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Die ottonischen Kirchen St. Servatii, St. Wiperti und St. Marien in Quedlinburg

Eine notwendige Revision

AutorMichael Meisegeier
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl104 Seiten
ISBN9783752826791
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Im Jahr 2010 wurden die archäologischen und baugeschichtlichen Forschungen von Gerhard Leopold zu den drei angeblich ottonischen Kirchenbauten Quedlinburgs veröffentlicht. Da der Autor die Rekonstruktionen Leopolds zur Baugeschichte aller drei Bauten für verfehlt hält, bietet er alternative Rekonstruktionen der Baugeschichten unter demselben Titel als notwenige Revision an.

Der Autor wurde 1950 in Erfurt geboren. Er studierte in Weimar Bauingenieurwesen und schloss das Studium 1977 mit der Promotion ab. Danach war der Autor bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2015 in einem Erfurter Planungsbüro tätig. Seit mehr als 40 Jahren beschäftigt sich der Autor mit romanischer und vorromanischer Kunst sowie mit der Geschichte des frühen Kirchenbaus vom frühchristlichen Kirchenbau bis zum Kirchenbau des 13. Jahrhunderts.

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Leseprobe

Die Stiftskirche St. Servatius


Die Stiftskirche St. Servatius in Quedlinburg ist hinsichtlich der Baugeschichte sicher einer der interessantesten Kirchenbauten Mitteldeutschlands. Durch die historischen Bezüge als angeblicher Bestattungsort des ersten deutschen Königs Heinrich I. und seiner Gemahlin Königin Mathilde bestand schon sehr früh ein großes Interesse, insbesondere an der Situation um die Grabanlage Heinrich I.

Die damit verbundene relativ gute Quellenlage zu den bisher erfolgten Bauuntersuchungen gestattet eine detaillierte Auseinandersetzung mit den bisherigen Forschungsergebnissen. Eine Zusammenstellung der bisherigen Bearbeitungen bis 2008 hat VON DER FORST [2008] vorgelegt. Danach erschien nur noch von LEOPOLD im Jahr 2010 eine neuere Veröffentlichung zur Stiftskirche.

Grundriss aus [LEHMANN, 10]

Grabungen durch GIESAU und WÄSCHER

Erste umfangreiche Grabungen - durch die Nationalsozialisten beauftragt, die die Stiftskirche in eine nationalsozialistische Weihestätte umwandeln wollten - wurden in den Jahren 1938/41 durch GIESAU und WÄSCHER zur Klärung der Situation um das Grab Heinrich I. und zu den Vorgängerbauten durchgeführt.

Die Publikation über die Ergebnisse der Ausgrabungen konnte WÄSCHER erst 1959 herausbringen. GIESAU war bereits 1949 verstorben. [LEOPOLD, 14]

Im Ergebnis sah WÄSCHER [nach VOIGTLÄNDER, 87ff] die zeitliche Bauabfolge an der Stelle der heutigen Stiftskirche wie folgt:

  • Großer Saalbau (Mitte 1. Jahrtausend)
  • Weiterer jüngerer Saalbau, durch Pfostenlöcher identifiziert
  • 3-schiffige Basilika /erste steinerne Kirche / Abmessungen 12 m x 12 m mit Apsis (2. H. 9. Jh.). „Confessio“ später eingebaut.
  • Verlängerung nach Westen etwa auf die doppelte Länge und Annexbau im Westen (936)
  • Anbau eines Langhauses mit Lage und Abmessungen des heutigen Langhauses / bestehender Bau als Ostbau einbezogen / Westbau (968-997)
  • Erneuerung Ostbau mit Einbau einer Krypta in den Abmessungen der 1. Kirche (vor 1021), Aufgabe der „Confessio“
  • Nach Brand 1070 völliger Neubau auf den Fundamenten des Vorgängerbaus mit Einbeziehung des Westteils der Krypta von vor 1021 (1070-1129)
Gelber Mörtel

WÄSCHER und GIESAU haben bei ihren Grabungen selbstverständlich auch die Baumaterialien und die Ausführungsart erfasst und diese zur Feststellung der Bauphasen und zur Datierung verwendet.

Eine besondere Bedeutung hatte bei WÄSCHER der so genannte "gelbe Mörtel", der übrigens auch an der nahegelegenen Wipertikirche und vielleicht sogar an der Klosterkirche auf dem Münzenberg [SCHEFTEL 2006, 174, Fußnote 9] festgestellt wurde.

"Besonders die Beachtung des verschieden zusammengesetzten Mörtels war von großem Interesse. ... daß der früheste Mörtel ganz zähflüssig aus Bodekies mit Kalk hergestellt war. Die Fundamente eines anderen Baues, die in den Felsen eingetieft sind, sind ohne Mörtel mit Steinbrocken und Erde ausgezwickt, in die Fugen ist aber teilweise der Mörtel von dem gleichzeitigen aufgehenden Mauerwerk eingeflossen. wieder ein anderer Mörtel, der von den Bauten des 10. Jahrhunderts stammt, ist leuchtend gelb von dem hier verwendeten Lehhofsand und mit Gips gebunden. Die Fundamentmauern dieser Bauzeit sind aus den örtlich gewonnenen gelben eisenhaltigen Sandsteinbrocken errichtet, desgleichen die Gewölbe, deren Fugen mit einem auffällig silbergrauen Gipsmörtel ausgeworfen sind, der auch für den gesamten Estrich und die Stuckarbeiten dieser Zeit verwendet wurde. Die aufgehenden Mauern dieser frühen Bauperiode sind aus sorgfältig behauenen Bruchsteinen mit bedeutend niedrigeren Schichthöhen als das Mauerwerk der Bauten des 12. Jahrhunderts errichtet. Bei letzteren ist sowohl für das Mauerwerk, wie für den Fußbodenestrich und die Stukkaturen ein blütenweißer Gipsmörtel verwendet worden." [WÄSCHER, 24]

"Wie bei allen Bauten vom Ende des 10. Jahrhunderts sind auch die Fundamentmauern des Kirchenbaus aus Bruchstücken des mit eisenhaltigen Adern durchsetzten gelben Sandsteines und dem leuchtend gelben Mörtel, die aufgehenden Mauern aber aus grünlichen, sehr harten Sandsteinquadern mit dem uns schon bekannten silbergrauen Mörtel ... Das Material der Fundamente des Baus von 1129 hebt sich durch die verwendeten weißen Sandsteinblöcke mit weißem Mörtel ... ganz deutlich ab." [WÄSCHER, 36]

Der "gelbe Mörtel" wurde von WÄSCHER an folgenden Bauteilen gefunden (nach [LEOPOLD]):

  • zweite Schicht in den Fundamenten der Mittelschiffsarkaden [ebd., 48]
  • Ostwandfundament im nördlichen Querarm [ebd., 32]
  • Fundamentecke nördlich der Nordostecke des Chores [ebd., 32]
  • zwei westliche Kryptajoche und Arkade zum südlichen Querarm [ebd., 34, 59]
  • Kapelle St. Nicolai in vinculis und Treppenraum [ebd., 42]
  • Fundament südlich der Confessio [ebd., 59] (Konnte vom Autor leider weder bei LEOPOLD noch bei WÄSCHER identifiziert werden.)
  • Spannfundament unter der Ostwand des heutigen Turmzwischenbaus [ebd., 56] (wird von LEOPOLD bezweifelt)

Es erhebt sich natürlich die Frage, wie WÄSCHER zu der Datierung "um 1000" für den gelben Mörtel kam?

Soweit vom Autor erkennbar, ordnete er den "gelben Mörtel" zwei seiner, von ihm (falsch) rekonstruierten Bauphasen zu und verband diese dann mit der Baunachricht von 997 und der Nachricht über die Weihe von 1021, nach Auffassung des Autors beides spätere Fälschungen.

WÄSCHERs Datierung "um 1000" ist somit auf einen Zirkelschluss seinerseits zurückzuführen.

Nachfolgend setzte er alle Bauteile, wo der "gelbe Mörtel" festgestellt wurde, der Zeit "um 1000" zu.

Noch schwerwiegender wirkte sich ein weiterer Fehler WÄSCHERs aus. Aus den unterschiedlichen Baumaterialien schloss er auf zeitlich separate Bauphasen, ohne in Erwägung zu ziehen, dass es Gründe geben könnte, ein anderes, z. B. billigeres Baumaterial am selben Bau einzusetzen.

Durch diese äußerst problematische Verfahrensweise entstand ein völlig falsches Bild der Baugeschichte. Leider haben LEOPOLD, aber auch VOIGTLÄNDER, diese Fehler WÄSCHERs im Wesentlichen kritiklos übernommen.

So schloss z. B. LEOPOLD aus den drei Schichten der Arkadenfundamente, darunter der "gelbe Mörtel" in der zweiten Schicht, auf drei verschiedene Kirchenbauten an derselben Stelle [LEOPOLD, 41] - natürlich ein fataler Fehlschluss.

Plausibler ist, dass man bei den vorbereitenden Baumaßnahmen generell so vorging, wie SCHEFTEL für die Münzenbergkirche aus Mauerwerksuntersuchungen festgestellt hat: "Dabei trug man zur Vorbereitung des Baugrundes zunächst die oberste, brüchige Sandsteinschicht ab und mauerte mit diesem Material die Grundmauern bis auf eine Höhe von ca. 60-80 cm auf." [SCHEFTEL 2006, 173f]

Vermutlich legte man bei Baubeginn die Grundmauern mit dem am Ort anfallenden Material grob an, danach, in einem folgenden Schritt, mauerte man diese weiter auf, wobei man auf preisgünstiges Liefermaterial eines örtlichen Lieferanten, z. B. gelber Sandstein und gelber Mörtel, zurückgriff, bis man dann die endgültige aufgehende Konstruktion aus dem Liefermaterial errichtete, das für den aufgehenden Bau vorgesehen war. Größere zeitliche Abstände zwischen den einzelnen Bauschritten sind dabei keinesfalls zwingend, drei verschiedene Kirchenbauten schon gleich gar nicht.

Verwendung fand der "gelbe Mörtel" offensichtlich für untergeordnete bzw. später zu verputzende Bauteile.

Der Autor geht davon aus, dass diese ortsnahe Baustoffquelle für den "gelben Mörtel" über einen gewissen Zeitraum zur Verfügung stand; die erste Verwendung etwas vor bzw. um die Mitte des 11. Jh., die späteste vielleicht Anfang des 12. Jh.

Bisherige Rekonstruktionen der
Baugeschichte

Seit der Veröffentlichung der Grabungsergebnisse haben sich zahlreiche namhafte Experten zur Rekonstruktion der frühen Baugeschichte dieser angeblich für die Ottonenzeit so wichtigen Kirche geäußert.

Nach Auffassung LEOPOLDs gelang es "ihren Verfassern ... jedoch nicht, die von Wäscher und Giesau mitgeteilten Beobachtungen mit der historischen Überlieferung so weit zur Deckung zu bringen, dass sich für das 10. und 11. Jahrhundert ein einigermaßen gesicherter Bauablauf ergab." [LEOPOLD, 14]

Zur Klärung der "Ungereimtheiten" beschäftigte sich LEOPOLD intensiv mit allen erreichbaren Unterlagen der Grabungen und führte "an einigen entscheidenden Stellen eine Nachprüfung der Befunde am Ort" durch [ebd., 14].

Im Ergebnis konnte er eine eigene Interpretation der Baugeschichte präsentieren, die nachfolgend in kurzer Form wiedergegeben wird (Die nachfolgenden Quellenangaben entsprechend [LEOPOLD]):

Bau Ia: Burgkirche König Heinrich I.

Kleine 3-schiffige Anlage, 12 m breit, 15 m lang, innen 10 m x 9,5 m. Das Mittelschiff hatte eine Breite von 4,5 m, die Seitenschiffe je 1,7 m. Die...

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