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Die Kunst des Vertrauens

Liars and Outliers - Deutsche Ausgabe

AutorBruce Schneier
Verlagmitp Verlags GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl464 Seiten
ISBN9783826692673
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR

Die Kunst des Vertrauens
Die Kunst des Vertrauens

In unzähligen Artikeln, in Aufsätzen, in wissenschaftlichen Abhandlungen, in Vorträgen auf den einschlägigen Fachveranstaltungen (auch im deutschsprachigen Raum), in TV-Auftritten und nicht zuletzt in Büchern, die zusammen auf eine Auflage von mehr als 400.000 Exemplaren kommen, befasst sich der renommierte Sicherheitsspezialist Bruce Schneier nicht nur mit der technischen, sondern zunehmend auch mit der menschlichen Seite der (IT-)Security. Sein Blog und sein monatlicher Newsletter unter www.schneier.com erreichen über 250.000 Leser weltweit.

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Leseprobe

Kapitel 2: Eine Naturgeschichte der Sicherheit


Unsere Erforschung des Vertrauens beginnt und endet mit der Frage nach der Sicherheit, denn Sicherheit ist das, was man braucht, wenn man kein Vertrauen hat, und über die Sicherheit führen wir letztlich Vertrauen in der Gesellschaft herbei – wie wir noch sehen werden. Sicherheit senkt das Risiko auf ein erträgliches Maß und ermöglicht es, die verbleibenden Lücken mit Vertrauen zu füllen.

Wir können viel über Sicherheit erfahren, wenn wir uns in der Natur umsehen.

  • Löwen versuchen, ihr Territorium zu schützen, indem sie ihre Stimmen zu einem „[*]territorialen Chor” erheben. Ihr Zusammenwirken dabei verringert das Risiko, dass andere Raubtiere auf der Suche nach Nahrung in ihr Gebiet eindringen.

  • Wenn die [*]Raupen des Tabakschwärmers eine bestimmte Sorte des Wüstenbeifuß anzufressen beginnen, reagiert die Pflanze mit dem Ausstoß von Molekülen, die in der Umgebung wachsende wilde Tabakpflanzen warnen, dass die Raupen in der Nähe sind. Die Tabakpflanzen reagieren darauf mit der Absonderung chemischer Stoffe, die für die Raupen abstoßend wirken – zum Vorteil beider Pflanzen.

  • Einige [*]Plasmidtypen sondern ein Gift ab, das Bakterien tötet, die sie tragen. Zum Glück für die Bakterien sondern die Plasmide auch ein Gegengift ab, und solange beide Substanzen abgesondert werden, überlebt das Wirtsbakterium. Stirbt das Plasmid, zerfällt das Gegengift schneller als das Gift, und das Bakterium stirbt ebenfalls. Dieser Mechanismus ist für die Plasmide eine Art Versicherung, dass die Bakterien nicht die Fähigkeit entwickeln, sie zu töten.

Als sich vor 3,8 Milliarden Jahren auf unserem Planeten Leben zu entwickeln begann, bestand die einzige Aufgabe der Organismen darin, sich zu vermehren. Das bedeutete Wachstum, und Wachstum erfordert Energie. Die verfügbaren Quellen waren [*]Hitze und Licht – die Photosynthese trat vor drei Milliarden Jahren in Erscheinung; die Chemosynthese ist mindestens eine halbe Milliarde Jahre älter – aber es führte auch zum Erfolg, wenn man sich die anderen Lebewesen einverleibte, die im Urmeer herumschwammen. So entwickelte sich die Räuber-Beute-Beziehung.

Wir wissen nicht, wie [*]das erste Raubtier ausgesehen hat, aber wahrscheinlich war es ein einfacher Meeresorganismus, der irgendwann vor 500 oder 550 Millionen Jahren auf den Geschmack kam. Anfangs hatte eine Art kaum eine andere Möglichkeit, sich gegen das Aufgefressenwerden zu wehren, als in so großer Zahl durch das Urmeer zu schwimmen, dass immer genug Exemplare übrig blieben, um die Art zu erhalten, und der stetige Schwund nicht zum Problem wurde. Aber dann erkannte die Natur, dass man vielleicht vermeiden könnte, aufgefressen zu werden: Es wurden Verteidigungsstrategien entwickelt. Die Raubtiere zogen nach und entwickelten ihre Fähigkeiten weiter, Beute zu fangen und zu fressen.

Damit war die Sicherheit geboren und wurde zur viertältesten Aktivität auf dem Planeten – nach dem Essen, Eliminieren und Reproduzieren.

Zugegeben, das ist eine grobe Vereinfachung, für die man mich aus jedem Seminar zur evolutionären Biologie hinauswerfen würde. Wenn man über Evolution und natürliche Selektion redet, sagt es sich leicht, dass Organismen bewusste Entscheidungen über ihre genetische Zukunft treffen. Das tun sie natürlich nicht. Der Evolutionsprozess hat nichts Zielbewusstes oder gar Teleologisches an sich, und deshalb sollte ich ihn auch nicht vermenschlichen. Arten können nichts erkennen. Sie entdecken auch nichts. Sie beschließen weder, sich weiterzuentwickeln, noch probieren sie genetische Optionen aus. Man ist stets versucht, die Evolution so darzustellen, als würde eine von außen einwirkende Intelligenz die Fäden ziehen. Wir sagen „Der prähistorische Lungenfisch lernte als erstes Lebewesen, Luft zu atmen” oder „Der Monarchfalter lernte, Gifte in seinem Körper zu speichern, damit er für seine natürlichen Feinde unangenehm schmeckte”, aber so ist es ja nicht. Zufällige Mutationen stellen das Material zur Verfügung, auf das selektierende Faktoren einwirken. Im Verlaufe dieses Prozesses entfernen sich die Individuen einer Art ganz langsam von den Eigenschaften ihrer Vorfahren und „probieren” gewissermaßen auf diese Weise neue Eigenschaften aus. Die Innovationen, die sich als nützlich herausstellen – etwa die Luftatmung –, verschaffen den Individuen einen Wettbewerbsvorteil und werden möglicherweise auf die Art weitervererbt (auch dieser Prozess hat noch einen hohen Zufallsanteil). Eigenschaften, die sich als unvorteilhaft erweisen – die überwiegende Mehrheit –, führen dazu, dass das Individuum stirbt oder Nachteile hinnehmen muss, und sterben aus.

Mit „nützlich” meine ich etwas sehr Spezifisches, nämlich die Steigerung der Fähigkeit des Individuums, lange genug zu überleben, um seine Gene erfolgreich an weitere Generationen weitergeben zu können. Oder, um die Sichtweise von Richard Dawkins in seinem Buch [*]Das egoistische Gen aufzugreifen: Gene, die ihrem Wirt – oder anderen Individuen mit diesen Gen – dazu verhalfen, sich erfolgreich zu vermehren, kamen tendenziell in den Populationen in größerer Zahl vor.

Wenn wir eine Lebensform entwerfen würden, wie es etwa in einem Computerspiel möglich wäre, würden wir versuchen herauszufinden, welche Sicherheitsmerkmale es benötigen würde, und es mit den entsprechenden Eigenschaften ausstatten. Die echten Arten müssen auf diesen Luxus verzichten. Stattdessen sind sie darauf angewiesen, zufällig auftretende neue Eigenschaften auszuprobieren. Es ist also kein externer Designer am Werk, der die Eigenschaften der Arten je nach ihren Bedürfnissen optimiert, sondern die Evolution geht die Reihen der Lösungen ab und hält bei der ersten Lösung inne, die funktioniert – auch wenn es gerade mal nur eben reicht. Dann klettert sie an der Tauglichkeitsskala hinauf, bis sie das lokale Optimum erreicht. Auf diese Weise entwickeln sich viele [*]merkwürdige Sicherheitskonzepte.

Da wären Zähne, Klauen, Gruppen aufspaltendes Verhalten, vorgetäuschte Verletzung und sich tot stellen, im Rudel jagen, sich in Gruppen verteidigen (Herdenbildung), Wachen aufstellen, einen Bau graben, fliegen, Mimikry der Räubers und der Beute, Alarmrufe, Panzer, Intelligenz, giftige Ausdünstungen, Werkzeuggebrauch (offensiv wie defensiv),[1] Planung (ebenfalls offensiv und defensiv) und vieles andere mehr.[2] Und das betrifft nur die größeren Tiere. Von den Sicherheitsstrategien der Insekten – oder der Pflanzen oder Mikroben – haben wir noch gar nicht gesprochen.

Überzeugende Argumente sprechen dafür, dass einer der Gründe für die Entwicklung der sexuellen Fortpflanzung vor 1,2 Milliarden Jahren der [*]Schutz vor biologischen Parasiten war. Die Argumentation ist raffiniert. Parasiten vermehren sich so schnell, dass sie jede Verteidigungsstrategie eines Wirtes aushebeln können. Der besondere Wert der Neukombinierung der DNA, ein wesentliches Merkmal der sexuellen Fortpflanzung, ist die ständige Neustrukturierung der Verteidigungsmechanismen einer Art, die dazu führt, dass die Parasiten nicht die Oberhand gewinnen können. Aus diesem Grund ist die Überlebenswahrscheinlichkeit für Arten mit sexueller Fortpflanzung höher als bei Arten, die sich asexuell klonen – auch wenn eine solche Art doppelt so viele Gene an die Nachkommen weitergibt, als es bei der sexuellen Fortpflanzung möglich ist.

Das Leben entwickelte zwei weitere Methoden, sich gegen Parasiten zu verteidigen. Eine ist schnelles Wachstum und Teilung, was man sowohl bei Bakterien als auch bei befruchteten Säugetierembryos beobachten kann. Die andere ist das Immunsystem. Aus Sicht der Evolution ist dies eine relativ neue Entwicklung, die zuerst bei [*]Knorpelfischen vor etwa 300 Millionen Jahren vorkam.[3]

Eine überraschende Anzahl evolutionärer Anpassungen betreffen die Sicherheit. Denken Sie nur an das Sehen. Die meisten Tiere können Bewegungen besser erkennen als Einzelheiten ruhender Objekte. Man nennt das die [*]Orientierungsreaktion.[4] Das liegt daran, dass sich bewegende Gegenstände angreifende Raubtiere sein könnten oder aber Beute, die angegriffen werden muss. Der menschliche Sehapparat ist [*]besonders gut darin, Tiere zu erkennen.[5] Die einzigartige Fähigkeit des Menschen, Gegenstände [*]über größere Entfernungen zu werfen, ist ebenfalls eine Sicherheitsentwicklung. Damit im Zusammenhang steht die [*]Größen-Gewichts-Täuschung (auch Charpentiersche Täuschung genannt): die Illusion, dass leichter zu werfende Steine leichter empfunden werden als sie sind. Dies hängt mit unserer Fähigkeit zusammen, gute Wurfgeschosse zu wählen. [*]Ähnliche Geschichten ließen sich zu vielen menschlichen Eigenschaften erzählen.[6]

Die Räuber-Beute-Beziehung ist nicht der einzige Druckmechanismus, der die Evolution antreibt. Als erst einmal der Wettbewerb um die Ressourcen entfacht war, mussten die Organismen Sicherheitsmaßnahmen entwickeln, um ihre eigenen Ressourcen schützen und die der anderen angreifen zu können. Ob das Pflanzen sind, die um das Sonnenlicht konkurrieren, Raubtiere, die sich ihre Jagdgebiete streitig machen, oder Tiere, die um potenzielle Partner buhlen: Die Organismen mussten sich vor der Konkurrenz aus der eigenen Art...

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