(zusammengestellt aus: Gösswald 1985: 13-25; Kirchner 2001: 9-15; Schwenke 1985: 711; Hölldobler 1995: 1-14; Seifert 1996: 9, 10)
Ameisen gehören zur Gruppe der Insekten, die in ihrer Artenzahl alle anderen Tiergruppen um ein vielfaches überschreiten. Während es beispielsweise weltweit ca. 8500 Vogelarten und 5500 Säugetierarten gibt, so ist eine Zahl von 1 Million Insektenarten ungleich größer. Ca. 10 000 davon sind Ameisenarten, von denen etwa 100 Arten in Mitteleuropa auftreten. Umgerechnet sind also 1% der Insektenarten Ameisen und nur 1% dieser Ameisenarten kommt in Mitteleuropa vor. Wenn man sich näher mit den Ameisen beschäftigt, so wird einem schnell klar, dass ihr primärer Lebensraum in den Tropen zu finden ist.
Wenn man diese Auflistung näher betrachtet, so scheinen die Ameisen zunächst gar nicht so stark vertreten zu sein, was jedoch nur in Bezug auf die Artenanzahl gilt. Man darf sich hiervon nicht täuschen lassen, denn was unter ökologischen Gesichtspunkten viel mehr ins Gewicht fällt ist die Zahl der Individuen. In dieser Hinsicht stehen die Ameisen ganz oben, da es nicht nur außergewöhnlich viele Ameisennester gibt, sondern in diesen Nestern auch gleichzeitig Tausende und manchmal sogar Millionen Tiere. Die Ursache hierfür ist, dass alle Ameisenarten staatenbildend sind, was sie in Kombination mit der hohen Nestanzahl nahezu allgegenwärtig macht. Die soziale Lebensweise teilen sie beispielsweise mit einigen Wespen- und Bienenarten ebenso wie mit den Termiten der tropisch geprägten Länder. Im Unterschied zu den Bienen und Wespen jedoch sind sie weitaus zahlreicher vertreten, da auf einen Wespen- oder Bienenstaat Tausende Ameisenstaaten kommen. Dieses auch als eusozial bezeichnete Staatenleben findet man außer bei den Menschen nur noch bei den staatenbildenden Insekten, was in vielerlei Hinsicht mehr als erstaunlich ist. Über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Menschen- und Insektenstaaten ist viel nachgedacht worden, worauf ich später noch genauer eingehen werde.
Ihre äußerst effektive Lebensweise und Anpassungsfähigkeit haben die Ameisen zur erfolgreichsten Gruppe aller Insekten gemacht, sie sind von den tropischen Urwäldern bis zum Polarkreis und selbst in den Wüsten vertreten.
(zusammengestellt aus: Gösswald 1985: 13-25; Kirchner 2001: 13-15; Schwenke 1985: 811; Hölldobler 1995: 1-25; Seifert 1996: 24-29)
Wenn man in der freien Natur Ameisen begegnet, dann sind dies in der Regel Arbeiterinnen, die die große Masse einer Ameisenkolonie ausmachen. Generell kann man diese Tiere als sterile Töchter einer oder mehrerer eierlegender Königinnen betrachten. Der Ameisenstaat ist also wie auch der Bienenstaat eine Mutterfamilie, die Männchen haben nicht Teil an der Gemeinschaft des Volkes. Ameisenvölker können über verschiedene Anzahlen von fruchtbaren Weibchen verfügen, man unterscheidet hierbei zwischen Monogynie, Oligynie und Polygynie. Monogyne Völker, z.B. der Schwarzgrauen Wegameise Lasius niger, verfügen über eine einzelne Königin, oligyne Völker wie z.B. die der Rossameise Camponotus ligniperda bekommen ihren Nachwuchs durch einige wenige Königinnen. Bei polygynen Ameisenarten, wie beispielsweise der Kahlrückigen Waldameise Formicapolyctena, können gar einige hundert bis einige tausend Königinnen für die Eiablage zuständig sein. Die fruchtbaren weiblichen Tiere erfüllen also für den Staat eine wichtige Rolle, die den Fortbestand der Kolonie sichert. Aus diesem Grund findet man die Königin(-nen) nur sehr selten, z.B. beim Wechsel der Nestortes, außerhalb des Nestes.
Ameisenkolonien bestehen also aus einer oder mehreren eierlegenden Königinnen und einer schwankenden Zahl an Arbeiterinnen. Neben diesen Individuen findet man in Mitteleuropa zu den Schwärmzeiten zusätzlich unterschiedliche Anzahlen an männlichen und weiblichen geflügelten Geschlechtstieren. Diese verlassen während der artspezifischen Schwärmzeit das Nest, um sich im Hochzeitsflug zu paaren und neue Völker zu gründen. Weiterhin findet man in Ameisennestern verschiedene Jugendstadien der Ameisen, die in Form von Eiern, Larven und Puppen vorliegen. Diese werden als sog. Brut bezeichnet und sind z.B. bei den Waldameisen während der Aktivitätsperiode vom Frühjahr bis Herbst zu finden. Bei den Weg- und Knotenameisen können sie auch zusammen mit dem Staat überwintern. Zusammenfassend findet man also in Ameisenstaaten permanent eine oder mehrere begattete, eierlegende Königinnen, verschiedene Anzahlen von unfruchtbaren Arbeiterinnen und periodisch männliche und weibliche geflügelte Geschlechtstiere sowie Eier, Larven und Puppen.
In Bezug auf die Größe von Ameisenvölkern herrscht eine große Vielfalt, manche Staaten sind so klein, dass man sie kaum als solche bezeichnen kann. Die Völker der Schmalbrustameisen beispielsweise bestehen aus nicht mehr als 200 Individuen. Die Mehrheit der mitteleuropäischen Ameisenarten bilden Völker, die nicht selten aus einigen tausend Ameisen bestehen. Es treten jedoch auch wesentlich größere Volksstärken mit 10 000 bis 100 000 Individuen auf, wie z.B. bei verschiedenen Waldameisenarten (vgl. Kirchner 2001: 14).
(zusammengestellt aus: Gösswald 1985: 25-29; Kirchner 2001: 11, 12; Schwenke 1985: 811; Hölldobler 1995: 1-14)
Unter den Ameisen existiert keine Art, die noch nicht ein vollständig ausgebildetes Staatenleben entwickelt hat. Es fehlt also an Vorstufen, die Hinweise auf die Evolution dieser hoch entwickelten Lebensgemeinschaften geben könnten. Um ihre evolutionäre Entwicklung dennoch nachvollziehen zu können, hilft ein Blick auf ihre Stellung im Reich der Insekten (Abb. 1).
Abbildung 1: Stellung der Ameisen im Reich der Insekten (aus: Gösswald 1985: 25)
Es gibt Ameisenfunde in fossilem Harz aus der Kreidezeit, die beweisen, dass Ameisen in ihrer jetzigen Form bereits vor 135 Millionen Jahren existiert haben. Die Insektenstaaten sind unabhängig voneinander in verschiedenen Zweigen des Insektenreiches entstanden. Am ältesten sind hierbei die Termiten. Sie werden oft fälschlicherweise wegen ihrer weißen Färbung als „Weiße Ameisen“ bezeichnet, aber sowohl ihre Verwandtschaft als auch ihre Lebensweise ist sehr verschieden. Ameisen haben sich erst viel später entwickelt und gehören zoologisch gesehen zu den Hautflüglern (Hymenoptera), zu dieser Insektenordnung gehören auch die Bienen, Wespen und Hummeln.
(zusammengestellt aus: Gösswald 1985: 26-30; Kirchner 2001: 16-24; Schwenke 1985: 1116; http://www.ameisenhaltung.de/ameisen/anatomie/: 10.09.2005; Paul 2001: 79-87; Seifert 1996: 10-17)
Abbildung 2:Dorsalansicht einer Ameise (aus: http://www.ameisenhaltung.de/ameisen/anatomie/: 10.09.2005)
Ameisen gehören, wie bereits erwähnt, zu den Insekten (insectus = eingeschnitten), was darauf hindeutet, dass der Körper in eine Anzahl ringförmiger Abschnitte, die sog. Segmente, unterteilt ist (Abb. 2). Diese werden in die drei großen Körperteile Kopf, Brust (Thorax) und Hinterleib (Gaster) unterteilt (vgl. Seifert 1996: 10).
Während der Kopf aus mehreren Körperringen nahezu nahtlos verschmolzen ist, sind die Brustabschnitte deutlich unterscheidbar. Die Brust der Ameisen trägt drei Beinpaare, weshalb die Insekten auch als „Sechsbeiner“ (Hexapoda) bezeichnet werden. Sie unterscheiden sich darin beispielsweise von den Spinnen, die 8 Beine besitzen und daher auch nicht den Insekten zugeordnet werden. Der Hinterleib ist mit der Brust durch eine stielförmige Brücke verbunden (Petiolus), die bei der verwandtschaftlichen Gruppierung eine besondere Rolle spielt.
Um innerhalb der Familie der Ameisen zwischen verschiedenen Verwandtschaftsgruppen zu unterscheiden, wird der Stiel zwischen Brust und Hinterleib (Petiolus) genutzt, der ursprünglich zum Abdomen gehört. Bei der überwiegenden Anzahl der heimischen Ameisenarten besteht dieser Stiel aus einem Glied. Man kann vier große Unterfamilien unter den europäischen Arten erkennen (vgl. Schwenke 1985: 15).
Abbildung 3: Umriß je einer Arbeiterin der 4 Ameisen-Unterfamilien:A Urameisen, B Drüsenameisen, C Schuppenameisen, D Knotenameisen (aus: Schwenke 1985: 15)
Die Urameisen (Ponerinae), deren Hinterleib eine auffällige Einbuchtung zwischen dem 1. und dem 2. Segment nach dem Petiolus aufweist (Abb. 3A).
Die Drüsenameisen (Dolichoderinae), dessen Hinterleib aus vier Segmenten besteht (Abb. 3B).
Die Schuppenameisen (Formicinae), deren Hinterleib aus fünf Segmenten besteht (Abb. 3C).
Die Knotenameisen (Myrmicinae), deren Stiel aus zwei Gliedern besteht (Abb. 3D).
Von diesen vier Unterfamilien sind die Ur- und die Knotenameisen stechend, während die Drüsen- und Schuppenameisen beißend sind. Diese vier Ameisen-Unterfa- milien sind in Mitteleuropa mit 2-19 Gattungen und 2- 52 Arten vertreten (Tab. 1).
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