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E-Book

Die Liebe stirbt nie

Der lange Abschied von meinem Mann

AutorDiane Rehm
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783641215484
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
In einem sehr persönlichen und bewegenden Buch spricht Diane Rehm, die mit ihrer Radio-Show in den USA ein Star ist, über die schwere Krankheit ihres Mannes John. Sie erzählt von Gesprächen mit ihm, die getragen sind von tiefer Liebe, Vertrauen und teilweise bestürzender Offenheit.

Sein Tod schließlich ist für die Autorin eine Heldentat, denn der an Parkinson leidende John nimmt sein Leben in die Hand und beschließt zu sterben: Er weigert sich, Wasser, Nahrung und Medikamente zu sich zu nehmen.

Nach Johns Tod ist Diane Rehm auf sich gestellt. Sie ist gezwungen, unvermeidlich auftretenden praktischen und - noch wichtiger - tief emotionalen Fragen und Herausforderungen zu begegnen. Zurück im Leben beginnt sie für die Bewegung des 'Rechtes zu sterben' aktiv zu werden. Mit der tapferen Entschlossenheit, die ihr ganzes Leben charakterisiert , findet sie einen sinnvollen neuen Weg, um in der Welt etwas beizutragen.

Ihr Buch ist Hilfe und Trost für Trauernde und gibt Hoffnung, wie wir selbst uns unserer Sterblichkeit annähern können.

Diane Rehm ist durch ihre Radiosendung 'The Diane Rehm Show' seit Jahrzehnten über die USA hinaus bekannt und beliebt. Ihr Markenzeichen ist ein ruhiger Interviewstil, mit dem sie ihre Gesprächspartner einlädt, über emotional tief gehende Themen zu sprechen. Zu ihren Gesprächspartnern gehörten Prominente wie Harry Belafonte, Sidney Poitier, Barack Obama, Bill und Hillary Clinton, Madeleine Albright, Toni Morrison und Kevin Spacey.

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Leseprobe

Der Entschluss

Am 14. Januar 2014 nahm mein Mann John Rehm, damals dreiundachtzig Jahre alt, Abschied vom Leben. Die Pflegekräfte in Brighton Gardens wurden angewiesen, ihm fortan weder Me­­di­ka­mente noch Mahlzeiten oder Wasser zu geben. Er traf seine Entscheidung zu sterben nach einem langen Gespräch mit seinem Arzt Dr. Roy Fried, unserem Sohn David, unserer – per Telefon aus Boston zugeschalteten – Tochter Jennifer und mir.

John erklärte Dr. Fried, er sei bereit zu sterben angesichts der Auswirkungen seiner Parkinson-Erkrankung, die ihm den Gebrauch seiner Hände, Arme und Beine unmöglich machte, sodass er nicht mehr stehen, gehen, essen, baden oder sonst für sich sorgen könne. Die Krankheit werde fortschreiten, ihn immer hilfloser machen, und er wisse auch, dass es keine Hoffnung auf Besserung gebe. Deshalb wollte er sein Leben beenden.

Dabei hegte er ganz augenscheinlich die – falsche – Erwartung, dass man ihn nach diesem Entschluss mithilfe von Medikamenten einfach »einschlafen« lassen würde. Als Dr. Fried antwortete, dass er ihm diesen Wunsch nicht erfüllen könne, weil eine solche Maßnahme im Bundesstaat Maryland verboten sei, war John außer sich. »Ich fühle mich betrogen«, sagte er, und Tränen traten ihm in die Augen, Tränen der Wut und der Enttäuschung. Er war ein Mann, der über weite Strecken seines Lebens die Fäden selbst in der Hand gehalten hatte und davon ausgehen konnte, dass seine wohldurchdachten Entscheidungen auch ausgeführt wurden. Doch nun, nachdem er seinen ultimativen Entschluss getroffen hatte, wurde ihm dies verwehrt.

Daraufhin erklärte ihm Dr. Fried, es gäbe nur eine Alternative. Wenn John wirklich sterben wolle, müsse er aufhören zu essen, zu trinken und Medikamente einzunehmen. Anders ausgedrückt, wenn es andere schon nicht tun durften, könne er seinem Leben auf diese Weise selbst ein Ende setzen. Er hoffe allerdings, fügte Dr. Fried hinzu, dass John sich anders entscheiden werde. Doch wenn sein Entschluss feststand, würde er dies als sein Arzt respektieren.

Im November 2012 war mein Mann nach Brighton Gardens gezogen, einem Heim für »Betreutes Wohnen« in Chevy Chase, Maryland, weil er weder allein stehen und gehen und seinen Alltag nicht ohne Hilfe bewältigen konnte. Zuvor hatten wir monatelang über diesen, wie wir wussten, unvermeid­lichen Schritt diskutiert. Immer wieder hatten wir die verschiedenen Möglichkeiten durchgespielt, etwa, dass jemand bei uns einzog, um ihn rund um die Uhr zu versorgen. Wir wussten aber auch, dass sich dies nicht durchführen ließ, weil in unserer Wohnung einfach nicht genug Platz für einen ständigen Mitbewohner war.

Meistens verbrachte ich nachmittags ein paar Stunden bei John in Brighton Gardens. Besonders in der Zeit nach seinem Einzug saßen wir manchmal einfach nur schweigend da. Obwohl kein Vorwurf über seine Lippen kam, konnte ich sehen, dass John unglücklich war. Er hatte zwar ein eigenes Zimmer, lebte aber dennoch gemeinsam mit Fremden in einer Einrichtung, aß in einem großen Speisesaal Mahlzeiten, die er nicht mochte, und spürte schmerzlich den Verlust seiner Privatsphäre. Doch mit der Zeit gewann er seinen Sinn für Humor zurück, und sein Interesse am Weltgeschehen und seine Zufriedenheit erwachten, sobald ich durch die Tür kam.

Im Lauf der Jahre hatten John und ich immer wieder diskutiert, wie wir uns unseren Tod vorstellten. Und wir hatten einander versprochen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um dem anderen seine Wünsche zu erfüllen, wenn er zu stark geschwächt und sein Zustand hoffnungslos sei. Doch in diesem Augenblick war ich hilflos, unfähig, mein Versprechen zu halten. Als John auf das medizinische und juristische System schimpfte, das seinem Arzt verbot, ihm beim Sterben zu helfen, obwohl ganz klar war, dass ihn lediglich eine Verlängerung seines Elends, ein fortgesetzter Verfall und, wie er meinte, der Verlust seiner Würde erwarteten, konnte ich nichts anderes tun, als ihm zuzuhören.

Also tat John das, was ich befürchtet hatte, was seiner We­­sensart aber voll und ganz entsprach, wie ich im tiefsten Innern wusste: Er beschloss, nicht mehr zu essen, zu trinken oder Medikamente zu nehmen. Er fragte Dr. Fried, wie lange der Prozess seines Sterbens dauern würde, und erfuhr, dass es sich über zehn bis vierzehn Tage hinziehen könne. »Werde ich Schmerzen haben?«, fragte er dann. »Nein, nicht im Geringsten«, antwortete Dr. Fried. »Ich verspreche Ihnen, dafür zu sorgen, dass Sie nicht leiden müssen.«

Zwei Monate zuvor hatte sich bei John eine Krankheit gemeldet, die manche im hohen Alter als »Erlösung« ansehen. Ich befand mich zu der Zeit mit Hörern der in der Kooperative NRP zusammengeschlossenen Rundfunksender in Südamerika auf einer Kreuzfahrt. Es war ein Samstagabend im März, und ehe ich mich zu meinen Mitreisenden zum Abendessen gesellte, rief ich in Brighton Gardens an, um mich nach John zu erkundigen. Unsere Freunde David und Mary Beth Busby statteten John gerade einen Besuch ab, und Mary Beth nahm den Hörer ab. Als ich sie fragte, wie es John gehe, antwortete sie zu meinem Entsetzen: »Er ist nicht ansprechbar.« Zuerst meinte ich, mich verhört zu haben. »Was soll das heißen, Mary Beth?« »Das, was ich gesagt habe«, antwortete sie. Die beiden saßen bereits seit einer Stunde bei John, und er hatte sich nicht gerührt: Im Tiefschlaf reagierte er weder auf ihre Fragen noch auf sanftes Anstubsen. Ich bat sie, seine Stirn zu fühlen. »Heiß«, erklärte sie. Daraufhin alarmierte ich unverzüglich Dr. Fried, der eine Pflegekraft anwies, Johns Temperatur zu messen. Sie lag bei 38,5 Grad. Dr. Fried vermutete, dass es sich um eine Lungenentzündung handelte. Beunruhigt fragte ich, was jetzt geschehen solle. Der Arzt wollte Antibiotika für John kommen lassen, meinte jedoch, es könne bis zu vier Stunden dauern, ehe sie einträfen, und John würde womöglich nicht in der Lage sein, sie zu schlucken. An diesem Punkt konnte ich mich nicht mehr beherrschen. »Aber in vier Stunden ist er vielleicht nicht mehr am Leben!«, schrie ich in den Hörer. Daraufhin erklärte sich Dr. Fried bereit, zu einer Apotheke in der Nähe zu fahren und ein Antibiotikum zu besorgen, das injiziert werden könnte. Dies setzte er dann auch in die Tat um und verabreichte John noch am gleichen Abend in Brighton Gardens seine vermutlich lebensrettende Dosis des Medikaments. Es war achtzehn Uhr dreißig, und ich befand mich in Buenos Aires. Obwohl ich alle Hebel in Bewegung setzte, konnte ich zu dieser späten Stunde keinen Flug mehr bekommen, deshalb flog ich am nächsten Abend nach Miami und am Montagmorgen zurück nach Hause.

Zu diesem Zeitpunkt hatte John bereits gut auf die Medikamente reagiert und befand sich auf dem Weg der Besserung. Alle unsere Freunde und unser Sohn David hatten sich, während ich nicht da war, in dieser kritischen Phase um ihn gekümmert. Sie staunten und freuten sich über die Entwicklung der Dinge.

Leider schlich sich die Entzündung innerhalb von drei Wo­­chen nach meiner Rückkehr wieder in Johns Lunge ein. Entweder handelte es sich um Überbleibsel der ersten Infektion oder um eine neue, jedenfalls hatte er Fieber und hustete und zeigte die gleichen Symptome wie zuvor. Man verordnete ihm erneut Antibiotika, diesmal über einen längeren Zeitraum.

Nach der zweiten Lungenentzündung und einem langen, ungewöhnlich offenen und leidenschaft­lichen Gespräch mit Dr. Fried und mir erklärte John, er wünsche keine weitere Behandlung mehr, sollte er noch einmal an Lungenentzündung erkranken. Sein Zustand hatte sich eindeutig verschlechtert.

Zwei Monate später stellte man ihn unter Hospizbetreuung – dies hieß, dass ihm die Ärzte noch höchstens sechs Monate zu leben gaben. John hatte bereits den Wunsch geäußert, nicht mehr therapeutisch behandelt, sondern lediglich so weit medizinisch versorgt zu werden, dass er nicht leiden musste.

Und nun, am 14. Juni, begann er, seinen Entschluss, aus dem Leben zu scheiden, in die Tat umzusetzen. Einigen der Pflegerinnen und Pfleger in Brighton Gardens bereitete die Anweisung, ihn nicht mehr mit Speisen, Getränken und Medikamenten zu versorgen, ganz offensichtlich Schwierigkeiten; an den ersten beiden Tagen schauten sie immer wieder bei ihm herein und erkundigten sich, ob er seinen Entschluss geändert habe. John verneinte es höflich, fast schon fröhlich, nun, da er sein Leben wieder selbst in die Hand genommen hatte und das tat, was er wollte. So saß ich also an der Seite meines Mannes, während er langsam starb.

Meine Wut auf das System, das John auf dem Weg in den Tod die Hilfe verweigerte, war grenzenlos. Er war voll und ganz bei Sinnen, hatte keine Hoffnung auf Heilung und wusste sehr wohl, dass ihn nichts anderes erwartete als ein langsames Abgleiten in einen Zustand noch größerer Hilflosigkeit mit einem noch stärkeren Verlust an Würde. Wie kann es sein, dass nur wenige Bundesstaaten in den USA Sterbehilfe durch einen Arzt erlauben, der einem Todkranken die ultimative Dosis verabreicht? Warum musste sich mein Mann zu Tode hungern? Ich fragte mich aber auch, warum John bei seinem Sterben so alleingelassen wurde. Und dass uns das verwehrt wurde, was der letzte Moment der Nähe zwischen uns hätte sein können, brachte mich zum Weinen. Stattdessen blieb ihm nur ein allmäh­licher Abstieg in die Bewusstlosigkeit, ohne wahrzunehmen, dass seine Freunde und Angehörigen bei ihm waren, sich voller Liebe von ihm verabschiedeten und ihm einen fried­lichen Übergang wünschten.

Nachdem John seinen Entschluss gefasst hatte,...

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