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Die Krise des Europäischen Währungssystems seit dem Herbst 1992

Darstellung, Erklärung, währungspolitische Schlußfolgerungen

AutorJürgen Staab
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl60 Seiten
ISBN9783640813339
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 1994 im Fachbereich VWL - Geldtheorie, Geldpolitik, Note: 1,0, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Konjunktur, Wachstum und Verteilung), Sprache: Deutsch, Abstract: Das Europäische Währungssystem (EWS) wurde seit dem Herbst 1992 von der schwersten und weitreichendsten Devisenmarktkrise seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems vor zwanzig Jahren heimge-sucht. In Europa gerieten insgesamt sieben Währungen im EWS-Wechselkursmechanismus unter starken Druck. Die spanische Peseta, der portugiesische Escudo und das irische Pfund wurden im Verlauf der Krise teils mehrfach abgewertet. Das britische Pfund und die italienische Lira traten im September 1992 aus dem Wechselkursmechanismus aus. Der französische Franc, die dänische Krone und der belgische Franc konnten der Abwertung bzw. dem Übergang zu frei schwankenden Wechselkursen ent-gehen. In der vorliegenden Arbeit soll analysiert werden, wie es zu dieser Krise gekommen ist und welche Schlußfolgerungen für eine Verhinderung zukünftiger Krisen im EWS in Betracht zu ziehen sind. Die Gründe für die Devisenmarktturbulenzen waren allerdings vielfältig, so daß eine saubere Trennung und Bewertung der einzelnen ökonomischen wie auch politischen Einflußfaktoren problematisch erscheint. Der Untersuchungszeitraum für die Krise geht von Juni 1992 bis Ende Juli 1993. Die jüngste Krise im EWS, die mit dem Beschluß der Zentralbankpräsidenten vom 2. August 1993, erwei-terte Bandbreiten von +/-15% einzuführen, endete, soll nur unter dem Gesichtspunkt der Diskussion um die Bandbreiten (Abschnitt 4.1.) einbezogen werden. Den Schwerpunkt der Untersuchung bilden die Länder Deutschland und Frankreich sowie die Austrittsländer aus dem Wechselkursmechanismus, Großbritannien und Italien. Kleinere EWS-Länder, dem EWS angeschlossene Länder und außereuropäische Länder, wie USA und Japan, werden nur bei signifikanter Einflußnahme auf die Entwicklung innerhalb der vier größten EWS-Länder berücksichtigt. Der Vertrag von Maastricht zur Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) geht nur insoweit in die Diskussion ein, wie er einen Erklärungsbeitrag für die EWS-Krise leisten kann und wird deshalb nur kurz dargestellt.

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Leseprobe

2.     Das Europäische Währungssystem (EWS)


Als Vorläufer des EWS existierte von 1972-1979 der Europäische Wechselkursverbund "Schlange", ein Fest-kurssystem mit Stufenflexbilität und einer Band-breitenregelung. Die Teilnehmerländer bestimmten ihre Leitkurse in nationaler Währung gegenüber einer künstlichen Währungseinheit, der Europäischen Währungsrechnungseinheit (EWRE), deren Wert in Gold definiert war.[3]

 

Die Stufenflexibilität ließ es zu, die einmal fest-gelegten Leitkurse den unterschiedlichen Wirt-schaftsentwicklungen der einzelnen Länder in gegen-seitigem Einvernehmen neu anzupassen.[4]

 

Die Schwankungsbreite zwischen den EG-Währungen wurde auf +/-2,25% festgelegt, mit dem Ziel, zu einer schrittweisen Verringerung der Kursschwan-kungen zu gelangen.[5]

 

Die Bewegungen des gemeinschaftlichen Kursbandes - der sogenannten "Schlange" - wurden bis Anfang März 1973 von den An- und Verkaufslimiten für den Dollar - dem sogenannten "Tunnel" - begrenzt, wobei durch Interventionen in Mitgliedswährungen sichergestellt wurde, daß höchstens die Hälfte des 4,5 Prozent-punkte breiten Tunnels ausgefüllt war ("Schlange im Tunnel").[6]

 

Als im März 1973 unter dem Druck spekulativer Kapitalzuflüsse aus den USA die Stützung der Dollarkurse eingestellt wurde, beschlossen sechs der damals neun Gemeinschaftsländer, das bestehende innergemeinschaftliche Wechselkurssystem als Grup-penfloating gegenüber dem Dollar und Drittwährungen im Prinzip unverändert aufrechtzuerhalten. Die "Schlange" bestand weiterhin, während der Dollar-tunnel entfiel, der bis dahin ihre Bewegungen einge-schränkt hatte.

 

Wegen der mangelnden Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken konnten die zwischen den Teil-nehmern der "Schlange" vereinbarten Wechselkurse nicht auf Dauer beibehalten werden, wodurch es ins-besondere 1977 zu mehrfachen Neufestsetzungen der Wechselkurse kam.[7]

 

Der häufige Wechsel und am Ende die Austritte der Mitglieder bis auf fünf Teilnehmer - wichtige Gemeinschaftsländer wie Frankreich, Großbritannien und Italien waren nicht mehr vertreten - bildete ebenfalls ein Problem.[8] Um der zunehmenden Gefahr einer Desintegration zu begegnen, wurde daher die in den Jahren 1977 und 1978 eingetretene konjunkturelle Stabilisierung in der EG zum Anlaß genommen, ein auf die gesamte Gemeinschaft anwendbares Konzept zur währungs- und insbesondere wechselkurspolitischen Zusammenarbeit zu entwickeln.[9] Diese Bemühungen führten aufgrund einer deutsch-französischen Gemeinschaftsinitiative, wovon die Deutsche Bundesbank wie auch das Wirtschaftsministerium nichts wissen durften[10], zur Schaffung des EWS, das am 13. März 1979 in Kraft trat.[11] Zielsetzung des EWS ist es, durch ein höheres Maß an Währungsstabilität den innergemeinschaftlichen Han-del zu fördern und positive Wachstumseffekte zu schaffen sowie einen größeren Schutz gegen destabilisierende Einflüsse aus dem Dollarraum zu bieten und die Konvergenz der wirtschaftlichen Entwicklung zu verbessern.[12]

 

2.1.   Die Europäische Währungseinheit ECU


 


Die ECU (European Currency Unit) ist ein künstlich geschaffenes Reserve- und Transaktionsmedium, das innerhalb der EG als Bezugsgröße für die Wechsel-kurse der EWS-Währungen, Indikator für Wechsel-kursabweichungen, Rechengröße für Forderungen und Verbindlichkeiten im EWS und als Zahlungsmittel und Reserveinstrument der EG-Zentralbanken dient.[13]

 

Der Wert der ECU wird auf Basis eines Währungskorbes errechnet, der die 12 Währungen der EG-Mitglieds-länder in fest vorgegebenen Beträgen enthält.[14]

 

Die Korbanteile der einzelnen Währungen orientieren sich nach drei Kriterien, die unterschiedlich stark gewichtet werden:[15]

 

1. Anteil am Intra-EG-Handel (Gewicht 37,5 %)

2. Anteil am Bruttosozialprodukt der EG (37,5 %)

3. Quoten an den Beistandsmechanismen des EWS

 

   (25 %).

 

Der Währungskorb wird alle fünf Jahre überprüft, wobei jeder Veränderung in den Anteilen alle Mitgliedsländer zustimmen müssen. Außerdem kann ein Mitgliedsland einen Antrag auf Überprüfung der Korb-zusammensetzung stellen, falls sich das Gewicht einer Währung um 25 % verändert hat (Tab. 1).[16]

 

Sobald der Vertrag von Maastricht ratifiziert ist, wird auch die Zusammensetzung der ECU als Korb-währung eingefroren. Dies bedeutet, daß die natio-nalen Währungsbeträge des ECU-Korbes, die seit der letzten Revision im September 1989 gültig sind, zukünftig nicht mehr verändert werden.[17]

 

2.2.   Das Wechselkursregime (ERM)


 


Die am Wechselkursmechanismus ("Exchange Rate Mecha-nism" ERM) teilnehmenden Länder erklären durch ihre Zentralbanken mit Zustimmung der Partner einen Leitkurs ihrer Währung gegenüber der ECU (Tab. 1).[18]

 

Die ECU-Leitkurse dienen der Festlegung eines Gitters bilateraler Leitkurse (parity grid), indem man die ECU-bezogenen Leitkurse zueinander in Bezie-hung setzt (Tab. 3 und 2).[19]

 

Der Marktkurs einer EWS-Währung darf nur innerhalb einer Bandbreite von +/-2,25 % um die bilateralen Leitkurse schwanken.[20] Ausnahmen bilden zur Zeit Portugal und Spanien, deren Schwankungsbreite jeweils auf +/-6% vergrößert ist (Tab. 3).[21]

 

Die obligatorischen Interventionskurse werden durch Anwendung der maximalen Schwankungsbreite +/-2,25% bzw. +/-6% auf die einzelnen bilateralen Leitkurse errechnet.[22] Bei Erreichen der Interventionskurse besteht die Pflicht zur mengenmäßig unbegrenzten Intervention in den Währungen der teilnehmenden EG-Zentralbanken ("obligatorische Interventionen"; vgl. Abschnitt 2.3.).[23]

 

Das auf dem Gitter bilateraler Leitkurse und Inter-ventionspunkte basierende Wechselkurssystem wird durch einen Abweichungsindikator ergänzt, der schon innerhalb der Bandbreiten anzeigen soll, ob sich eine Währung deutlich anders als die übrigen Währungen entwickelt. Dieser soll beim Überschreiten der sog. Abweichungsschwelle die Notwendigkeit einer Überprüfung der Wirtschaftspolitik des betreffenden Landes signalisieren.[24] Die Abweichungsschwelle beträgt grundsätzlich 75 % der maximalen zulässigen Abweichung des ECU-Tageswertes einer Währung vom ECU-Leitkurs.[25]

 

Die höchstmögliche Abweichung des ECU-Tageswertes vom ECU-Leitkurs einer Währung wäre erreicht, wenn sie gleichzeitig gegenüber allen Korbwährungen an den oberen bzw. unteren Interventionspunkt stoßen würde. Der Abweichungsindikator nähme in diesem Fall den Wert +100% bzw. -100% an.[26] Hat der Indikator einer Währung die Abweichungsschwelle erreicht, sind von dem betreffenden Teilnehmer am EWS folgende Maßnahmen in Betracht zu ziehen:[27]

 

- diversifizierte Interventionen

 

- interne währungspolitische Maßnahmen

 

  (z.B. Änderungen des Diskontsatzes)

 

- Änderungen der Leitkurse (Realignments)

 

- andere wirtschaftspolitische Maßnahmen (etwa im

 

  Bereich der Fiskalpolitik)

 

Werden keine dieser Maßnahmen in Betracht gezogen, sind den anderen Teilnehmern die Gründe hierfür im Rahmen der täglich stattfindenden Konzertation zwischen den Notenbanken mitzuteilen.[28] Daß der Abweichungsindikator nur selten als eine Auffor-derung zu wirtschafts- und währungspolitischen Gegenmaßnahmen gesehen wurde, liegt zumindest an zwei Eigenschaften:

 

Erstens zeigt er das Ausscheren einer Währung aus der Kursentwicklung der übrigen Währungen unabhängig davon an, ob dies positiv oder negativ zu bewerten ist. Wird z.B. in der gesamten Gemeinschaft eine Inflationspolitik betrieben, von der sich ein Land durch eine konsequente Preisniveaustabilisierung ausschließt, dann ist es sehr wahrscheinlich, daß die Währung dieses Landes die Abweichungsschwelle überschreitet.[29]

 

Zweitens reichen Abweichungsindikator und Abwei-chungsschwelle nicht aus, um "Spannungen" im System in jedem Fall festzustellen. Besteht z.B. hinsichtlich der internen Wirtschaftsentwicklung zwischen einem Länderblock I und einem Länderblock II des EWS ein erheblicher Unterschied, während gleichzeitig die Wirtschaftsentwicklung innerhalb einer...

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