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Die Pest in Salzburg

AutorLeopold Öhler
VerlagVerlag Anton Pustet
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783702580131
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Der Arzt und Historiker Leopold Öhler schildert die 'laidige Contagion', wie die Pest auch genannt wurde, er erzählt vom Alltag während der Pestzeit, den Schwierigkeiten bei der Lebensmittelbeschaffung, der medizinischen Versorgung und den menschlichen Tragödien. Diese Katastrophe hat die damalige Gesellschaft nachhaltig geprägt, und viele Spuren sind bis heute sichtbar - so gibt es auf vielen Friedhöfen Gedenksäulen, die dem heiligen Sebastian und dem heiligen Rochus gewidmet wurden. Erstaunlich ist, dass wichtige Einrichtungen unseres heutigen Gesundheitswesens aus der Pestzeit stammen - das Gesundheitsamt oder das Epidemiegesetz, das Isolierung, Quarantäne, Raumdesinfektion oder Absperrung ganzer Gebiete regelt. Ein Buch über ein dunkles Kapitel in der Geschichte Salzburgs mit vielen erhellenden Informationen.

Leopold Öhler, geboren 1935 in Wien, Schulzeit und Medizinstudium in Wien. 1961 Promotion zum Dr.med und Übersiedlung nach Salzburg, Ausbildung zum Kinderfacharzt am St. Johanns Spital. Von 1969 bis 2001 als Pädiater niedergelassen, in Ärztekammer, Arbeitskreis für Vorsorgemedizin AVOS und anderen Vereinen tätig. 2001 Beginn des Geschichtsstudiums an der Paris Lodron Universität Salzburg, 2011 Promotion zum Dr.phil.

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Leseprobe

Seuchen in der Geschichte der Menschheit


Seuchen zählen zu jenen Katastrophen in der Menschheitsgeschichte, die nachhaltig die Gesellschaft prägen und eindrucksvoll in das Leben des Einzelnen eingreifen. Gerade die Pest hat viele bleibende Spuren hinterlassen. Vor 300 Jahren wurde das Erzstift Salzburg zum letzten Mal von dieser schrecklichen Krankheit heimgesucht, doch heute ist die Bedrohung weitgehend vergessen und selbst steinerne Erinnerungszeichen werden nicht mehr mit der Pest in Verbindung gebracht. Fremd ist uns die Tatsache geworden, dass das Erzstift Salzburg im »Zeitalter der Pest« Teile Nord- und Osttirols sowie Bayerns umfasste und das Innviertel bayerisch war.

Seitdem Menschen in größerer Zahl auf engem Raum zusammenleben und ansteckende Krankheiten sich schnell ausbreiten können, begleiten Seuchen die Menschheit. Mit dem Wort »Seuche« verbindet man etwas Unheimliches, etwas Lebensbedrohendes. Die großen, Kontinente bedrohenden Ausbrüche von Pest, Cholera und Pocken sind zwar Geschichte, vergessen wird aber, dass es auch heute noch Cholera, Ruhr und Fleckfieber in Zusammenhang mit Kriegen und Naturkatastrophen gibt und Kinderlähmung, Syphilis und Tuberkulose nur eingedämmt sind. Als Epidemie bedroht die HIV-Erkrankung AIDS die Existenz ganzer Staaten, während nur die Pocken für ausgerottet erklärt worden sind. Daneben zählen epidemisch auftretende Krankheiten wie Masern, Keuchhusten und Diphtherie zwar zu den sogenannten Kinderkrankheiten, sind aber ebenfalls Seuchen, da ihre Erreger wegen der hohen Ansteckungsfähigkeit viele Menschen, vor allem Kinder, befallen können.

Unter einer Seuche versteht man eine ansteckende Krankheit, die viele Menschen in einem Gebiet zur selben Zeit mit gleichen Symptomen befällt. Das Wesen einer Infektion, die Ansteckung, war dem prähistorischen Menschen und den altorientalischen Völkern noch nicht bekannt und sie glaubten, dass nicht nur Einzelerkrankungen, sondern auch seuchenhaft auftretende Krankheiten durch Dämonen hervorgerufen würden. Um sie auszutreiben, wurden geisterabwehrende Räucherungen und Beschwörungen vorgenommen.1 Der griechische Arzt Hippokrates definierte Seuchen so: »Wenn viele Menschen von einer Krankheit zu derselben Zeit befallen werden, so muss man dem die Schuld beimessen, was in weitestem Sinn allen gemeinsam ist und was die meisten gebrauchen …«. Der Begriff der Ansteckung war allerdings der hippokratischen Schule fremd und die Diskussion über die Genese von Seuchen tobte in der Ärzteschaft bis weit in das 19. Jahrhundert hinein. Das Auftreten der Cholera in Europa mit ihren vielfältigen Erscheinungen lieferte den Streitparteien jeweils neue Argumente.

Seuchen wurden anfänglich bei den Griechen als göttliche Strafen gesehen, wie zum Beispiel in Homers Ilias, als die Götter Apoll und Artemis mit Pfeilen eine tödliche Seuche in das Lager der Griechen schossen. Erst ab dem 5. Jahrhundert entwickelten die hippokratischen Ärzte ein rationaleres Erklärungsmuster.

Als die Araber im Verlauf ihrer Eroberungskriege mit den Gedanken der hellenistischen Medizin bekannt wurden, übersetzten sie die Schriften der griechischen Ärzte und reicherten dieses Wissensgut mit ihren Erfahrungen an. Wie im Christentum hatte sich auch im Islam allgemein die Meinung durchgesetzt, dass die pflanzlichen und mineralischen Heilmittel wie überhaupt auch die ärztliche Kunst Gaben Gottes seien, die der Gläubige im Ernstfall nicht verschmähen sollte. Es hieß, ein Rechtgläubiger solle weder verseuchtes Land betreten noch verlassen, denn Pestilenz sei für den Gläubigen eine Gnade und ein von Gott auferlegtes Martyrium, für Ungläubige aber eine Sündenstrafe.

Der europäische Mensch des Mittelalters musste mit einer großen Zahl an Krankheiten leben, die in der Regel epidemischen Charakter hatten und nur zu oft unheilvoll mit sozialen Notständen verknüpft waren. Die durchwegs bäuerlich fundierte Kultur des Mittelalters war geprägt von Naturkatastrophen und wirtschaftlichen Krisen, die begleitet wurden von klassisch epidemischen Krankheiten wie Aussatz oder Lepra und Pest, Antoniusfeuer und auch epidemisch auftretenden Massenpsychosen2, besonders aber von der Pest. Neben den angeführten Krankheiten traten noch Malaria, Ruhr, Englischer Schweiß, Pocken, Typhus und eine Fülle anderer ansteckender Krankheiten auf, deren nachträgliche Diagnose häufig noch heute große Schwierigkeiten aufwirft.3 Während Typhus, Pocken, Diphtherie, Kinderlähmung oder gefährliche Grippewellen trotz zahlreicher Opfer überwiegend regionale Bedeutung hatten, überrollte 1348 die Pest praktisch ganz Europa. Selbst die Syphilis erzeugte später nicht jenes Gefühl von Angst, Einsamkeit und Verzweiflung, das in den folgenden Jahrhunderten das Auftreten der Pest in den betroffenen Regionen auslöste. In der »Kulturgeschichte der Neuzeit« schildert Egon Fridell den Auftritt der Pest in Europa: »Genug, sie war auf einmal da, zuerst in Italien; und nun schlich sie über den ganzen Erdteil. Denn sie verbreitete sich, was ihre Unheimlichkeit erhöhte, nicht reißend wie die meisten anderen Epidemien, sondern zog langsam, aber unaufhaltsam von Haus zu Haus, von Land zu Land. […] Was sie noch grausiger machte, war ihre Unberechenbarkeit; sie verschonte ganze Landstriche, zum Beispiel Ostfranken, und übersprang einzelne Häuser, sie verschwand oft ganz plötzlich und tauchte nach Jahren wieder auf.«4 In den folgenden 400 Jahren bedeutete der Umgang mit Epidemien vor allem das Leben mit der Pest. Dabei wurden bereits während des Schwarzen Todes von 1348 Methoden der Prophylaxe und der Abwehr entwickelt, denen man offensichtlich bis ins 19. Jahrhundert vertraute. Vor allem bei der Quarantäne Verdächtiger und der Isolierung Kranker unterschied sich der Pestalltag in den folgenden Jahrhunderten nur wenig von dem des 14. Jahrhunderts.5 Die bislang letzte Pest-Pandemie begann 1894 in den chinesischen Städten Kanton und Hongkong und griff 1896 auf Indien über, wo sie bis 1918 rund 10,5 Millionen Tote forderte. Auf dem Seeweg wurde sie durch infizierte Ratten nach Afrika, Südamerika und in die USA übertragen, wo sie heimisch wurde, allerdings ohne noch einmal epidemische Ausmaße anzunehmen.

Auch heute noch treten Infektionskrankheiten seuchenhaft als lokale Epidemien auf, wie die Cholera in Schwarzafrika und Südamerika sowie die Pest in Südostasien. Die einzige bedrohliche Pandemie ist aber im Moment die Immunschwächekrankheit AIDS, die durch die Ansteckung mit dem HI-Virus ausgelöst wird. So sind weltweit derzeit insgesamt 35,3 Millionen Menschen infiziert, bereits über 37 Millionen sind bisher daran verstorben; allein 2013 starben daran 1,6 Millionen Menschen und es gab 2,3 Millionen Neuerkrankungen. Besonders betroffen ist Afrika südlich der Sahara, 67 Prozent aller Infizierten leben. Swasiland ist der Staat mit der höchsten Infektionsrate der Welt, 25 Prozent der Erwachsenen sind dort HIV-positiv. Trotzdem gilt Afrika, das mit vielen Seuchen leben muss, als aufstrebender Erdteil, denn wie Camus in seinem Buch »Die Pest«, der Schilderung einer fiktiven Pestepidemie in Nordafrika, einen Patienten sagen lässt »… Aber was heißt das schon, die Pest? Es ist das Leben, sonst nichts. …«

Die Pest in den Köpfen der Menschen


Während die Menschheit ganz allgemein Seuchen als selbstverständliche Begleitung im Verlauf ihrer Geschichte empfand, war die Pest wegen ihrer Unberechenbarkeit nicht nur ein kurzfristiges Ereignis für die betroffene Gesellschaft, sondern auch bestimmend für die Mentalität eines Zeitalters. Ihre Allgegenwart von der Mitte des 14. bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte das Bild von Krankheit in den Köpfen der Menschen.6 Ein Pestausbruch prägte die Gesellschaft und hinterließ Spuren in ihrem Bewusstsein, die sich vielfach bis in die heutige Zeit erhalten haben. Die Obrigkeiten entwickelten Methoden der Vorbeugung und Abwehr, die auf den Erfahrungen mit der Lepra basierten, und übernahmen Aufgaben und Kompetenzen, welche den Grundstein für ein modernes Sanitätswesen legten. Darüber hinaus mussten die Obrigkeiten zur Stabilisierung der gesellschaftlichen Ordnung den Lebensunterhalt der ärmeren Untertanen sicherstellen, um sozialen Unruhen vorzubeugen. Auf alle Fälle entstand durch die Reaktionen der Obrigkeiten auf die Pest im Bewusstsein der Bevölkerung trotz aller individuell empfundener Beschränkungen ein Gefühl der staatlichen Obsorge, welches, andersherum betrachtet, aber durchaus mit dem Wort »Sozialdisziplinierung« umschrieben werden könnte.

War dieses Bewusstsein für die Pest in der Bevölkerung anfangs noch eher unklar, gab und gibt es Erinnerungen an sie im Alltag. Denn die Pest war zu ihrer Zeit immer gegenwärtig – als erinnerte Vergangenheit, als bedrohliche Zukunft oder als die in der Gegenwart herrschende und alles beherrschende Seuche. Nichts zeigt die Wirkungsmacht eines Phänomens deutlicher, als wenn die Zeitgenossen selbst es als erinnernswert einstufen. Als erinnerte...

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