Essay aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Osteuropa, Humboldt-Universität zu Berlin (Seminar für Ästhetik), Veranstaltung: Einführungskurs: Integrale Ästhetik, 5 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Egal ob im kleinsten Dorf oder der modernsten Großstadt, im Balkanstaat
treffen sich die Menschen jeden Abend nach getaner Arbeit am Esstisch der
heimischen Küche wieder.
Die Bulgaren erlegen dem Essen einen hohen Stellenwert auf, weshalb
nicht etwa der Fernseher im Wohnzimmer den Anziehungspunkt darstellt, von
dem jedes Familienmitglied scheinbar magisch angelockt wird. Vielmehr ist es
die einmalige Kombination wohlbekannter Aromen, schillernde Farben und
einmalige Geschmäcke, die aus der Küche strömend diese einzigartige
Attraktivität ausüben und aus einem Haus mit abblätterndem Putz, rostigen
Fenstergittern und eimergroßen Löchern im Dach einen Palast, und vor allem
ein Heim, machen.
Das Frühstück hat, wie auch in vielen anderen südeuropäischen
Ländern, keine allzu große Bedeutung. Es ist größtenteils recht dürftig. Für
viele bedeutet Frühstück ohnehin nur die flüchtige Aufnahme eines Espressos
und einer, erfahrungsgemäß aber meistens mehrerer Zigaretten.
Ansonsten nimmt auch das Mittagsessen, besonders in der
sommerlich-heißen Mittagssonne, nicht sehr viel Zeit und Aufmerksamkeit in
Anspruch. Der Tag wird von Schule und Arbeit bestimmt und Familie und
Freunde sind getrennt. Daher versammelt sich nun die gesamte Familie mit
der Abenddämmerung um den Tisch herum, wo sie nicht etwa die nächsten
15 Minuten, sondern die folgenden Stunden verbringt. Grundsätzlich spielt im Leben der Bulgaren Essen und Trinken eine zentrale
Rolle. Auch außer Haus, in den zahlreichen Restaurants wird gerne und lange
gespeist und mindestens auch soviel geredet. Die vielen Cafés, Konditoreien,
den Sladkarnicas, Gaststätten und die volkstümlichen Lokale Han?e und
Mehana in den Straßen sind dicht an dicht gedrängt und trotzdem immer so
voll, dass man sich fragen könnte, wann die Menschen die Zeit dazu finden,
zur Arbeit zu gehen. Ein bulgarischer Abend zu hause beginnt stets einige Stunden vor dem
tatsächlichen Akt des Essens mit der Zubereitung der Speisen, da sich
Fertigprodukte, geschweige denn Fertiggerichte, glücklicherweise noch immer
nicht durchsetzen können. Immerhin würde es der Oma das Herz brechen,
eine andere Erdbeermarmelade als die Eigene oder ein anderen
Tomatenketchup als den Hausgemachten zu benutzen und vielleicht auch
noch Geld dafür zu bezahlen, nachdem sie sich die Finger wund und den
Rücken kaputt geschuftet hat nur um den Lieben die leckeren Köstlichkeiten
bieten zu können.
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