Am 4. November 2011 hat das Bundeswirtschaftsministerium den Referentenentwurf für die 8. GWB-Novelle vorgelegt, dem im August 2011 Eckpunkte vorausgegangen waren.[65] Die Novelle fundiert auf Forderungen und Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag[66] vom Oktober 2009 sowie des Jahreswirtschaftsberichtes vom Januar 2011.[67] In beiden Papieren sind eine Reihe von Forderungen für die Reform des GWB enthalten.
Im März 2012 hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf beschlossen.[68] Im Mai 2012 folgte die Stellungnahme des Bundesrates zur 8. GWB-Novelle.[69] Das Gesetzgebungsverfahren zur 8. GWB-Novelle soll nach derzeitiger Planung im Oktober abgeschlossen sein und zum 1. Januar 2013 in Kraft treten.
Bevor sich das Wirtschaftsministerium für den nachfolgenden Vorschlag entschieden hat, wurden verschiedene Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Aufsicht in der Wasserwirtschaft diskutiert.
Eine generelle Aufsicht der Kartellbehörden über Gebühren und Entgelte ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht möglich.[70]
Ein von der Monopolkommission wiederholt eingebrachter Vorschlag[71] für eine Anreizregulierung wie sie im Gas-, Energie- und Telekommunikationssektor besteht, wird von der Bundesregierung abgelehnt.[72] Andere Verbände[73] und öffentlichen Institutionen[74] lehnen eine Anreizregulierung in ihren Stellungnahmen zum XIX. Hauptgutachten der Monopolkommission ebenfalls ab. Eine Bundesregulierungsstelle stellt einen Angriff auf die verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Angelegenheiten da (Art. 28 Abs. 2 GG).
Eine Anreizregulierung bringt in der Wasserversorgung keine Vorteile. Durchleitungen von Wasser und ein Wettbewerb um den Endverbraucher sind nicht gegeben.[75] Eine Durchleitung ist aus rein technischen, chemischen und hygienischen und damit auch aus haftungsrechtlichen Gründen riskant und eine Regulierung der 6211[76] Wasserversorger kaum realisierbar. Unter diesen Wasserversorgungsunternehmen sind auch sehr kleine Unternehmen, mit unterschiedlichsten personellen, materiellen und organisatorischen Ressourcen.[77] Der bürokratische Aufwand und die damit verbundenen Kosten für die 6211 Wasserunternehmen und der Regulierungsbehörde würden die Endverbraucher zusätzlich belasten. Eine derartige umfassende Datenabfrage wäre für die Behörde und den Wasserversorgungsunternehmen unverhältnismäßig und würde auch ein anderes politisches Ziel der 8. GWB-Novelle, den Bürokratieabbau, konterkarieren.
Die Monopolkommission hat in ihrem Gutachten zu Recht festgestellt, dass die Kartellverfahren sehr schleppend vorangehen. Bisher sind nur 6 formelle Verfügungen gegen Wasserversorger ergangen, aber das ist nur die eine öffentlich Sichtbare Seite.[78] Auf der anderen Seite haben in den vergangenen Jahren etliche Verhandlungen zwischen den Kartellbehörden und Wasserversorger stattgefunden, die teilweise in formellen und informellen Vergleichen dazu geführt haben, dass die Versorger die Preise gesenkt haben oder auf eine Erhöhung verzichtet haben. Dies war zwar nicht so pressewirksam aber bei den Endverbraucher trotzdem spürbar.[79]
Weiterhin ist Wasser -anders als Energie- keine übliche Handelsware und unterliegt strengen gesundheitlichen sowie umweltrechtlichen Anforderungen und wird somit schon intensiv überwacht. Aus diesen Gründen ist es richtig, in der Wasserwirtschaft weiter auf das freiwillige Benchmarking und auf die kartellrechtliche Aufsicht bei Entgelten zu setzen.[80]
Auch nach der Novellierung unterliegen Wasserversorgungsunternehmen, als Ausgleich für die Freistellung wettbewerbsbeschränkender Verträge vom allgemeinen Kartellverbot des § 1 GWB, einer Missbrauchsaufsicht.[81]
Die Integration der bislang für die Wasserwirtschaft geltenden kartellrechtlichen Regelungen des § 103 GWB a.F.[82] in die neu eingefügten §§ 31 bis 31b GWB-E sind Bestandteil der Novellierung des GWB.[83]
Durch die §§ 31 bis 31 b GWB-E werden die bis 2005 in § 103 GWB a.F. und ab 2006 über § 131 Abs. 6 GWB, geltenden Vorschriften für die Wasserwirtschaft unter Berücksichtigung notwendiger Verweisungen sowie sprachlicher Anpassungen in den aktuellen Gesetzestext überführt.[84] Die damaligen Regelungen galten auch für Elektrizität und Gas, welche schon mit dem Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998 aufgehoben wurden.[85]
Ab dem 1. Januar 2013 werden die Besonderheiten im Bereich der Wasserversorgung durch § 31 GWB-E „Verträge der Wasserwirtschaft“, § 31a GWB-E „Meldepflichten der Wasserwirtschaft“ und § 31b GWB-E „Aufgaben, Befugnisse und Sanktionen der Kartellbehörde in der Wasserwirtschaft“ geregelt.[86]
Ziel des Gesetzgebers ist, die praktische Bedeutung der besonderen Missbrauchsaufsicht im Bereich der Wasserversorgung und der Grundsatzentscheidung „Wasserpreise Wetzlar“[87] nach zu kommen.[88] Damit wird den Kartellbehörden für die Missbrauchsaufsicht ein scharfes Schwert in die Hand gegeben.[89] Nach dem § 31b Abs. 3 – 5 i. V. m. § 31 Abs. 3, 4 Nr. 2 GWB-E können die Behörden Preismissbräuche durch marktbeherrschende Wasserversorgungsunternehmen verfolgen. Zu einer sektorspezifischen Regulierung, die durch die Monopolkommission gefordert wird[90], kommt es nicht. Es bleibt bei punktuellen Überprüfungen und einzelnen Sanktionen gegenüber den Wasserversorgungsunternehmen.[91] Zudem soll mit der Überführung der bisherigen Übergangsregelungen in dem materiellen Teil des GWB die Systematik des Gesetzes verbessert und die Anwendbarkeit für die Vollzugsbehörden erleichtert werden.[92]
Ob dieses Ziel erreicht wird, kann allerdings bezweifelt werden.[93] Denn weiterhin bezieht sich § 31 Abs. 5 GWB-E ebenso wie die Vorgängerregelung nicht auf Wasserversorger, die ihre Kunden auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen bei Bestehen eines Anschluss- und Benutzerzwangs beliefern.[94]
Der Gesetzgeber regelt jetzt in § 31 GWB-E die Ausnahmeregelung für die Wasserwirtschaft. Die Bedingungen und Strukturen rechtfertigen die in § 31 Abs. 1 GWB-E genannten Vertragstypen, weiterhin vom Kartellverbot nach § 1 GWB freizustellen. Somit sind Demarkationsverträge[95], Konzessionsverträge[96] und Verbundverträge[97] sowie Meistbegünstigungen[98] in der Wasserwirtschaft zulässig.[99] Damit verbunden ist die Annahme, dass sich durch die Gewährung geschlossener Versorgungsgebiete Größen-, Verbund- und Rationalisierungsvorteile für Endverbraucher generieren lassen.[100]
Das Schriftformerfordernis für die oben genannten Verträge besteht fort und wird jetzt in § 31 Abs. 2 GWB-E geregelt.[101] Die Anmeldung der Verträge sowie Änderungen und Ergänzungen bei der Kartellbehörde ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Freistellung von § 1 GWB.[102]
Nach § 31 Abs. 3 GWB-E darf die erlangte Stellung am Markt nicht durch die Freistellung nach § 1 Abs. 1 GWB missbraucht werden. Im § 31 Abs. 4 GWB-E werden die Voraussetzungen für einen Missbrauch definiert.[103] Nach dem liegt ein Missbrauch vor, wenn das Marktverhalten des Wasserversorgungsunternehmen allen Grundsätzen zu widerläuft, die bei wirksamen Wettbewerb bestimmend sind, oder ungünstigere Preise oder Geschäftsbedingungen fordert als gleichwertige Unternehmen, es sei denn das Unternehmen kann diese Unterschiede rechtfertigen.
Die §§ 31 Abs. 3 und 4 GWB-E stellen das notwendige Korrektiv für den fehlenden Wettbewerb in der Wasserwirtschaft da. Durch die monopolistische Marktstellung der Wasserversorger lässt sich eine besondere Missbrauchsgefahr ableiten, die einer wirksamen Kontrolle durch die Kartellbehörden braucht.
Die benötigten Instrumente für die Missbrauchsaufsicht sind in § 31b Abs. 3 bis 5 GWB-E zu finden.[104]
Die Regelung des § 103 Abs. 2 GWB a.F. wurde ersatzlos gestrichen, da sie für die wasserwirtschaftliche Praxis keine Bedeutung mehr hatten oder sich ausschließlich auf den Energiesektor bezogen.[105]
Der neue § 31a Abs.1 GWB-E regelt die Anmelde- und Anzeigepflicht für Wasserversorgungsunternehmen bei der Kartellbehörde. Nur eine vollständige...