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E-Book

Die Musik in der Wolke

Cloud Music und Mobile Devices

AutorJörn Handschke
VerlagJ&H
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl87 Seiten
ISBN9783955770617
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Der Begriff 'Cloud', der mit Wolke ins Deutsche übersetzt werden kann, wurde als Metapher für das Internet schon seit Ende der 1960er Jahre verwendet. Für die Analyse der Entwicklungen innerhalb der Musikindustrie kann die Idee der Cloud verwendet werden, um die Fokusverschiebung vom Physischen zum Virtuellen und vom Tonträger hin zur Wolke bzw. zum Internet zu beschreiben. Der Auszug der Musik in die Wolke wird vielfach als ein Paradigmenwechsel für Musik und Musikindustrie angesehen. Die Wolke ist hierbei ein für den Anwender und Musikhörer nicht greifbarer Ort: Cloud Music meint ganz allgemein den Zugang zu Musik über verschiedenste mit dem Internet verbundene Geräte, wobei die Musik in Form von Audiodateien von Webservern oder Peers direkt aus dem Netz abgespielt wird, statt erst (vollständig) auf die einzelnen Geräte heruntergeladen zu werden. Nahezu alle jemals in Form von Tonaufnahmen veröffentlichte Musik ist heute jederzeit und von überall via Internet verfügbar. Das Phänomen Cloud Music spielt dabei mit der Idee einer unerschöpflichen und - in Bezug auf das Repertoire - vollständigen Musikquelle, zu der man Zugang hat statt einzelne Musiktitel wie einen Tonträger in Besitz zu nehmen. Das Nebeneinander vieler internetfähiger Geräte, der ständige Wechsel zwischen diesen Geräten, der Wunsch nach immer neuer Musik und die ständige Verfügbarkeit von (kabellosem) Breitband-Internet an den entlegensten Orten wecken den Bedarf nach Musikdiensten, die dieser Idee nahe kommen. Cloud Music-Dienste vermarkten deshalb nicht länger einzelne Musiktitel oder Alben sondern den Zugang zu Musik über das Internet (Access). Sie sind plattformübergreifend verfügbar und verändern die Geschäftsmodelle der Musikindustrie, die Nutzung von Hardware und technischer Infrastruktur sowie den Umgang mit Musik. 'Die Musik in der Wolke' gibt einen detaillierten Überblick über die aktuellen Phänomene und Angebote im Bereich Cloud Music.

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Leseprobe

3.4 Music Locker


Music Locker139 gehören als Internetservices zur Gruppe der Online-Speicher-Anbieter, Cyberlocker bzw. Cloud Drives.140 Diese Services stellen ihren Nutzern passwort-geschützten, persönlichen Online-Speicherplatz zur Verfügung. Können bei den Standard-Cyberlockern sämtliche Dateiformate abgelegt werden (z.B. Dokumente, Fotos, Videos, Musik), haben sich Music Locker auf das Speichern von Musik in Form von Audiodateien spezialisiert. Der registrierte Nutzer wählt hierbei Audiodateien auf seinem Computer und lädt diese über das Internet auf die Server des Anbieters, um sie jederzeit und von verschiedenen Geräten wieder abrufen zu können. Music Locker sind quasi und bildlich gesprochen gemietete Online-Festplatten, auf denen die eigene Musiksammlung zentral auf den Servern des Anbieters abgelegt werden kann. Sie bieten die Möglichkeit, die digitale Musiksammlung nur einmal online zu speichern und zu verwalten, und diese mit sämtlichen internetfähigen Geräten zu erreichen und abzuspielen.

Dies stellt vor allem für Nutzer, die ihre digitale Musiksammlung im Wechsel an verschiedenen Orten und mit unterschiedlichen Geräten hören (wollen), eine Erleichterung dar. So könnte die in einen Music Locker geladene private Musiksammlung gleichermaßen vom heimischen PC, über den internetfähigen Fernseher, das Smartphone, das Tablet und über den Rechner im Büro via Internet abgespielt werden. Das ansonsten mehrmals notwendige Kopieren der Dateien auf die einzelnen Geräte entfällt und der Zugriff auf die Sammlung bleibt flexibel. Für den Upload141, den Zugriff auf die Musiktitel und die Wiedergabe der Dateien stehen den Nutzern bei den meisten Anbietern Funktionen auf Webseiten, Smartphone- oder Web-Apps142 und Desktop-Software zur Verfügung. Die für den Upload einer Musiksammlung benötigte Zeit variiert je nach Internetverbindung und kann pro Datei (z.B. eine .mp3-Datei mit 5MB Dateigröße) auch bei Breitbandinternet mehr als eine Minute dauern.143 Ist das zeitaufwendige Hochladen jedoch einmal erfolgt, bleibt die Sammlung von überall und jederzeit erreichbar. Weitere Kopiervorgänge auf einzelne Geräte entfallen (optional), das Synchronisieren und die Verwaltung der Daten wird deutlich erleichtert.

Music Locker – in der oben genannten Form – sind kein Markt für die Copyright Industry, die entsprechend wenig Interesse an deren Verbreitung hat. Rechtlich gesehen sichert der Nutzer eine Privatkopie144 einer Audiodatei in einem persönlichen Speicher, der sich als technische Besonderheit auf Servern des Speicher-Dienst-Anbieters befindet. Die Anbieter gehen davon aus, dass die Kopiervorlage durch den hochladenden Nutzer rechtmäßig erlangt worden ist. Die Veröffentlichung oder das Teilen der online gespeicherten Audiodateien ist – mit legitimierten Ausnahmen – nicht erlaubt und wird durch die meisten Anbieter unterbunden (bspw. durch die Beschränkung der parallelen Nutzung eines Nutzerkontos). Um diese rechtlichen Vorgaben zu erfüllen, müssen die Anbieter jede nicht von den Rechtinhabern lizenzierte Datei jedes Nutzers einzeln auf den Servern halten145, selbst wenn die identische Datei schon tausende Male auf den Servern gespeichert ist (dies entspricht zumindest der aktuellen Situation in Deutschland).

Die oben beschriebenen Music Locker-Anbieter benötigen für ihre Services deshalb keine Lizenzen der Copyright Industry, die jene in der Vergangenheit überwiegend als nicht legitimiert und illegal bezeichnet hat. In einem viel beachteten Gerichtsfall146 in den USA wurde auch dort entschieden, dass die Locker-Services nicht für unrechtmäßig erworbene Musiktitel der Kunden verantwortlich gemacht werden können, da die Nutzer den Upload der Dateien selbst anstoßen. Auch aus dem Internet direkt in Music Locker geladene Dateien (genannt Sideloading, ohne die Dateien auf einem lokalen Rechner zwischen zu speichern) fallen in den USA unter die DMCA-Immunität (in Englisch: DMCA Safe Harbors)147. Hinzu kommt, dass die Locker-Services in den USA Duplikate von Dateien nicht mehr auf den Servern halten müssen. Laut Gerichtsbeschluss handelt es sich dabei nicht um Masterkopien, die für die Wiedergabe beim Nutzer verwendet werden, so lange Datenkompressionsverfahren die redundanten Daten von den Servern eliminieren.148 Diese Gerichtsentscheidung hat die Position der klassischen Music Locker auch international gestärkt und diese ex post zu einem legitimierten Geschäftsmodell gemacht.

So ist es nicht überraschend, dass neben unzähligen kleinen Music Locker-Services149 seit 2011 auch die großen Internet-Unternehmen, wie z.B. Google und Amazon, entsprechende Dienste anbieten. Doch die Idee zum Online-Speicher für Musik ist nicht neu. Schon Anfang 2000 startete mp3.com den Service my.mp3.com. Nutzer konnten die eigenen Audio-CDs bei dem Service registrieren und dann online auf digitale Kopien in Form von Audio-Dateien zugreifen. Die eigene Musiksammlung war – zumindest technisch gesehen – damals längst im Internet angekommen.150 Aus lizenzrechtlichen Gründen wurde mp3.com erfolgreich verklagt und später von Vivendi Universal übernommen: der Locker-Dienst wurde eingestellt.151 Ein weiterer Service zu Beginn der Nuller Jahre war myplay.com, der schon damals 3GB Speicher zur Verfügung stellte. Das Phänomen einer im Internet gespeicherten privaten Musiksammlung konnte sich aber bisher nicht bei einer großen Zahl der Musikhörer durchsetzen. Es ist dennoch davon auszugehen, dass Locker-Services bei steigender Anzahl parallel genutzter internetfähiger Geräte an Beliebtheit gewinnen.

Die bekanntesten Anbieter von klassischen Music Locker-Services sind aktuell Amazon mit dem Cloud Drive152 und Google mit Google Music bzw. Google Play Music153. Beide Internetunternehmen integrieren ihre seit 2011 verfügbaren Online-Musikspeicher154 in ein größeres Portfolio von Diensten.155 Nutzer laden ihre Musiksammlungen auf die Server der Anbieter und können diese im Browser über Webseiten und über Software abrufen. Die mit den Locker-Services verbundenen Musikhops bieten die Möglichkeit gekaufte Songs ohne Download direkt in den Online-Speicherplatz zu laden. Bei beiden Diensten steht die Verfügbarkeit der Musiksammlung über verschiedene Geräte156 und via Internetverbindung im Fokus. Nutzer können ihre Musik von den Servern jederzeit wieder in die lokalen Speicher von unterstützten internetfähigen Geräten laden, um die Titel auch ohne Internetverbindung zu hören.

Tabelle 1: Amazon Cloud Drive157 (Web158, Android159, iOS) und Google Play Music (Android160) mit Google+ Anbindung161

Die Funktionsübersicht der beiden Services zeigt, dass mit den dazugehörigen Anwendungen vor allem der geräteübergreifende Zugriff auf eine Musiksammlung ermöglicht wird. Der Nutzer kann via Internet eine einzige zentrale Instanz der eigenen Musiksammlung aufrufen und ist nicht mehr gezwungen, Musikdateien auf verschiedene Geräte zu kopieren. Music Locker sind entsprechend eine Problemlösung für Musikhörer mit vielen verschiedenen, ständig wechselnden Geräten. Konsumiert ein Musikfan seine digitale Musiksammlung nur an einem Ort (z.B. mit dem PC), ist ein Music Locker dagegen nicht nötig. Vermarktet werden die Music Locker von Amazon und Google deshalb vor allem im Zusammenhang mit mobilen Geräten, dem mobilen Betriebssystem (Android), Musikapps und Online-Musikshops. Die Basispakete der Online-Speicher erfordern eine Registrierung und sind jeweils kostenlos.162 Größere Speicher werden mit kostenpflichtigen Abonnements angeboten (s.o.).163

Um die Einstiegsbarrieren zu einem Music Locker niedrig zu halten und das damit verbundene Problem des zeitaufwendigen Uploads164 der Dateien zu minimieren, hat die Firma Apple die Idee des Music Lockers mit dem Service iTunes Match165 noch einmal erweitert.166 Da der iTunes Music Store als größter Online-Musikhändler bereits über einen Musikkatalog von aktuell ca. 20.000.000 Titel verfügt, werden die Songs der Musiksammlung eines iTunes-Nutzers, für die der iTunes Music Store selbst eine Masterkopie auf den eigenen Servern bereit hält, nicht noch einmal hochgeladen.167 Vielmehr wird über die Metainformationen168 einer im Besitz des Nutzers vorhandenen Datei eine Registrierung dieses Titels beim Service iCloud vorgenommen und die Verknüpfung zu einer offiziellen Kopie des Songs auf den Servern von Apple aktiviert.169 Bei einer durchschnittlichen Popmusiksammlung werden entsprechend die meisten Titel erkannt und ganz ohne Upload für den Nutzer zum Streaming und Download aktiviert. Alle nicht zur offiziellen Datenbank zugeordneten Audiodateien werden, wie bei anderen Music Lockern, einzeln in den persönlichen Speicherplatz des Nutzer hochgeladen.170

iTunes Match und iCloud sind perfekt in die Hardware- und Software-Welt von Apple integriert. Nutzer von iTunes können den Service iTunes Match direkt in der Multimedia-Verwaltungs-Software iTunes kaufen und starten. iTunes selbst ist auf allen Apple-Computern vorinstalliert und wird für die optimale Nutzung von iPhone und iPad benötigt, auf welchen iTunes Match und iCloud nur noch aktiviert werden müssen. Der Anwender verwaltet seine digitale Musiksammlung (sowie Filme, Ebooks und Apps) in iTunes und synchronisiert lokal gespeicherte Daten mit iPhone und iPad. iTunes Match erlaubt hierbei, die gesamte Musiksammlung mit vielen tausend Songs über alle Geräte hinweg und via...

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