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Die letzten Päpste

Ein theologischer Neustart für die Kirche

AutorWolfgang Bergmann
VerlagCzernin Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl136 Seiten
ISBN9783707605501
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Was hat Glaube mit Kirche zu tun? Kann ein modern denkender Mensch der katholischen Kirche mit ihren jahrtausendealten Traditionen überhaupt Vertrauen entgegenbringen? Wie lange wird es Päpste noch geben? Wolfgang Bergmann ist Katholik und 'Insider' mit einem Blick auf die großen Zusammenhänge. Er verortet die Kirche in einer 'Midlife-Crisis' und zeigt Chancen für deren Zukunft auf. In der katholischen Kirche hat sich in den letzten Jahren viel getan. Eine Revolution von außen wie von innen ist nicht mehr wegzudiskutieren. Das geistliche Oberhaupt steht im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit: Was der jetzige Papst bewusst oder unbewusst in Bewegung setzt, ist durchaus mit jener Perestroika vergleichbar, die einst Michail Gorbatschow eingeleitet hat. Beide sind sich in der Diagnose einig, dass ihre Institutionen im Innersten morsch geworden sind. Doch auch der Druck von außen, von vielen gläubigen Christen mit modernen Wertevorstellungen, wird größer. Zölibat, Wiederverheiratung Geschiedener, Frauenpriestertum und gänzlich neue Formen der Theologie: 'Die letzten Päpste' bietet einen Überblick über den Stand der Diskussion und regt mit überraschenden neuen Thesen zum Nachdenken an.

Wolfgang Bergmann, geboren 1963 in St.Pölten/NÖ, derzeit Geschäftsführer der Tageszeitung Der Standard. Bergmann studierte Theologie in Wien, war Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der Caritas, Kommunikationsdirektor der Erzdiözese Wien und Gründungsgeschäftsführer von Radio Stephansdom.

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Leseprobe

2. Benedikt – der letzte Monarch


Am 10. Februar 2013 trat das Konsistorium, der Kreis der Kardinäle, routinemäßig zusammen. Auf der Tagesordnung standen Heiligsprechungen. Es war nur ein »kleines Konsistorium«, das heißt, es wurden nur die in Rom ansässigen Kardinäle versammelt. Beim »großen« reisen sie aus aller Welt an. Dann werden häufig neue Kardinäle kreiert, wie die Ernennung durch den Papst heißt. Am Ende jener Zusammenkunft, quasi unter dem Tagesordnungspunkt Allfälliges, erklärte Papst Benedikt XVI. unangekündigt seinen Rücktritt mit Wirkung 28. Februar.

Noch deutlicher kann man nicht ausdrücken, dass das Konsistorium mit Beratung oder gar offener Diskussion schon lange nichts mehr zu tun hatte. Benedikt setzte damit einen letzten diskussionslosen, absolutistischen Akt – kennzeichnend für den Stil der Päpste seit Jahrhunderten. Er markiert damit möglicherweise das Ende eines Herrschermodells. Franziskus hat rasch nach seiner Ernennung einen permanenten Beraterkreis ernannt.

Ein Pontifikat voll Pannen fand damit einen überraschenden Abschluss, der sicher in die Geschichtsbücher eingehen wird. Kein anderer Papst der Neuzeit hat diesen Schritt gesetzt. Coelestin V. war der Einzige, der freiwillig zurückgetreten war, das war anno 1294. Jahrhunderte davor leisteten zwei Päpste Amtsverzicht, die jedoch ihr Amt bereits nicht mehr ausüben konnten. Das Konzil von Konstanz (1414–18) drängte drei Päpste zum Rücktritt, die gleichzeitig das Papstamt für sich beanspruchten. Dies ist übrigens ein Beispiel dafür, dass das Konzil über dem Papst steht, auch wenn dies in der Folge wieder päpstlich bestritten wurde und sich das I. Vatikanische Konzil dagegengestellt hat.

Kirchenrechtlich war die Möglichkeit längst vorgesehen. Auch ließ Benedikt schon davor in einem Interview wissen, es könne die Situation eintreten, in der es die Pflicht eines Papstes sei, abzudanken.29 Dass er diesen Schritt setzte, ohne, wie sein Vorgänger, in eine Phase des Siechtums geraten zu sein, war allerdings unerwartet. Dass Päpste bislang diesen Schritt scheuten, hängt mit der »sakralen Überhöhung«30 zusammen, die man dem Amt des »Stellvertreters Christi« angedeihen ließ. Johannes Paul II. wird die Aussage zugeschrieben, wonach ein Rücktritt nicht in Frage käme, weil auch Jesus nicht vom Kreuz heruntergestiegen sei.

Unmittelbar nach seiner Wahl hatte Benedikt noch formuliert: »Als er mich zum Bischof von Rom erwählt hat, wollte der Herr mich zu seinem Stellvertreter, er wollte mich zum ›Felsen‹ machen, auf den sich alle sicher stützen können.«31

In der Rücktrittserklärung nennt er in Respekt verdienender Offenheit nicht nur körperliche, sondern auch geistige Schwächen und bezeichnet seinen Job als »das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, das mir durch die Hand der Kardinäle am 19. April 2005 anvertraut wurde«. Die neue Formel »durch die Hand der Kardinäle anvertraut« nimmt vom Bild der quasi göttlichen Amtseinsetzung, das er zum Amtsantritt gezeichnet hatte, wieder Abschied. Ob gewollt oder ungewollt, das Amt wird dadurch wieder »vermenschlicht« und verliert ein wenig an Nimbus.

Benedikt begann sein Pontifikat leise, schraubte die Zahl der Auslandsreisen zurück und widmete seine erste Enzyklika dem Thema, dass Gott die Liebe ist.32 Dies nährte zunächst die Hoffnung, aus dem »Panzerkardinal«, so sein Spitzname als Chef der Glaubenskongregation, würde ein milder Papst werden. Vielleicht sogar einer, der gerade deshalb Reformen in Rom setzen kann, weil er dort als einer der ihren gilt, als einer, dessen »Rechtgläubigkeit« nach römischem Verständnis außer Zweifel steht.

Tatsächlich kam diese Enzyklika auch ohne erhobenen Zeige­finger aus. Sie zeigte aber auch gleich die inhaltliche Enge des Papstes. Das Thema Liebe wird nämlich nur anhand der Begriffe Eros und Agape als menschliche Liebe von unten (Eros) und göttliche Liebe von oben (Agape) philosophisch entwickelt. Anhand der antiken Philosophie. Dies ist charakteristisch für den Theologen Ratzinger. Er setzt bei den Kirchenvätern an, im Kontext der griechischen Philosophie, die das Christentum in den ersten vier Jahrhunderten neu buchstabierten und nimmt diese als Richtmaß für jede weitere Theologie. Ausgeblendet wird dabei, dass auch diese Theologen schon Jahrhunderte vom historischen Ereignis entfernt waren, ja vielleicht sogar weniger historische Quellen und Interpretationswerkzeuge zur Hand hatten, als heute zur Verfügung stehen. Für Benedikt wird die Begegnung mit der griechischen Philosophie trotzdem zu einem neuen Offenbarungsschritt, der die entscheidende Prägung des Christentums ausmacht.33 Aus der historischen Tatsache, dass in der Begegnung mit dem Hellenismus die erste philosophische Interpretation des Christentums erfolgte, wird im Denken Benedikts XVI. ein Vorrang dieser Denkschule vor allen anderen eingeräumt34 – ein theologisches Fundament für diese willkürliche Annahme gibt es nicht. 35 Im Sinne der römischen Schultheologie, wonach die Offenbarung mit Jesus abgeschlossen ist, stellt dies eigentlich eine kleine Irrlehre dar.

Damit wird aber sowohl der Blick auf das Urchristentum verengt, sogar verschüttet und den späteren Erkenntnissen der Wissenschaften zu wenig Bedeutung zugemessen.

Ratzinger blieb auch am Stuhl Petri ein Professor. Er fand Zeit, drei Bücher über Jesus zu schreiben, die er bewusst nicht lehramtlich formulierte, sondern als einen Beitrag der wissenschaftlichen Diskussion vorlegte. In der wichtigsten Frage verzichtete er auf die päpstliche Autorität. Auch das ist ein Endpunkt.

Die Probleme wurden schließlich übergroß. Benedikt war der erste Papst, der sich für peinliche Fehlleistungen wie die Aufhebung der Exkommunikation für einen Holocaust-Leugner sowie für seine Islampolemik in seiner Regensburger Rede öffentlich entschuldigen musste. Dass er es tat, spricht menschlich für ihn. Mit der Karfreitagsbitte für die Bekehrung der Juden sorgte er für Irritationen bei den »älteren Brüdern im Glauben«.

Intern rutsche die Vatikanbank in skandalträchtige Schlagzeilen. Die Vatikan-Leaks-Affäre, die Veröffentlichung von vertraulichen Papieren aus dem Papstbüro, sorgte für Irritationen und Misstrauen in den eigenen Reihen.

Die größte Katastrophe war aber wohl das neuerliche Aufbrechen des internationalen Missbrauchsskandals. Ein Thema, das Benedikt wie kaum ein anderer in Rom sehr genau kannte. Seit 2001 gingen nämlich alle diesbezüglichen Akten über seinen Schreibtisch. Johannes Paul II. hatte die Glaubenskongregation mit dieser heiklen Materie befasst. In diesem Wissen hätte Ratzinger von Beginn seines Pontifikats ein neues Kapitel aufschlagen müssen. Er blieb zögerlich und handelte erst, als der öffentliche Druck übergroß wurde. Aber auch hier sehr eingeschränkt: Zwar verurteilte er die Misshandlungen und zog Konsequenzen an der Basis, nicht aber in Rom.

Dabei hätte Benedikt als ehemals reformorientierter Konzilstheologe das Zeug gehabt, historische Markierungen zu setzen. Er wirkte an jenem Konzil mit, das Religions- und Gewissensfreiheit brachte und lehrte, dass die Bibel nicht als historisches Lexikon misszuverstehen sei.

Hoch waren die Erwartungen an einen Papst aus Deutschland, dem Land Martin Luthers, dass er die Versöhnung mit den Protestanten vorantreiben könnte, eben in jener erhofften Wende vom harten Glaubensschützer zum milden Pontifex. In seiner ersten Ansprache als Papst war sein Versprechen, sich für die Ökumene einzusetzen, eine der wenigen konkreten Ansagen gewesen.36 In der Folge blieb er aber ein Bremser, der die Einigung der Kirchen lediglich im Gebet zuwartend dem Wirken des Heiligen Geistes überließ, anstatt selbst im Heiligen Geist zu wirken.

Je länger das Pontifikat dauerte, desto rückwärtsgewandter wurde es. Plötzlich stand die Versöhnung mit den Traditionalisten, konkret mit der wegen der antisemitischen Äußerungen einiger ihrer Würdenträger hochproblematischen Piusbruderschaft, im Vordergrund. Obwohl er hier zu sehr weit gehenden Zugeständnissen bereit war, scheiterte er mit diesem Vorhaben. Die Wiedereinführung der vorkonziliaren Messe setzte er aber durch. Auch im Stil war er rückschrittlich. Der bis dahin schlichte, bescheidene Mann, der als Professor mit dem Fahrrad und als Kardinal mit einem Kleinwagen gefahren war, ließ plötzlich wieder die edelsteinbesetzten Mitren auspacken, die seine Vorgänger schon weggeräumt hatten. Der Widerspruch, in diesem Erscheinungsbild das Armutsgefälle der Welt zu bedauern, fiel dem ehemals sensiblen und intellektuellen Theologen nicht mehr auf. Dass das Hermelin das Gegenteil von dem verkörpert, was Jesus wollte, auch nicht.

Die absolutistische Macht, die Benedikt verkörperte, hatten die Päpste nicht immer. Schon gar nicht der Apostel Petrus, auf den sich die Päpste berufen. Ein besonderer Vorrang der Kirche Roms ist für die ersten Jahrhunderte nicht nachweisbar. Schritt für Schritt wurde dieser erarbeitet. Auch Fälschungen, wie die sogenannte Konstantinische Schenkung, wurden produziert, um den eigenen Machtanspruch zu zementieren.

Im Mittelalter stand allerdings mehr die weltliche Macht im Zentrum. Als diese in der Neuzeit endgültig verloren war, wurde umso mehr die innerkirchliche zementiert. Der Papst als oberste Legislative, Exekutive und Judikative ist eine Entwicklung der Neuzeit. Gerade der starke Außenfeind in Form neuer atheistischer Ideologien dürfte das innere Zusammenrücken umso mehr befördert haben. Der oberste Jurisdiktionsprimat, ein Wortungetüm, das...

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