoxon? Und überhaupt, macht es einen Sinn von „Überflüssigen“ zu reden? Wer ist damit gemeint? Wer spricht so?

Lassen Sie mich zunächst aus eigener Erfahrung antworten.

Es waren meine eigenen Kinder, die mich mit solchen Fragen bestürmten: Wo ist mein Platz in der Welt, wenn schon alles besetzt ist? Wofür werde ich noch gebraucht, wenn ich doch nichts ausrichten kann? Wer bin ich, wenn jede meiner Initiativen schon zahllose Vorgängerinnen im Internet hat? Ein Klick auf Facebook und es gibt mich in 10.000 Facetten. Wohin kann ich mich mit meinen Sehnsüchten wenden, wenn sich doch alles nur noch um Geld dreht? Wie soll ich in einer Welt leben, in der ich einer von sieben Milliarden Menschen bin, von denen jedes Jahr Millionen verhungern?1 Was kann ich glauben, wenn im Namen der Menschenrechte gemordet und Kriege geführt, im Namen der Religion Bomben gelegt werden?

Sinnfragen junger Menschen sind natürlich nicht neu. Jede Generation stellt sie und jede Generation muss ihre eigene Antwort finden. Die Antwort meiner Generation war die Kulturrevolution der 60er und der folgenden Jahre; danach war es der ökologische Umschwung. Heute sehen sich alle Generationen gemeinsam einer aus dem Ruder laufenden globalen Profitkultur gegenüber, die dabei ist, die Bewohnbarkeit des Planeten unwiederbringlich zu zerstören.

Was zählt der Mensch noch in dieser Welt?

Vor Jahren schrieb ich meinem heranwachsenden Sohn einen Brief zu diesen Fragen, den ich hier in Auszügen voranstellen möchte:

„Mein Lieber, Du möchtest schöpferisch in einer Weise tätig sein, die den ganzen Menschen fordert, fördert und erfreut – triffst aber auf eine Situation, in der man Dich zum Erfüllungsgehilfen eines bereits stattfindenden, zunehmend automatisierten Prozesses degradiert, in dem dir nur noch die Funktion zufällt, von der großen Zivilisationsmaschine vorgegebene Muster zu bedienen… Das erscheint natürlich als ein persönliches Problem, muss auch von jedem Einzelnen als persönliches Problem gelöst werden, ist aber selbstverständlich kein persönliches Problem, sondern eben Ausdruck der genannten Tatsache, dass die Maschine den Menschen in wachsendem Maße zum Erfüllungsgehilfen eines allgemeinen organisierten technischen Prozesses macht.

Also, was tun? Hier ist der erste Reflex, den ich bestens verstehe: Ausbrechen! Der zweite, den ich ebenso verstehe: den ganzen Mist zerschlagen! Der dritte, auch verständlich, aber natürlich tödlich: Resignation. Zynismus, Nihilismus. Ist alles klar! Geht Dir so, geht all denen so, die in diese Erniedrigung gedrückt werden – das ist die Mehrheit. Eine Minderheit passt sich dem Apparat an – und bedient ihn. Das ist scheinbar ein Privileg, in Wirklichkeit ist auch das ätzend – Stress pur, in dem die Menschen, scheinbar mächtig sind, scheinbar selbstständig, doch sehr schnell verbrannt werden.

Für Menschen wie Dich, die das Pech oder auch das Glück haben, über den eigenen Bauchnabel hinaus zu schauen/schauen zu müssen, gibt es nur eines: die eigene „Überflüssigkeit“ als Chance, als Aufforderung zur Entwicklung von Perspektiven zu nutzen, die über die bloßen Effektivitätsanforderungen der Gegenwart hinausführen…

Ich muss hier zurzeit nicht mehr darüber sagen.

Vielleicht nur noch dies: Mir geht es ja nicht anders – die aktuelle Vernutzung des Menschen als Erfüllungsgehilfe der maschinisierten Zivilisation halte auch ich nur aus, indem ich die Perspektive heraus-arbeite, dass eben diese Zivilisation Kräfte freisetzt, die bisher gebunden waren. In Leben verwandeln kann man diese Kräfte nur, denke ich, wenn man ihren Ursprung aus dem konkreten Prozess der Über-Effektivierung, der Automatisierung etc. pp. erkennt. Das bedeutet einfach: Das Überflüssig-Werden nicht nur als Krankheit der Gesellschaft und als ausweglose eigene Situation zu begreifen, sondern als Freiheitsgewinn, als Aufforderung; die freigesetzten Kräfte anders einzusetzen…“

Es waren die Gespräche mit meinen Kindern und ihren Freunden, die mich dazu brachten, der Frage der „Überflüssigen“ so nachzugehen, wie Sie es auf den folgenden Seiten lesen können; nicht zuletzt war es auch die Tatsache, dass ausgerechnet meine Tochter, vom Ansatz her eher an künstlerischen Fragen als an Politik interessiert, die Weitergabe traumatisierender Erfahrungen am Beispiel des Zweiten Weltkrieges und die damit verbundene Auseinandersetzung mit immer noch nicht überwundenen Folgen des Faschismus als Thema für ihre Diplomarbeit wählte. Schließlich waren es aber auch, das muss ich unbedingt hinzufügen, nachdem ich es beinahe selbst übergangen hätte, die vielen Begegnungen mit den Menschen der ehemaligen Sowjetunion, später Russlands und anderer Gebiete des ehemals real-sozialistischen Raumes, die aus meiner jahrelangen Erforschung der Perestroika und ihrer Folgen hervorgingen.

In diesen Begegnungen erlebte ich in großem und erschreckendem Maßstab, wie aus sozial abgesicherten Menschen, aus strammen oder auch weniger strammen Sozialisten, aus „Helden der Arbeit“ quasi über Nacht ein ganzes Heer von „Überflüssigen“ hervorging, sozial entwurzelt, ratlos, ihres Glaubens beraubt, Menschen, die verzweifelt nach neuen Wegen suchten und immer noch suchen. In dem von dieser Situation ausgehenden Transformationsdruck liegt ein weiterer Impuls, der mich zu diesem Buch führte.

Bevor ich Sie aber aus dieser Einleitung entlasse, möchte ich Ihnen noch einen Text mit auf den Weg geben, der mich auf den verschiedenen Etappen, in denen ich den Fragen der „Überflüssigen“ nachging, die ganzen Jahre über begleitet hat. Es handelt sich um die Geschichte, wir könnten auch ruhigen Gewissens sagen, das Gleichnis vom alten Eichbaum, das sich in den philosophischen Erzählungen Chuang Dsi’s, dem Geistesverwandten und Nachfolger des bekannten chinesischen Weisen Laotse, unter dem Thema „In der Menschenwelt“ findet.2 Die Geschichte steht dort neben weiteren ähnlichen, die sich alle um die Nutzlosigkeit des Nutzens drehen und die alle sehr lesenswert sind.

„Der Zimmermann Stein“, so erzählt Chuang Dsi‘s liebevoll übersetzt von dem Sinologen Richard Wilhelm, „wanderte nach Tsi. Als er nach Kü Yuan kam, sah er einen Eichbaum am Altar, so groß, dass dessen Stamm einen Ochsen verdecken konnte¸ er maß hundert Fuß im Umfang und war fast so hoch wie ein Berg. In einer Höhe von zehn Klafter erst verzweigte er sich in etwa zehn Äste, deren jeder ausgehöhlt ein Boot gegeben hätte. Er galt als eine Sehenswürdigkeit in der ganzen Gegend. Der Meister Zimmermann sah sich nicht nach ihm um, sondern ging seines Weges weiter, ohne innezuhalten. Sein Geselle aber sah sich satt an ihm; dann lief er zu Meister Stein und sprach: ‚Seit ich die Axt in die Hand genommen, um Euch nachzufolgen, Meister, habe ich noch nie ein so schönes Holz erblickt. Ihr aber fandet es nicht der Mühe wert, es anzusehen, sondern gingt einfach weiter, ohne innezuhalten: weshalb?’

Jener sprach: ‚Genug! Rede nicht davon! Es ist ein unnützer Baum. Wolltest du ein Schiff daraus machen, es würde untergehen; wolltest du einen Sarg daraus machen, er würde bald verfaulen; wolltest du Geräte daraus machen, sie würden bald zerbrechen; wolltest du Türen daraus machen, sie würden schwitzen; wolltest du Pfeiler daraus machen, sie würden wurmstichig werden. Aus dem Baum lässt sich nichts machen, man kann ihn zu nichts gebrauchen. Darum hat er es auf ein so hohes Alter bringen können.’

Der Zimmermann Stein kehrte ein. Da erschien ihm der Eichbaum am Erdaltar im Traum und sprach: ‚Mit was für Bäumen möchtest du mich denn vergleichen? Willst du mich vergleichen mit euren Kulturbäumen wie Weißdorn, Birnen, Orangen, Apfelsinen, und was sonst noch Obst und Beeren trägt? Sie bringen kaum ihre Früchte zur Reife, so misshandelt und schändet man sie. Die Äste werden abgebrochen, die Zweige werden geschlitzt. So bringen sie durch ihre Gaben ihr eigenes Leben in Gefahr und vollenden nicht ihrer Jahre Zahl, sondern gehen auf halbem Wege zugrunde, indem sie sich selbst von der Welt solche schlechte Behandlung zuziehen. So geht es überall zu. Darum habe ich mir schon lange Mühe gegeben, ganz nutzlos zu werden. Sterblicher! Und nun habe ich es so weit gebracht, dass mir das vom größten Nutzen ist. Nimm an, ich wäre zu irgendetwas nütze, hätte ich dann wohl diese Größe erreicht? Und außerdem, du und ich, wir sind beide gleichermaßen Geschöpfe. Wie sollte ein Geschöpf dazu kommen, das andere von oben her beurteilen zu wollen! Du, ein sterblicher, unnützer Mensch, was weißt denn du von unnützen...

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