Es ist schwer von der Benediktinerabtei Weltenburg nicht fasziniert zu sein. Die Lage am wildromantischen Donaudurchbruch nahe Regensburg, das Flair eines Klosters mit einer mehr als tausendjährigen Geschichte sowie das in geheimnisvolles Dämmerlicht gehüllte Interieur des als Asamkirche apostrophierten Gotteshauses lassen kaum einen Besucher unbeeindruckt. (Abb.1) Sehr alt ist die aktuelle Klosteranlage allerdings nicht. Die mittelalterlichen Bauten (Abb.2) wurden aufgrund Baufälligkeit im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts geschliffen, die aktuelle Abtei entstand zwischen 1714 und 1725. Von der ursprünglichen Bausubstanz sind nur das Gemäuer des Kirchturmes und ein Teil der Unterkellerung der alten Kirche erhalten geblieben. Während es sich beim Konventtrakt und den Wirtschaftsgebäuden des Neubaus um schlichte, schmucklose Zweckarchitektur handelt, ist die zwischen 1716 und 1719 im Rohbau fertig gestellte und bis 1736 ausgestaltete Klosterkirche sowohl was den Grundriss (Abb. 3) [1], als auch die Auszierung (Innenausstattung) betrifft als außergewöhnlich zu betrachten. Es handelt sich um den „ersten bayerischen Großbau in Form einer Ovalrotunde."[2] In der Längsachse sind der Rotunde Anräume angeschlossen und zwar im Osten ein kurzes Presbyterium mit einem Bühnenaltar und im Westen eine Vorhalle in gleicher Größe, allerdings niedriger, da darüber der Psallierchor mit der Orgel eingerichtet wurde. Im Gemeinderaum befinden sich an den Längsseiten zwei bis zur Attika reichende freskierte Nischen, die mit Beichtstühlen [3] ausgestattet sind, während die vier Nischen der Nebenaltäre an den Schrägseiten wesentlich niedriger gehalten wurden. Der Zentralbau wird nicht von einer Kuppel, sondern von einem Tambour gekrönt, dessen Fenster das große Deckenfresko direkt ausleuchten, indirekt aber auch den Gemeinderaum, der vom Tambour den Großteil des eher spärlichen Lichtes bezieht. Der Lichtmangel hat mehrere Gründe. Da der Tambour aufgrund des harten Überganges zwischen der senkrechten Fensterzone und der waagrechten Decke keine Möglichkeit zu einer überzeugenden illusionistischen Himmelsdarstellung bietet, wurde auf den Gemeinderaum ein Halbgewölbe [4] aufgesetzt, das den Übergang von der Decke zur Fensterzone und die Fenster selbst der Sicht entzieht und lediglich den Blick auf das Deckengemälde freigibt. Das Deckenlicht kommt dadurch nur mehr indirekt, also schwächer zur Wirkung. Zweitens schließt die Abteikirche im Norden fast fensterlos an das Konventgebäude an, während die direkte Beleuchtung über das einzige Südfenster durch den unmittelbar angrenzenden steilen Nordhang des Frauenberges stark eingeschränkt wird. Das große Fenster in der Westfassade wiederum erhellt fast nur den Psallierchor, da die große Orgel zwischen Chor und Gemeinderaum wie ein Paravent wirkt. Das Presbyterium wird dadurch zum dunkelsten Bereich der Kirche, ein Eindruck der durch den hell hinterleuchteten Triumphbogen des Bühnenaltars noch verstärkt wird, wo der hl. Georg dem Besucher beritten und triumphierend als Sieger über das Böse entgegentritt. Die Innenausstattung ist mit ihrer Säulenarchitektur, dem reichen, buntfarbigen Dekor stilistisch und atmosphärisch dem römischen Hochbarock verpflichtet, allerdings nicht ohne durch „theatermäßige Überraschungen" [5] (Abb. 21) bayerische Akzente aufzuweisen.
Für Einsteiger bietet eine Kirchenführung die Gelegenheit, sich einen groben Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu verschaffen. Es sollen also die genialen Brüder Cosmas Damian (1686 - 1739) und Egid Quirin Asam (1692 - 1750) gewesen sein, die diesem außergewöhnlichen sakralen Bauwerk ihren Stempel aufdrückten und nicht zuletzt mit ihm ihren Status als bayerische Ikonen begründet haben. Man steht damit durchaus im Einklang mit der Meinung der namhaftesten Kunsthistoriker, [6] die davon ausgehen, dass Cosmas Damian Asam sowohl die zündende Idee für das Grundkonzept der Kirche, den Zentralbau, wie auch für die Innenausstattung hatte und diese Idee als Architekt, Freskant und Maler gemeinsam mit seinem als Stuckateur tätigen Bruder Egid Quirin Asam auch umsetzte. Untermauert wird diese Annahme sowohl durch die Aussagen namhafter Chronisten als auch durch die Signatur am Deckenfresko, die sowohl auf die Tätigkeit von Cosmas Damian als Maler wie auch auf jene als Architekt verweist. Auch in der aktuellsten Publikation zu diesem Thema, der Dokumentation der Gesamtinstandsetzung 2008, gehen die involvierten Bauforscher und Bauhistoriker weitgehend einhellig von dieser Annahme aus.[7] Beim Studium der Sekundärliteratur erfahren wir, dass Bernhard Kerber vorbildhaften Grundrissen und Aufrissen nachgegangen ist und auf Entwürfe von Andrea Pozzo gestoßen ist,[8] Inge Krüger [9] und Jürgen Sauermost [10] knüpften Verbindungen zu Sant' Andrea al Quirinale und Otmar Endres [11] zu San Carlo alla Quattro Fontane. Bezüglich Innengestaltung lässt die Forschung keine Zweifel am Vorbildcharakter von Andrea Pozzos Entwurf für das Presbyterium der römischen Jesuitenkirche Il Gesu,[12] dessen klassisch-römischer Barockstil auch im restlichen Kirchenraum übernommen wurde. Was den Umbau der Ostfassade betrifft kam der bislang mehrheitlich kolportierte Frühtermin (1716 - 1719) [13] durch ein dendrochronologisches Gutachten [14] im Rahmen der Gesamtinstandsetzung ebenso ins Wanken wie der Spättermin von Eckhardt Knorre[15] (1718: Umbau der Apsis; 1735/36: Verlängerung der Apsis über die Dachtraufe mit Anbringung des Glorienfensters, Erstellung des aktuellen Hochaltars mit allen Figuren).[16]
Wer sich eingehender mit der Baugeschichte beschäftigt, dem stellt sich in Zusammenhang mit den Verantwortlichkeiten am Bau recht bald die Frage, warum Abt Maurus Bächl, ein sehr versierter Bauherr, mit Cosmas Damian Asam ausgerechnet einem absoluten Baudilletanten ohne jegliche Referenzarbeit eine dominante Rolle bei seinem wichtigsten Bauvorhaben eingeräumt haben soll, der 1715 [17] gerade erst im Begriff war sich als Freskant zu profilieren. Ein Blick auf sein Werkverzeichnis führt überdies zur Frage, wie Cosmas Damian, der sich gerade in den entscheidenden Bauphasen der Abteikirche an andere Bauherrn gebunden hat, Zeit gefunden haben mag, dieser übertragenen Verantwortung durch regelmäßige Baustellenaufsicht auch gerecht zu werden. Man findet es auch sonderbar, dass es keinen einzigen Zeitgenossen [18] gibt, der uns ein Zeugnis hinterlassen hat, das Cosmas Damian bei diesem Bau eine besondere Rolle gespielt hätte. Dazu kommt, dass Cosmas Damian als Schöpfer des „einzigartigen Höhepunktes der Raumillusion"[19] und seinem „einzigartigen künstlerischen Einfall [der Lichtführung]"[20] nach Weltenburg nie mehr für Architektenaufgaben herangezogen wurde, ja sich um solche Aufträge offensichtlich auch gar nicht bemüht hat.
Bislang waren es aber nur Hugo Schnell [21] und Henry-Russell Hitchcock die bezüglich des Architektenstatus von Cosmas Damian Asam offiziell Zweifel bzw. Ablehnung [22] artikulierten, beide haben es jedoch vermieden dieser Problematik näher zu treten.
Abgesehen von der Architektenfrage ist es bemerkenswert, dass das Schleifen der Ostfassade und die Errichtung einer Apsis mit seinen umfangreichen Implikationen auf die Errichtung des Hochaltars und die Allusionsfrage der Georgsgruppe bisher auf wenig Interesse stießen. Angesichts solcher Forschungsdefizite ist man über die Tatsache verwundert, dass die vielbeachtete Abtei Weltenburg bislang noch niemals als Thema eines Symposiums gewählt wurde, zumal die 2008 abgeschlossene Gesamtinstandsetzung einen trefflichen Rahmen für eine solche Veranstaltung geboten hätte. Unter solchen Umständen fällt auch nicht mehr ins Gewicht, dass der schon vor Jahren angekündigte große Sammelband über die Abtei bereits ein rundes Jahrzehnt überfällig ist.
Wer zu einer fundierten Baugeschichte der Abtei insbesondere der Kirche kommen will, muss also prüfen, wer und in welchem Zeitraum Ideen zur Gestaltung der Abtei eingebracht bzw. im Rahmen der Umsetzung Verantwortung übernommen hat. Weiters ist von Interesse, ob man sich dabei an Vorbildern orientierte und wo diese gegebenenfalls zu verorten sind. Bedeutsam sind auch alle Fragen, die den Umbau der Ostfassade betreffen, wobei nicht nur der Zeitrahmen sondern auch die Umstände zu beleuchten sind, die den Umbau notwendig gemacht haben. Eng mit diesem Umbau ist auch die Frage verbunden wann welche Teile des Hochaltars aufgestellt wurden. Eine klare Antwort würde auch ein Ende der Allusionsdebatte die Georgsstatue betreffend bedeuten und Klarheit bezüglich der umstrittenen Korrelation Georgsaltar - Neukonstituierung des Georgritterordens unter Kurfürst Karl Albrecht bringen.
Ich habe mich nun in dieser Arbeit bemüht, diese Fragen zu beantworten, nicht ohne auch die historischen und kunsthistorischen Rahmenbedingungen des Baus auszuloten.
Die Methodik war durch den Umstand vorgegeben, dass sich für mich zufallsbedingt sehr früh eine eigenständige, facettenreiche Baugeschichte als Hypothese abzeichnete, es also weniger darauf ankam nach Lösungen zu suchen, als fertige Antworten auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen und damit einer Hypothese zumindest zum Status einer fundierten Theorie zu verhelfen. Im...