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Die Pilgerreise

AutorJohn Bunyan
VerlagSCM R.Brockhaus im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl286 Seiten
ISBN9783417220124
Altersgruppe25 – 70
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Ein Klassiker der christlichen Literatur! Die allegorische Geschichte von Christian beschreibt seinen Weg von seinem alten Leben fernab von Gott bis zu seinem Eintritt in die himmlische Stadt. Auf diesem Weg lernt er viele Menschen kennen und findet Freunde wie auch Feinde. Er hat mit Hindernissen und Widerständen zu kämpfen, aber erfährt dabei immer wieder den Beistand Gottes. Der 1678 verfasste Text wurde nun sprachlich überarbeitet. Enthalten ist auch der zweite Teil 'Christines Pilgerreise'.

John Bunyan (1628-1688) war von Beruf Kesselflicker. Er war ein bewunderter, aber auch verfolgter Prediger, der über zwölf Jahre im Gefängnis saß. Dort entstand u. a. 'Die Pilgerreise', eines der meistübersetzten Werke der Weltliteratur.

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Leseprobe

Die Flucht


Nun sah ich in meinem Traum, wie der Mann anfing zu laufen. Als aber seine Frau und Kinder das sahen, liefen sie ihm nach und riefen, er solle umkehren. Doch der Mann hielt sich die Ohren zu und lief weiter.

„Leben, Leben, ewiges Leben!“, rief er und sah nicht einmal mehr zurück.

Auch die Nachbarn kamen heraus. Als sie ihn laufen sahen, lachten ihn die einen aus, andere drohten ihm und wieder andere schrien ihm nach, er solle doch zurückkommen. Zwei von ihnen waren entschlossen, ihn mit Gewalt zurückzuholen: Der eine hieß Eigensinnig und der andere Gefügig. Der Mann war zwar schon eine gute Strecke gelaufen, aber die beiden holten ihn trotzdem bald ein.

„Warum lauft ihr mir nach, Nachbarn?“, sprach der Mann sie an.

„Um dich zu überreden, mit uns umzukehren!“

„Das kann ich auf keinen Fall! Ich weiß, dass ihr in der Stadt Verderben wohnt, die auch mein Geburtsort ist; doch wenn ihr früher oder später hier sterbt, werdet ihr tiefer hinabsinken als in das Grab und an einen Ort kommen, wo Feuer und Schwefel brennen. Überlegt nicht lange, gute Nachbarn, kommt mit!“

Eigensinnig hatte Bedenken: „Was, wir sollen unseren Freunden und allem Guten den Rücken kehren?“

„Ja!“, erwiderte Christian – so hieß der Mann –, „denn alles, was ihr verlassen werdet, ist es nicht wert, mit dem Geringsten von dem verglichen zu werden, was mich erwartet. Und wenn ihr mit mir geht, werdet ihr es auch bekommen. Da, wo ich hingehe, ist mehr als genug davon. Kommt mit, und seht, ob ich nicht recht habe.“

„Welche Dinge suchst du, dass du die ganze Welt dafür verlässt?“, fragte Eigensinnig.

„Ich suche ein unvergängliches, unbeflecktes und ewiges Erbe, das für die im Himmel aufbewahrt wird, die von ganzem Herzen danach suchen. Da, lest es selbst in meinem Buch, wenn ihr wollt.“

„Weg mit deinem Buch!“, schrie Eigensinnig. „Willst du nun mit uns umkehren oder nicht?“

„Auf keinen Fall! Ich habe meine Hand an den Pflug gelegt …“

„Dann komm, Nachbar Gefügig, lass uns umkehren und ohne ihn nach Hause gehen. Es gibt verrückte Köpfe, die, wenn sie einmal eine fixe Idee haben, sich für schlauer halten als sieben vernünftige Menschen.“

„Nur nicht gleich so ungeduldig!“, mahnte Gefügig. „Wenn wahr ist, was der gute Christian da sagt, dann sind die Dinge, nach denen er sucht, besser als die, die wir haben. Ich wäre doch interessiert, mit ihm zu gehen.“

„Wie? Noch ein Verrückter? Hör auf mich und komm mit zurück! Wer weiß, wohin dich dieser Hirnkranke führt. Kehr um! Sei klug und kehr um!“

„Nicht doch!“, wehrte Christian ab. „Komm du vielmehr mit deinem Nachbarn mit! Die Dinge, von denen ich euch erzähle, sind auf jeden Fall zu bekommen und noch viel Herrlicheres dazu! Glaubt ihr mir nicht, so lest in diesem Buch nach: Die Wahrheit, die darin steht, ist mit dem Blute dessen besiegelt, der das Buch gemacht hat.“

„Nachbar Eigensinnig“, sagte Gefügig daraufhin, „ich gehe mit diesem guten Mann und teile sein Schicksal. Aber“, wandte er sich an Christian, „weißt du denn auch den Weg?“

„Ein Mann namens Evangelist wies mir den Weg zu einer kleinen Pforte. Dort wird man uns lehren, wie der Weg weitergeht.“

So gingen beide miteinander. Und Eigensinnig kehrte zurück zu seiner Familie. Er wollte nicht der Begleiter solcher Schwärmer werden.

Ich sah dann in meinem Traum Christian und Gefügig über die Ebene gehen und hörte sie miteinander reden. Christian begann:

„Nun, lieber Nachbar, ich bin froh, dass du dich entschlossen hast, mit mir zu gehen. Wüsste nur Eigensinnig mehr von den Kräften und Gefahren der unsichtbaren Welt, er würde uns nicht so leichtfertig den Rücken zukehren.“

„Hör, Nachbar Christian, da außer uns beiden jetzt niemand hier ist: Sag mir nun, welche Dinge es denn eigentlich sind, denen wir entgegengehen, und wie wir sie erreichen werden“, wollte Gefügig wissen.

„Ich kann nicht so gut davon reden. Ich will aus meinem Buch vorlesen.“

„Meinst du denn, dass die Worte des Buches wirklich wahr sind?“

„Aber natürlich, denn es sind die Worte von dem, der nicht lügen kann.“

„Nun, das ist gut“, sagte Gefügig. „Was sind es denn für Dinge?“

„Ein ewiges Königreich und ein ewiges Leben – beides soll uns für ewig gegeben werden.“

„Das ist herrlich. Und was weiter?“

„Ehrenkronen sind für uns bestimmt und Kleider, in denen wir leuchten wie die Sonne am Himmel.“

„Wie schön! Und was noch mehr?“

„Da wird kein Leid mehr sein und kein Geschrei, auch keine Schmerzen, denn der Herr jenes Ortes wird alle Tränen von unseren Augen abwischen.“

„Und welche Kameraden werden wir dort haben?“

„Cherubim und Seraphim, Geschöpfe, die deine Augen blenden würden, wenn du sie anschauen würdest. Tausende und Abertausende sind vor uns an diesen Ort gekommen, und keiner von ihnen tut dem anderen Leid an, denn alle sind erfüllt von Liebe und Heiligkeit. Sie leben vor dem Angesicht des Herrn und stehen in seiner Gegenwart und erfreuen sich seines ewigen Wohlgefallens. Dort werden wir auch die Ältesten mit ihren goldenen Kronen sehen. Wir werden die heiligen Jungfrauen mit ihren goldenen Harfen sehen und jene Männer, die aus Liebe zum Herrn jenes Ortes von der Welt zerhackt, in Flammen verbrannt, von wilden Tieren zerrissen und in die Tiefe des Meeres geworfen wurden; und nun sind sie alle glücklich und gekleidet mit Unsterblichkeit wie mit einem Gewand.“

„Das hört sich tatsächlich sehr schön an. Aber kann man sich an diesen Dingen wirklich so erfreuen? Wie bekommen wir denn Anteil daran?“, fragte Gefügig.

„Der Herr, der Herrscher jenes Landes, hat das in diesem Buch aufschreiben lassen. Und das Wesentliche ist, dass er uns das alles umsonst schenken wird, wenn wir nur von Herzen danach verlangen.“

„Gut, lieber Christian, das alles höre ich gerne. Komm, lass uns schneller gehen.“

Aber Christian konnte nicht. „Die Last auf meinem Rücken drückt, ich kann nicht so schnell.“

Nun schwiegen sie beide und ich sah sie in meinem Traum auf einen Sumpf zugehen. Der lag mitten auf dem Weg, und da sie nicht darauf geachtet hatten, fielen sie beide hinein. Der Name des Sumpfes war Hoffnungslosigkeit. Sie waren schon eine Weile darin herumgewatet, als Christian anfing, wegen der Last auf seinem Rücken im Schlamm zu versinken.

„Wo sind wir nur hingeraten, Nachbar Christian?!“, rief Gefügig.

„Ich weiß es auch nicht“, erwiderte Christian.

Gefügig war empört. Zornig schrie er seinen Begleiter an: „Ist dies etwa die Glückseligkeit, von der du gesprochen hast? Wenn es schon am Anfang so schlimm ist – was haben wir dann am Ende unserer Reise zu erwarten? Ich muss jetzt sehen, wie ich mit dem Leben davonkomme. Geh du meinetwegen allein in dein herrliches Land!“ Mit diesen Worten setzte er alles daran, aus dem Morast herauszukommen. Es gelang ihm auch. Er machte sich eilig davon und wurde von Christian nie mehr gesehen.

Christian, nun sich selbst überlassen, taumelte im Sumpf der Hoffnungslosigkeit hin und her. Er versuchte sich zu der Seite des Sumpfes hin durchzuarbeiten, die näher am Licht und der engen Pforte lag. Es gelang ihm auch, die Richtung zu halten, aber wegen der Last auf seinem Rücken schaffte er es nicht, allein herauszukommen. Da sah ich in meinem Traum, wie ein Mann namens Helfer zu ihm kam und ihn fragte, was er da mache.

„Oh Herr“, sagte Christian, „ein Mann namens Evangelist hat mir diesen Weg gewiesen, ich sollte auf jene Pforte dort zugehen, um dem zukünftigen Zorn zu entfliehen, und auf dem Weg bin ich nun in diesen Sumpf geraten.“

„Aber warum hast du nicht auf die Fußstapfen achtgegeben?“, fragte Helfer.

„Ich fürchtete mich so sehr, dass ich den erstbesten Weg nahm, und so kam ich in diesen Sumpf.“

„Nun, gib mir deine Hand.“ Christian streckte seine Hand aus, Helfer nahm sie und zog ihn aus dem Schmutz und Schlamm, stellte ihn auf festen Grund und ließ ihn seinen Weg weitergehen.

Ich trat nun zu dem, der ihn herausgezogen hatte, und fragte ihn: „Herr, weshalb wird wohl dieser Sumpf, der mitten auf dem Weg zwischen der Stadt Verderben und jener Pforte liegt, nicht ausgetrocknet, damit die armen Reisenden mit größerer Sicherheit an ihr Ziel kommen?“

„Das geht nicht“, antwortete er, „denn dies ist der Sumpf, in dem der Abschaum und der Abfall abfließen, die sich immer dann bemerkbar machen, wenn es zur Erkenntnis der Sünde kommt. Deshalb heißt der Sumpf auch Hoffnungslosigkeit. Denn sobald der Sünder seinen verlorenen Zustand erkennt, regen sich in seiner Seele Furcht, Zweifel und bange Sorge. Diese alle lagern sich hier ab und daher kommt es zu diesem Sumpf. Es ist nicht des Königs Wille“, fuhr Helfer fort, „dass dieser Ort so bleibt, wie er ist. Unter Anleitung königlicher Beamter mühen sich schon seit Jahrhunderten die Arbeiter, dieses Stück Land trockenzulegen. Millionen Wagenladungen heilsamer Belehrungen hat der Boden schon verschlungen, die zu allen Jahreszeiten von allen Gegenden des Reiches herbeigeschafft worden sind. Und die Sachverständigen behaupten, es gäbe nichts Besseres, um den Morast in guten Boden umzuwandeln. Aber es hat alles nichts genutzt. Der Gesetzgeber hat zwar dafür Sorge getragen, dass gute und sichere Fußstapfen mitten durch den Sumpf gelegt wurden, aber zu Zeiten, wenn hier der Abfall gärt, was bei eintretender Witterungsveränderung passiert, übersieht man leicht diese Spuren; und selbst wenn sie wahrgenommen werden, so treten die...

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