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Die personenbedingte Kündigung wegen Krankheit

AutorEva-Maria Nott
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl96 Seiten
ISBN9783656820048
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Arbeitsrecht, Note: 2,1, Hochschule Osnabrück, Sprache: Deutsch, Abstract: Fehlzeiten verursachen enorme Belastungen, die sich auf unterschiedliche Weise auswirken. Erkrankt ein Mitarbeiter, so hat der Arbeitgeber zur Wahrung der betrieblichen Interessen Alternativen zur Arbeitsvertretung zu finden, um Produktionsrückstände oder Maschinenstillstände zu vermeiden oder zumindest möglichst gering zu halten. Andere Arbeitnehmer müssen einspringen und die Arbeit des gesundheitlich beeinträchtigten Kollegen übernehmen. Neben dem betrieblichen Mehraufwand kann das Fehlen eines Arbeitnehmers auch finanzielle Beeinträchtigungen mit sich führen. Steigt die krankheitsbedingte Abwesenheit nicht über eine Dauer von sechs Wochen hinaus, so leistet der Arbeitgeber eine Entgeltzahlung ohne im Gegenzug die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erhalten. Dennoch können nicht bereits vereinzelte Fehltage als erheblich beeinträchtigend ausgelegt werden. In einem gewissen Rahmen hat der Arbeitgeber diese hinzunehmen, bevor er mit Aussicht auf Erfolg eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen kann. Ein Vergleich zwischen dem Krankenstand in den 80 er Jahren und der heutigen Arbeitsunfähigkeit zeigt einen Rückgang von knapp 2%. Verantwortlich dafür sind verbesserte Arbeitsbedingungen, Investitionen in das Gesundheitsmanagement, aber auch die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Diese Angst ist nicht unbegründet, da es sich bei der krankheitsbedingten Kündigung um den praktisch bedeutsamsten Unterfall einer personenbedingten Kündigung handelt. Die Voraussetzungen einer solchen Kündigung werden durch den Gesetzgeber sowie durch die Rechtsprechung definiert. Die vorliegende Arbeit zeigt auf, welche Erfordernisse an eine rechtmäßige krankheitsbedingte Kündigung gestellt werden. Dabei werden die vier durch die Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen anhand des dreistufigen Prüfungsschemas einzeln erläutert. Dabei kann jede der Fallgruppen einen Kündigungsgrund darstellen. Die Aufführung kündigungsrelevanter Einzelfälle befasst sich darüber hinaus mit problematischen Krankheitsformen, wie z.B. dem Alkoholismus oder der AIDS-Erkrankung. Da der Schwerpunkt jedoch nicht ausschließlich auf der Freisetzung eines Mitarbeiters liegen soll befasst sich die Arbeit weiterhin mit dem themenbezogenen betrieblichen Eingliederungsmanagement. Eine solche Maßnahme setzt die Umgestaltung des Arbeitsplatzes voraus und gibt dem erkrankten Mitarbeiter damit die Möglichkeit weiterhin einer Beschäftigung nachzugehen.

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Leseprobe

C. Die krankheitsbedingte Kündigung als Unterfall der personenbedingten Kündigung


 

Die Sicherheit, einen Mitarbeiter von Beginn seiner Berufsausbildung bis hin zum Rentenalter beschäftigen zu können, bleibt leider vielen Arbeitgebern verwehrt. Wirtschaftliche sowie persönlich bedingte Faktoren tragen zu einer Fluktuation bei und speziell rechtliche Gegebenheiten bedingen heutzutage einen Arbeitsplatzwechsel. Ein häufiger Grund, welcher zur Beendigung oder zumindest zur Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses führt, ist die gesundheitliche Einschränkung eines Arbeitnehmers.

 

Das statistische Bundesamt zeigt in einer Datenerhebung, dass der Krankenstand in Deutschland im Zeitraum von 2007 bis 2011 stetig gewachsen ist.[81] War der Arbeitnehmer im Jahr 2007 noch durchschnittlich 7,9 Tage krankheitsbedingt abwesend, so belief sich die Zahl im Jahr 2011 dagegen bereits auf 9,5 Tage. Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei die Tatsache, dass zur Berechnung des Krankenstands nur Krankmeldungen erfasst werden, die eine Abwesenheit von drei Tagen überschreiten. Dies also bedeutet, dass die Anzahl berechneter Krankheitstage ansonsten deutlich höher ausfiele. Auch die vergangenen zwei Jahre lassen auf keine Reduzierung der krankheitsbedingten Fehltage schließen. Im Gegenteil, folgt man den zahlrechen Meldungen diverser Krankenkassen, ist in der Entwicklung von einem weiteren Anstieg auszugehen. Die häufigsten Krankheitsarten, die Fehlzeiten verursachen, sind dabei Muskelerkrankungen, akute Verletzungen, Atemwegserkrankungen, Herz- und Kreislauferkrankungen sowie psychische Erkrankungen.[82]

 

Jeder krankheitsbedingte Fehltag bedeutet, dass der Arbeitnehmer seiner Pflicht der Leistungserbringung nicht nachkommen kann, was für den Arbeitgeber auf das Jahr gerechnet erhebliche, wirtschaftliche Einbußen bedeutet. Dieser Umstand erklärt, dass es sich bei der Kündigung wegen Krankheit um den Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung handelt.[83]

 

Eine in der Praxis weit verbreitete Annahme besagt, dass das Arbeitsverhältnis während der Krankheit des Arbeitnehmers nicht durch eine Kündigung beendet werden darf.[84] Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass keine gesetzliche Norm existiert, die gleiches wiedergibt.[85] Würde die Krankheit tatsächlich einer Kündigungserklärung entgegenstehen, so befände sich der Arbeitnehmer in einer Art absolutem Schutzbereich, welcher sozusagen einem „Freifahrtschein“ gleichkäme. Der Arbeitgeber hätte keinerlei Handlungsspielraum und müsste jegliches Handeln des Arbeitnehmers während seiner Krankphase schlichtweg akzeptieren. Auch das LAG Kiel hat diesbezüglich bestätigt, dass sich der Betrieb aufgrund des KSchG keine Aufgaben der Wohlfahrt zuzuweisen hat.[86] Der Ausspruch einer Kündigung ist somit entgegen der Annahme während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht sozialwidrig.[87]

 

I. Krankheit als Kündigungsgrund


 

Erkrankt der Arbeitnehmer, erbringt aber dennoch die geschuldete Leistung ohne jegliche Einschränkungen, so steht für den Arbeitgeber eine Entlassung nicht zur Diskussion.[88] Aber auch im Falle krankheitsbedingter Nicht- oder Schlechtleistung kann der Arbeitgeber die Kündigung nicht allein mit der Krankheit als Begründung sozial rechtfertigen.[89] Der eigentliche Kündigungsgrund liegt nämlich nicht in der Krankheit als solche, sondern in der Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen und der daraus resultierenden Beeinträchtigungen wirtschaftlicher Belange des Arbeitgebers.[90] Aus diesem Grund ist zu überlegen, warum die Thematik der krankheitsbedingten Kündigung überhaupt als separater Sonderfall personenbedingter Kündigungen behandelt wird, da für anderweitige fehlzeitenbedingte Kündigungen z.B. wegen Leisten des Wehrdienstes oder Kinderbetreuung gleiche Grundsätze gelten müssten, für die ebenfalls nicht der Grund der Fehlzeit im Vordergrund steht, sondern die Fehlzeit als solche.[91] Trotz einer übereinstimmenden Prüfungsweise werden die Fälle krankheitsbedingter Kündigungen in der Literatur jedoch gesondert behandelt.

 

Vielleicht ist dieser Umstand lediglich darauf zurückzuführen, dass die Krankheit als Ursache für betriebliche Beeinträchtigungen der häufigste Grund personenbedingter Kündigungen ist.[92] Obwohl dem Begriff der Krankheit damit eine zentrale Bedeutung zukommt, ist er im Gesetz nicht eindeutig definiert[93] und muss zunächst im medizinischen Sinne verstanden werden.

 

II. Der Krankheitsbegriff


 

Krankheit ist im medizinischen Sinne ein Zustand, in welchem eine Beeinträchtigung oder Störung des körperlichen oder seelisch-geistigen Leistungsvermögens infolge von Schädigung oder Veränderung vorliegt.[94] Von einer Störung oder Beeinträchtigung ist auszugehen, wenn ein derartiger Zustand im Lebenslauf gleichaltriger Menschen mit gleichem Geschlecht nicht zu erwarten ist.[95] Der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand muss durch medizinische Symptome feststellbar sein.[96] Die Krankheit zieht dann eine notwendige Heilbehandlung nach sich, welche die Verhinderung einer Verschlimmerung bzw. eine vollständige Genesung beabsichtigt.[97] Demzufolge fallen auch Suchtkrankheiten wie Nikotinabhängigkeit, Drogensucht oder Alkoholismus unter den Begriff der Krankheit.[98] Das LSG Stuttgart fasst den Begriff weiter und versteht sogar Transsexualität darunter[99], was jedoch (Gott sei Dank) nicht der herrschenden Meinung entspricht[100].

 

Die Ursachen einer Krankheit können z.B. Veranlagung, Geburtsfehler, Ansteckung oder Umwelteinflüsse sein, auf die es jedoch in Zusammenhang mit dem Begriff der Krankheit allgemein nicht ankommt.[101]

 

Folgt man nun der Rechtsprechung des BSG, so ist die Konsequenz einer Krankheit die Arbeitsunfähigkeit.[102] Der medizinische Krankheitsbegriff kann somit nicht konform zum arbeits- und sozialrechtlichen Verständnis von Krankheit gesehen werden[103], da die Krankheit im Bereich des Arbeitsrechts erst dann Relevanz hat, wenn der Arbeitnehmer so weit eingeschränkt ist, dass er seiner Arbeit nicht mehr im Umfang seiner Leistungsschuld nachkommen kann und seine vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllt. Nicht alle Arbeitnehmer, die unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden, sind jedoch arbeitsunfähig. Leichter Schnupfen oder harmlose Prellungen werden den Arbeitnehmer i.d.R. wohl kaum in seiner Arbeitsfähigkeit einschränken.[104]

 

Die Art der gesundheitlichen Beeinträchtigung muss ins Verhältnis zur geschuldeten Leistung gesetzt werden, da sich ein bestimmtes Krankheitsbild je nach Anforderungsbereich unterschiedlich auf die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auswirken kann. Ein Bauarbeiter ist im Falle einer orthopädischen Gelenkverletzung in seiner Fähigkeit der Arbeitsleistung sicherlich erheblich eingeschränkter als ein kaufmännischer Angestellter, der ohne körperliche Anstrengung seinem Bürojob nachgeht.

 

Die Feststellung, ob von einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden kann, liegt allein im Verantwortungsbereich des Arztes. Dieser hat unter Berücksichtigung der Tätigkeitsanforderung des Arbeitnehmers und seiner entsprechenden gesundheitlichen Beeinträchtigung abzuwägen, ob der Betroffene seiner Leistungserfüllung weiterhin nachkommen kann oder eingeschränkt ist.[105] Für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit besteht nicht die Voraussetzung, dass es dem Arbeitnehmer unmöglich ist, seiner Arbeit nachzugehen, sondern ausreichend ist die Empfehlung des Arztes über die bloße Arbeitsfernhaltung.[106]

 

Ist der Arbeitnehmer aufgrund seiner Krankheit nur in der Verfassung, Teilarbeit zu leisten, so ist er i.S. des Gesetzes gleichwohl als arbeitsunfähig zu sehen.[107] Der Arbeitnehmer kann schließlich im Rahmen seiner Teilarbeit, die vertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbringen und ihm bleibt nur die Möglichkeit dem Arbeitgeber eine andere Arbeit als die vertraglich vereinbarte Arbeit anbieten. Der Arbeitgeber ist nach § 266 BGB im Zuge dessen nicht dazu verpflichtet, dieses eingeschränkte Angebot der Arbeitsleistung anzunehmen.

 

III. Die Fallgruppen krankheitsbedingter Kündigung


 

Die Rechtsprechung unterscheidet vier Fallgruppen der krankheitsbedingten Kündigung. Im Hinblick auf die soziale Rechtfertigung werden alle Kündigungsgruppen, wie jede andere personenbedingte Kündigung auch, auf die gleiche Weise mittels eines dreistufigen Schemas geprüft.[108] Da die Schwerpunkte der entsprechenden Prüfungsstufen bei den einzelnen Fallgruppen jedoch unterschiedlich gesetzt sind, werden sie getrennt voneinander vorgestellt.

 

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