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Die Kraft des Selbstmitgefühls

Wie wir unseren inneren Garten pflegen und zum Erblühen bringen können

AutorLienhard U. Valentin
VerlagKailash
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783641234041
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Den inneren Garten zum Erblühen bringen
Jeder von uns trägt ungeliebte Eigenschaften in sich, die er am liebsten loswerden möchte. Doch sie lassen sich verwandeln und können uns wertvolle Dienste leisten, wenn sie ihren Platz gefunden haben. Lienhard Valentin zeigt, wie wir unseren inneren Garten liebevoll pflegen und so bestellen, dass Selbstvertrauen, Selbstliebe und Gelassenheit darin erblühen können. Die wichtigsten Tools sind hier die Praxis der Achtsamkeit, des Selbstmitgefühls und der Selbsterforschung. Reflexionen, Zitate, Meditationen und Achtsamkeitsübungen unterstützen uns in diesem Prozess und schenken neue Kraft und Inspiration.

Lienhard Valentin ist Achtsamkeitslehrer, Gestaltpädagoge, Buchautor und Verleger. Sein Schwerpunkt liegt in der Integration von Achtsamkeit und Mitgefühl ins tägliche Leben. Er arbeitet seit vielen Jahren mit Jon Kabat-Zinn, Christopher Germer, Kristin Neff, Rick Hanson und anderen führenden Vertretern aus dem Bereich Achtsamkeit und Meditation zusammen. Der Autor lebt mit seiner Familie in Freiburg und Vorarlberg.

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Leseprobe

Wahres Selbst

und Persönlichkeit

In Wirklichkeit trägt das Kind den Schlüssel zu seinem rätselhaften, individuellen Dasein von allem Anfang in sich. Es verfügt über einen inneren Bauplan der Seele und über vorbestimmte Richtlinien für seine Entwicklung.

Das alles aber ist zunächst äußerst zart und empfindlich, und ein unzeitgemäßes Eingreifen des Erwachsenen mit seinem Willen und seinen übertriebenen Vorstellungen von der eigenen Machtvollkommenheit kann jenen Bauplan zerstören oder seine Verwirklichung in falsche Bahnen lenken.

Maria Montessori

In seinem Buch Hellwach und bewusst leben beschreibt der amerikanische Psychologe Charles T. Tart das Entstehen der, wie er es nennt, alltäglichen Trance. Jeder Mensch kommt mit einer ganz individuellen inneren Natur zur Welt – seinem ureigenen Wesen –, dem, was wir wirklich sind, unserer Essenz. Wir alle wurden als einzigartige Verbindung von physischen, biologischen, geistigen, emotionalen und spirituellen Eigenschaften und Potenzialen geboren. Die meisten dieser Eigenschaften sind bei der Geburt nur als Anlage vorhanden und werden sich nie manifestieren, es sei denn, unsere Umwelt oder wir selbst schaffen (später im Leben) die dafür nötigen Voraussetzungen.

Wie wir wissen, gestalten die Eltern, die Gesellschaft und der Kulturkreis die Entwicklung eines Kindes praktisch von seiner Geburt an. Bestimmte Anteile der Essenz werden unterstützt, andere vernachlässigt und wieder andere verleugnet und bestraft. Dieser Enkulturationsprozess ist außerordentlich mächtig – vor allem deshalb, weil das physische und emotionale Wohl des Kindes auf dem Spiel stehen und weil jedes Kind einen angeborenen sozialen Instinkt hat, nämlich den Wunsch nach Zugehörigkeit: den Wunsch, angenommen und geliebt zu sein. Schließlich ist es für uns überlebenswichtig, dass sich andere um uns kümmern, nachdem wir geboren sind.

Das Liebesbedürfnis des Menschen ist sehr stark ausgeprägt, was ihn auch so anfällig für Konditionierung macht. Tart vergleicht die übliche Erziehung mit einem Hypnosesetting, das dazu dient, die Kinder möglichst rasch in die »alltägliche Trance« zu versetzen, in die auch wir versunken sind. Es ist einfach lästig, wenn wir von diesen lebendigen Wesen ständig in unserem Halbschlaf gestört werden. Nach Tart lebt der durchschnittliche »Normalbürger« nur einen sehr kleinen Teil seiner Essenz. Der Rest, also unsere sogenannte Persönlichkeit, sind Konditionierungen und Anpassungen an widrige Umstände – mit anderen Worten: die Folge einiger evolutionärer Prägungen sowie unserer Erziehung.

»Konditionierung« nennen wir hier die bewussten oder unbewussten Einflüsse von außen, die ein Kind zwingen, seine wahre Natur zu verleugnen, um nicht die Liebe und Zuwendung seines Umfelds zu verlieren. Also Erwartungen, Forderungen, Missachtung, Lob und Tadel – letztlich jegliche Art von Erziehung, die ein Kind nach bestimmten Vorstellungen prägt.

Stellen Sie sich ein Mädchen mit einem »wilderen« Wesen vor, das vor etwa hundert Jahren geboren wurde. Zu dieser Zeit hatten Mädchen grundsätzlich brav, sauber und leise zu sein. Ein solches Kind musste den größten Teil seines Naturells verleugnen oder unterdrücken, und die Wahrscheinlichkeit, dass es Depressionen oder andere psychische Störungen entwickelte, war sehr groß – ein glückliches und erfülltes Leben so gut wie unmöglich, da es, auch wenn es erwachsen wurde, als Frau kaum die Möglichkeit hatte, sich auf die Suche nach ihrem wahren Selbst zu begeben.

Oder stellen Sie sich einen zarten, sensiblen, kreativ veranlagten Jungen in einer martialischen Kultur vor. Er dürfte kaum eine Chance haben, seine essenziellen Qualitäten entfalten zu können. Und vermutlich wird ihn sein Leben lang das Gefühl begleiten, dass er ungenügend und kein richtiger Mann ist. Oder anders herum: Wenn es wildere Jungen oder Mädchen heute schwer haben, in der Schule still zu sitzen, wird schnell ADHS diagnostiziert, obwohl sie in Wahrheit vielleicht einfach in eine Situation gezwungen wurden, die ihrer Natur widerspricht. Die Vorstellung eines Bildungssystems, das die Individualität der Kinder stärker berücksichtigt, findet sich in den öffentlichen Lehrplänen hierzulande so gut wie gar nicht. Der Wunsch nach Kontrolle und der daraus resultierende Anpassungsdruck sind offensichtlich sehr mächtig, und so werden Kinder meist vor allem danach beurteilt, wie gut sie im bestehenden System funktionieren.

Das Selbstgefühl oder Selbstbild, das wir entwickelt haben, ist stark geprägt von der Art und Weise, wie wir als Kinder von den wichtigsten erwachsenen Bezugspersonen gesehen wurden. Und da die wenigsten von uns das Glück hatten, bedingungslos geliebt worden zu sein, mussten auch wir Aspekte unseres wahren Wesens verleugnen oder in die innere Verbannung schicken.

Auch ich persönlich kann ein Lied davon singen. Natürlich weiß ich, dass meine Eltern mich geliebt haben – aber diese Liebe war, spätestens als ich ins Gymnasium kam, stark an Bedingungen geknüpft. Meine Mutter (in Graz geboren und aufgewachsen) hätte es am liebsten gehabt, dass ich immer fein angezogen und zum Handkuss sowie zum »Diener« erzogen worden wäre, und in ihrer Vorstellung sollte ich möglichst Dirigent werden (mit sechs Jahren hatte ich an der Musikschule einen Kinderchor dirigiert). Mein Vater hatte immer wieder Wutanfälle (bedingt durch eine posttraumatische Belastungsstörung aus zwei Weltkriegen, wie ich heute weiß) und war gleichzeitig ein Befürworter der antiautoritären Erziehung. Eine brisante und mitunter verstörende Kombination. Als ich dann ins Gymnasium kam, wurde von beiden Eltern immer wieder betont, dass ich doch sehr viel besser sein könnte, wenn ich doch nur wollte und mehr täte.

Auf all dies reagierte ich mit Widerstand. Die Schule empfand ich zum allergrößten Teil als sterbenslangweilig (und war von daher auch stinkfaul), und mein Lebensgefühl ähnelte vielleicht am ehesten dem eines Geheimagenten im Feindesland, der abgeschnitten ist von der Heimatbasis. Dies hatte ein Gefühl ständiger Bedrohung zur Folge, und der einzig mögliche Ausweg war, mich weitestgehend unsichtbar zu machen und zu hoffen, dass ich das Gymnasium irgendwie halbwegs unbeschadet hinter mich bringe. Mich dem Druck zu beugen und den Vorstellungen meiner Eltern gemäß zu funktionieren kam für mich nicht infrage. Den Kontakt zu mir selbst habe ich dabei trotzdem komplett verloren – als ich das Abitur schließlich doch noch schaffte, hatte ich keine Ahnung, wer ich war, was mich wirklich interessierte oder was mich gar hätte begeistern können und was ich mit meinem Leben anfangen wollte.

Das Abtragen der Tonschicht hält bis heute an, und immer noch erwische ich mich dabei, unangenehme Dinge einfach hinter mich bringen zu wollen – Augen zu, Zähne zusammenbeißen und durch. Die Folge ist eine gewisse innere Getriebenheit, und nur wenn ich mir dessen bewusst werde und es anerkenne, kann ich einen Schritt weiter gehen und herausfinden, was ich brauche, um wieder mit mir in Einklang zu kommen.

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.

Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst.

Sie kommen durch euch, aber nicht von euch.

Und wenngleich sie bei euch sind, gehören sie euch doch nicht.

Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken, denn sie haben ihre eigenen.

Khalil Gibran

Auch wenn meine Eltern das Beste für mich wollten, konnten sie nicht sehen, was ich gebraucht hätte, damit ich im Einklang mit mir selbst aufwachsen und mich entfalten konnte. Mein innerer Garten wurde überwuchert, und mein wahres Wesen blieb tief im Boden verborgen, bis es Anfang zwanzig durch die Lektüre von Siddhartha von Hermann Hesse und Haben oder Sein von Erich Fromm sozusagen die erste Nahrung bekam, die es brauchte, um sich langsam zu entfalten. Unter der Tonschicht begann sich etwas zu regen, und es begann eine Reise aus der dunklen Verbannung ins Licht der Welt. Mir wurde klar, dass mein innerer Garten der Pflege bedurfte, und ich hatte großes Glück, auf wunderbare Lehrerinnen und Lehrer zu treffen, die diesen Prozess begleiteten und unterstützten. So führte mich meine Suche schließlich zu längeren Schweige-Retreats in der buddhistischen Vipassana-(Einsichts-)Meditation – zunächst bei traditionellen burmesischen Lehrern, dann zu Jack Kornfield sowie anderen westlichen Meditationslehrerinnen und -lehrern und damit auch zur sogenannten Praxis der Achtsamkeit und des Selbstmitgefühls, die zu wichtigen inneren Nahrungsquellen in meinem Leben wurden.

Ich werde noch ausführlicher darauf eingehen, was es mit dieser Praxis auf sich hat, an dieser Stelle nur so viel: Achtsames Gewahrsein kann als ein empfänglicher Seinsmodus bezeichnet werden, der gekennzeichnet ist durch innere Weite, Offenheit und eine warmherzige Präsenz. Diese können wir nicht »machen«, kontrollieren oder besitzen – wir können jedoch lernen, welche innere Haltung, welche Bedingungen es wahrscheinlicher machen, dass wir in diesen Modus...

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