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E-Book

Die Liebesfalle

Spielregeln für eine neue Beziehungskultur

AutorHans-Joachim Maaz
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl239 Seiten
ISBN9783406691201
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,49 EUR

Liebe, das bedeutet oft nicht nur Leidenschaft und gute Gefühle, sondern auch Verstrickung und tiefe Enttäuschung aufgrund unerfüllt bleibender Erwartungen. Die Liebesfalle schnappt immer dann zu, wenn der Partner dazu benutzt wird, erlittenes Leid abzureagieren, und die Beziehung die Folgen vorhandener Störungen verstärkt.
Der bekannte Psychiater und Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz zeigt in diesem Buch, wie man der Liebesfalle entkommt. Den Schlüssel dazu sieht er in einer gelebten Beziehungskultur, zu der etwa gehört,
 -  die eigene Befindlichkeit zu reflektieren,
 -  erst zu fühlen und dann zu handeln,
 -  sich unverstellt mitzuteilen,
 -  Mut zu klaren Ansagen und Aussagen zu haben,
 -  zuzuhören, ohne Druck auszuüben,
 -  stets verhandlungsbereit zu bleiben.
Das Buch ist voller Zuversicht: Eine lebendige Beziehung kann zur Quelle dynamischer Weiterentwicklung beider Partner werden und ihnen tiefe Befriedigung jenseits von Konsum und Erfolgsdruck verschaffen.



<p>Hans-Joachim Maaz, seit 40 Jahren praktizierender Psychiater und Psychoanalytiker, war lange Zeit Chefarzt der Klinik f&uuml;r Psychotherapie und Psychosomatik des Diakoniekrankenhauses Halle. Bei C.H.Beck erschienen von ihm zuletzt <em>Der Gef&uuml;hlsstau. Psychogramm einer Gesellschaft </em>(2014), <em>Die narzisstische Gesellschaft. Ein Psychogramm </em>(2013) und <em>Hilfe! Psychotherapie. Wie sie funktioniert und was sie leistet </em>(2014, unter Mitarbeit von Ulrike Gedeon-Maaz).</p>

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Leseprobe

III. «MÜTTERLICHKEIT» UND «VÄTERLICHKEIT» ALS PRÄGENDE BEZIEHUNGSERFAHRUNGEN


Unter den Begriffen «Mütterlichkeit» und «Väterlichkeit» fasse ich zentrale Eigenschaften und Fähigkeiten für die beziehungsdynamische Begleitung von Kindern zusammen, die darüber hinaus auch in allen anderen sozialen Bezügen wirken. «Mütterlichkeit» ist die Fähigkeit und Bereitschaft, zuzuhören, sich in die Befindlichkeit und Gedanken des Gegenübers einzufühlen, andere Empfindungen und Meinungen gelten zu lassen und zu verstehen, den Gefühlen Raum zu geben.

Damit ist «Mütterlichkeit» gewissermaßen eine Voraussetzung, um den Artikel 1 des Grundgesetzes: «Die Würde des Menschen ist unantastbar» überhaupt erfüllen zu können. Auf der Grundlage der mütterlichen Basisfunktion können sich dann auch mütterliche Aufgaben wie Nähren, Versorgen, Hegen, Pflegen oder Beschützen entfalten. Nur wer sich einfühlen und individuelles Anderssein respektieren kann, wird auch die angemessene Form und Dosis notwendiger und sinnvoller Betreuung finden. Gute Mütterlichkeit wird durch Mangel an Präsenz, Empathie, Hingabe, Toleranz und Freiheit eingeschränkt. Dabei hat falsche Liebe häufig verhängnisvollere Auswirkungen als deutlich erkennbare mütterliche Schwächen. «Falsch» ist alles, was nicht die wirkliche innere Situation des Kindes hilfreich berührt. Äußerlich kann ein Kind bestens versorgt sein und bleibt innerlich doch unerfüllt, weil nicht die wirklichen Bedürfnisse des Kindes, sondern die Vorstellungen und Erwartungen der Mutter der Maßstab der mütterlichen Zuwendung sind. Die erkennbaren und später meist gut erinnerbaren Versorgungsbemühungen der Mutter machen es oft unmöglich, die tatsächlichen Liebesdefizite überhaupt wahrzunehmen.

«Väterlichkeit» steht für den anderen Pol elterlicher Funktionen. Väterliche Aufgaben sind Zeugen, Führen, Fördern und Fordern, Begleiten, Entdecken, Ermutigen, Bestärken. Mit diesen Fähigkeiten hilft der Vater dem Kind, die Mutter allmählich verlassen zu können. Der Vater öffnet die dyadische Beziehung und weist den Weg aus der Zweisamkeit über die «Dreisamkeit» in die Autonomie. Von der Mutter zum Vater zum Ich in der Welt – so ließe sich der Entwicklungsweg des Menschen umschreiben.

Die Mutter vermittelt Berechtigung, Vertrauen, Gewissheit und Sicherheit, der Vater ermöglicht vielseitige Erfahrung, gibt Orientierung, befördert Mut und Kraft und verhilft zu eigenständigem Leben. Vater und Mutter sind wie Schiff und Hafen, die nur miteinander eine gute Seefahrt ermöglichen. Sie stehen für Eigenständigkeit in Bezogenheit. Erst die Dynamik der polaren Fähigkeiten und Bedürfnisse ermöglicht im Zusammenleben der Menschen auch ein Gemeinwesen, in dem individuelle Bedürfnisse und soziale Verantwortung zusammenfinden.

Mütterlichkeit und Väterlichkeit sind nicht an das Geschlecht und an die Person von Mutter oder Vater gebunden. Im Grunde genommen braucht jeder Mensch beide Fähigkeiten und sollte je nach Bedarf die angemessene Funktion ausüben können. Natürlich kann auch die Mutter väterlich und der Vater mütterlich sein. Unter Eltern muss die Verteilung väterlicher und mütterlicher Eigenschaften gut ausgehandelt und in Entsprechung zu den verschiedenen Lebenssituationen immer wieder neu abgesprochen werden. Die Eltern können sich helfen, unterstützen, auch teilweise ersetzen und in der Funktion wechseln, aber die grundsätzlichen Unterschiede von Mütterlichkeit und Väterlichkeit lassen sich nicht auflösen oder reduzieren. Für das Kind ist es natürlich am besten, wenn am Anfang die Mutter auch mütterlich ist, wenn also Person und primäre Versorgungsfunktion übereinstimmen. Mit der Entwicklung des Kindes können sich die Funktionen dann immer stärker von den Personen ablösen.

Auch innerhalb von Kindergarten, Schule, Krankenhaus, selbst in Behörden, Organisationen und Betrieben sind mütterliche und väterliche Funktionen gefragt. Wie anders würde unsere Gesellschaft aussehen, wenn ein mütterlich-einfühlsames Verständnis für die Andersartigkeit eines jeden Menschen und für seine spezifischen Schwierigkeiten die Grundlage aller väterlichen Entscheidungen und Maßnahmen bildete, wenn liebevolle Bestätigung entsprechenden Entfaltungsraum fände und wenn Einsicht in die Begrenzung und soziale Forderungen zusammenpassen würden.

Ein Schüler braucht nicht nur Herausforderungen seiner Leistungsbereitschaft, sondern auch ein tiefes Verständnis für seine Fähigkeiten und Begrenzungen. Zensuren werden dieser wichtigen Aufgabe nicht gerecht. Ein Patient braucht nicht nur die diagnostisch-technische Hochleistung und das richtige Medikament, sondern Zeit und Raum für ein ganzheitliches Verstehen seines Krankseins und möglichen Gesundwerdens. Ein Arbeitsloser braucht keine demütigende Kontrolle und höchstens ein Minimum an sinnvoller Verwaltung, er braucht – wenn schon keine Erwerbsarbeit mehr zur Verfügung steht – vor allem eine Sozialpolitik, die ihm eine würdige Tätigkeit verschafft, und ein gesellschaftliches Verständnis, das ihm ein Gefühl für seine Nützlichkeit zurückgibt. Um produktiv sein zu können und gesund zu bleiben, braucht ein Arbeitnehmer anderes als ständigen Leistungsstress und Konkurrenzdruck. Seine individuellen Fähigkeiten müssen gefördert und seine besonderen Schwächen und Behinderungen berücksichtigt werden. Die Bedrohung des Arbeitsplatzes macht krank, egoistisch und militant, nur sinnvolle Beteiligung und Mitsprache erhalten die Aktivität und Kreativität.

Die Mütterlichkeit innerhalb der Gesellschaft bestimmt über die Verteilungsgerechtigkeit und sichert damit sozialen Frieden. Die Väterlichkeit innerhalb der Gesellschaft hingegen reguliert die Leistungsbereitschaft, vermittelt Orientierung und organisiert die erforderlichen Pflichten.

1. Diskriminierung der Mütterlichkeit


Die notwendige Emanzipationsbewegung der Frauen hat einen verhängnisvollen Schwachpunkt: Sie hat die «Mütterlichkeit» diskriminiert und Frauen bestenfalls zu mehr «Väterlichkeit» geführt. Die große soziale Frage, wie Mutterschaft, Partnerschaft, Berufstätigkeit und ganz normale egoistische Interessen gut integriert werden können, ist weniger denn je gelöst. Die sogenannten emanzipierten Frauen befinden sich nicht nur in einem «Gebärstreik», sondern die vermeintliche Befreiung hin zu einem sinnerfüllten Berufsleben mit hohem sozialen Ansehen hat das ganzheitliche, biopsychosozial verwurzelte Bedürfnis, Kinder zu kriegen und Mutter zu sein, sträflich vernachlässigt. So fehlt uns mittlerweile nicht nur der Nachwuchs, sondern aus unerfülltem und verleugnetem Kinderwunsch erwachsen darüber hinaus zahlreiche individuelle Krisen. Auf Kinder zu verzichten – aus welchem Grund auch immer – bleibt stets ein zu bewältigender Konfliktstoff.

Nach allem, was wir heute entwicklungspsychologisch wissen, bleibt die reale Mutter mit ihren Mütterlichkeits-Qualitäten in den ersten drei Lebensjahren des Kindes die wichtigste Bezugsperson. Zwar lassen sich Mütterlichkeitsdefizite bereits von Anfang an durch andere Personen ausgleichen, aber ein Ersatz der Mutter bedeutet in dieser frühen Zeit immer eine belastende Erfahrung für das Kind.

So kann der Vater die Mutter natürlich von Anfang an bei der Kinderbetreuung unterstützen, er kann helfen, die Familie sozial abzusichern, und ein guter – eventuell sogar mütterlicher – Partner für seine Frau sein, für ihre neue Mehrfachfunktion Verständnis aufbringen, angemessene Hilfestellung leisten oder organisatorische Aufgaben übernehmen. Er kann die Not des Säuglings aber nicht wirklich lindern, wenn die Mutter sich entfernt, er kann nur den Schmerz des Kindes akzeptieren und den Gefühlsausdruck entsprechend unterstützen und halten und damit dem Kind wenigstens Entlastung verschaffen. Die primären mütterlichen Aufgaben hingegen – Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit – lassen sich nicht delegieren. Die Mütterlichkeit entscheidet über Lebensberechtigung, den Selbstwert, die Bindungsfähigkeit und die Identitätssicherheit des Kindes, die Qualität der Väterlichkeit beeinflusst die Fähigkeit zur Autonomie, die Einstellung zu Leistung und Pflicht sowie zur Verantwortung.

Besonders alleinerziehende Mütter oder Väter befinden sich häufig in einem fast unlösbaren Konflikt, Mütterliches und Väterliches gleichermaßen ausfüllen zu müssen. In dem Maße, wie die mütterlichen Funktionen mit dem Heranwachsen des Kindes unwichtiger werden, nehmen die väterlichen Aufgaben zu. Erst auf dem Arm des Vaters macht das Kind die Erfahrung, dass seine Mutter eine von ihm getrennte, eigenständige Person ist. An der Hand des Vaters ist es leichter, von der Mutter loszukommen und schließlich mit Vaters Segen in die eigenständige Welterkundung und Lebensgestaltung entlassen zu werden.

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