Der Ortschaftsrat hat die auf die Ortschaft bezogenen Interessen der Bürger, die in der Ortschaft wohnen, zu vertreten; er ist, wie auch der Ortsvorsteher, obligatorisches Gremium in der Ortschaft. Die Mitglieder sind als Kollegialorgan die ortsnahen Sachwalter der Interessen der Ortschaft und unmittelbare Ansprechpartner der Bürger. Nach außen wird die Ortschaft ausschließlich durch den Ortsvorsteher vertreten. Einzelne Ortschaftsräte haben nur in den Sitzungen unmittelbare Einwirkungsrechte. Im Rahmen von Antragsinitiativen bei Akteneinsicht usw. gelten die Regelungen der Gemeindeordnung für Gemeinderäte. Auf die festgelegten Quoren wird hingewiesen. Über diese politische Funktion hinaus hat der Ortschaftsrat auch wichtige Funktionen in der Verwaltung. Zu den wichtigsten Funktionen zählt ohne Frage die sachgerechte Interessenvertretung für die Ortschaft. Bei der Beschlussfassung hat der Ortschaftsrat dabei auch die Belange der Gesamtgemeinde, auf deren Wohl er ebenfalls verpflichtet ist, mit zu berücksichtigen!
Kraft Gesetzes sind dem Ortschaftsrat zunächst nur beratende Zuständigkeiten zugewiesen. Dazu zählt insbesondere die Beratung der örtlichen Verwaltung (§ 70 GemO). In allen Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen, hat das Gremium ein Vorschlagsrecht. Von besonderer Bedeutung ist das Anhörungsrecht über alle wichtigen, die Ortschaft betreffenden Angelegenheiten, das bereits die Gemeindeordnung zwingend vorschreibt. Dem Ortschaftsrat steht jedoch auch ein umfassendes Informationsrecht zu. Er kann sich mit allen von der örtlichen Verwaltung zu bearbeitenden Angelegenheiten befassen. Im Vergleich zum Gemeinderat, der sich nur zum Zwecke der ihm zustehenden Kontrolle informieren darf, steht dem Ortschaftsrat auch das Recht der Willensbeeinflussung durch Beratung und Empfehlung der örtlichen Verwaltung zu. Darüber hinaus können vom Gemeinderat auf den Ortschaftsrat durch die Hauptsatzung Entscheidungsrechte übertragen werden.
Gegenstand der Anhörung sind die wichtigen Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen (§ 70 Abs. 1 GemO). Dies sind vor allem solche Angelegenheiten, die erhebliche Auswirkungen auf das örtliche Gemeinschaftsleben haben, aber nur für den Bereich der Ortschaft von besonderer Bedeutung sind. Dass die Entscheidung über eine bestimmte Angelegenheit auch Auswirkungen auf die Ortschaft haben könnte, ist für das Anhörungsrecht noch nicht allein ausreichend. Die Belange der Ortschaft müssen vielmehr ganz konkret tangiert sein.
Mögliche wichtige Angelegenheiten, zu denen der Ortschaftsrat zu hören ist, wenn die Ortschaft davon betroffen ist:
– Planung, Veränderung und Gestaltung des Ortsbilds;
– personelle Veränderungen in der örtlichen Verwaltung;
– Unterhaltung und Nutzung örtlicher Verwaltungsgebäude;
– Betrieb und Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen, wie z. B. öffentlicher Personennahverkehr, Internetversorgung, Kläranlagen, Wasserversorgung u. a.;
– Unterhaltung, Nutzung, Bau und Betrieb von Park- und Sportanlagen;
– Benennung von Straßen, Wegen und Plätzen;
– Unterhaltung, Nutzung, Bau und Betrieb von Erholungseinrichtungen;
– Änderung der Hauptsatzung, durch die die Ortschaft unmittelbar berührt wird, z. B. Neuverteilung der Sitze im Gemeinderat im Rahmen der unechten Teilortswahl;
– Errichtung oder wesentliche Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Gemeindestraßen und Wirtschaftswege;
– Bewirtschaftung des Gemeindewaldes;
– Förderung des örtlichen Vereinslebens;
– Unterhaltung und Vermietung oder Verpachtung von Einrichtungen (Jugendfreizeitstätten, Kindergärten, Heimatmuseum, öffentliche Bibliothek, Sporteinrichtungen);
– Veranschlagung der Haushaltsmittel für die die Ortschaft betreffenden Angelegenheiten;
– Bestimmung und wesentliche Änderungen der Zuständigkeiten sowie die evtl. Aufhebung der örtlichen Verwaltung;
– Aufstellung, wesentliche Änderung und Aufhebung von Bauleitplänen, die Durchführung von Bodenordnungsmaßnahmen, Maßnahmen nach dem Städtebauförderungsgesetz und Förderprogramme für den ländlichen Raum;
– Friedhof- und Bestattungswesen;
– Verwaltung der Jagdgenossenschaft einschließlich Jagdverpachtung;
– Beeinträchtigungen oder Auswirkungen bei sonstigen Angelegenheiten, z. B. überörtliche Verkehrsplanungen, Windkraftanlagen, Emissions- und Immissionsanlagen, durch die die Bewohner der Ortschaft beeinträchtigt werden können.
Es ist zur Verdeutlichung der gesetzlichen Anhörungsverpflichtung empfehlenswert, diesen oder einen daran orientierten Katalog wichtiger Angelegenheiten, zu denen der Ortschaftsrat zu hören ist, in die Hauptsatzung aufzunehmen.
Im Interesse der Ortschaft und zur Vermeidung unnötiger Differenzen soll das Anhörungsrecht nicht restriktiv, sondern weit ausgelegt werden. Die Anhörung des Ortschaftsrats ist so rechtzeitig durchzuführen, dass die Beschlüsse des Ortschaftsrats noch Einfluss auf die Entscheidung der zuständigen Gemeindeorgane haben können.
Durch die Anhörung dürfen bestimmte Fristen nicht überschritten werden. Beispiel hierfür ist zur Sicherung der Planungshoheit der Gemeinde die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Baugesetzbuch. Infolge der Änderung des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch durch das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz ist zu beachten, dass die Entscheidung über das Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 2 Baugesetzbuch innerhalb von zwei Monaten zu treffen ist.
Wurde in der Hauptsatzung das gemeindliche Einvernehmen auf den Bürgermeister übertragen, entfällt grundsätzlich auch die Anhörung des Ortschaftsrats. Sichergestellt werden sollte dann, dass der Ortschaftsrat rechtzeitig vor Fristablauf über die Entscheidung informiert wird.
Der Beschluss des Ortschaftsrats, mit dem er bei einer Anhörung Stellung nimmt, ist zwingend zum Beratungsgegenstand der Sitzung des Gemeinderats oder seiner beschließenden Ausschüsse zu machen. Auch beratenden Ausschüssen sollte das Beratungsergebnis des Ortschaftsrats zur Vermeidung der bereits dargestellten Konsequenz (evtl. nochmalige Beratung des Ausschusses, wenn der Ortschaftsrat zu einem anderen Ergebnis gekommen war) rechtzeitig vor deren Sitzungen zur Kenntnis gebracht werden. Die Stellungnahme des Ortschaftsrats muss in vollem Wortlaut einschließlich einer evtl. Begründung rechtzeitig mitgeteilt werden. Der Ortsvorsteher kann und sollte an den Sitzungen des Gemeinderats und seiner Ausschüsse mit beratender Stimme teilnehmen und dabei die Stellungnahme des Ortschaftsrats weiter erläutern. Hierfür ist dem Ortsvorsteher, wenn dieser dies für erforderlich hält, auch wiederholt das Wort zu erteilen.
Gemeinderat, beschließende und beratende gemeinderätliche Ausschüsse sowie der Bürgermeister sind jeweils zur Prüfung der Stellungnahme des Ortschaftsrats verpflichtet. Das jeweils zuständige Gemeindeorgan (Gemeinderat, Bürgermeister oder Oberbürgermeister) muss nach Abwägung weiterer Interessen nicht im Sinne der Stellungnahme des Ortschaftsrats entscheiden. Aufgrund der hervorgehobenen Stellung des Ortschaftsrats innerhalb der Gesamtgemeinde kann dieses Gremium dann jedoch erwarten, dass der Gemeinderat und seine Ausschüsse den Beschluss des Ortschaftsrats nicht nur durch eine abweichende Sachentscheidung überstimmen, sondern dass in einem solchen Falle auch ein ausdrücklicher Beschluss zu der Stellungnahme des Ortschaftsrats gefasst wird. Der Bürgermeister als zuständiges Gemeindeorgan hat dem Ortschaftsrat über die Verwaltung das Ergebnis der Prüfung und die getroffene Entscheidung mitzuteilen.
Das Unterlassen der vorgeschriebenen Anhörung, aus welchen Gründen auch immer, stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, der einen vom Gemeinderat gefassten Beschluss rechtswidrig macht. Der Gemeinderat kann deshalb eine Erörterung und Beschlussfassung über einen derartigen Beratungspunkt ablehnen; er kann aber auch evtl. gefasste Beschlüsse rückgängig machen, wenn sie noch nicht vollzogen sind. Auch der Bürgermeister müsste in einem solchen Falle eingreifen und den Beratungspunkt entweder zurückziehen oder einem evtl. Beschluss widersprechen, weil er rechtswidrig ist. Denkbar wäre auch eine Beanstandung des Beschlusses durch die Rechtsaufsichtsbehörde. Ein durch den Beschluss Betroffener kann, wenn aufgrund dieser Entscheidung ein Verwaltungsakt ergangen ist, Widerspruch und Klage gegen den Verwaltungsakt erheben. Weitere Konsequenzen könnten die Einlegung einer Dienstaufsichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Beanstandung durch die Rechtsaufsichtsbehörde sein. Unabhängig von...