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Die Rationalität terroristischer Akteure. Implikationen für eine staatliche Antiterrorpolitik

AutorAndre Maier
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl62 Seiten
ISBN9783668043596
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich VWL - Sonstiges, Note: 1,0, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen; Standort Nürtingen (FAVM), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Bachelorarbeit untersucht, ob Selbstmordattentäter und andere Terroristen irrational sind oder ihr Verhalten auf grundsätzlichen, logischen Mustern beruht und versteh- und erklärbar, sprich 'rational', ist. Dieser Fragestellung widmet sich die Arbeit mithilfe von ökonomischen Ansätzen zur Erklärung terroristischen Verhaltens. Abschließend werden sinnvolle und effektive staatliche Maßnahmen der Antiterrorpolitik abgeleitet, die sich gegen rational agierende Terroristen richten.

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Leseprobe

4 Rationalität unterschiedlicher terroristischer Akteure


 

In der Terrorismusforschung wird zwischen verschiedenen Akteuren differenziert. Dazu gehören unter anderem aktive Terroristen und Selbstmordattentäter (vgl. Caplan 2006: 93), ebenso wie die terroristische Organisation (vgl. Abrahms 2008: 82). Auf die Rationalität der verschiedenen Akteure kann in den folgenden Abschnitten nicht immer im wünschenswerten Umfang eingegangen werden. Dies liegt schlichtweg an dem Status quo der Terrorismusforschung: Es gibt lediglich eine begrenzte Anzahl von Untersuchungen zur terroristischer Rationalität, welche zwischen den genannten Kategorien differenzieren. Die Rationalität von terroristischen Organisationen wird im Weiteren auf dem taktischen, operativen und strategischem Level betrachtet (vgl. Berrebi 2009: 170f.). Selbstmordattentäter werden im Sinne von Witte (2007: 18) aufgrund „der besonderen, selbstdestruktiven Qualität ihrer Handlung einer eigenen Betrachtung unterzogen…“.

 

4.1 Zur Rationalität von aktiven Terroristen


 

4.1.1 Die politische Rationalität


 

Caplan (2006: 93) beschreibt aktive Terroristen als solche Individuen, welche sich an den Aktivitäten einer terroristischen Organisation direkt beteiligen. Im Gegensatz zu einfachen Sympathisanten des Terrorismus und einem Großteil der Bevölkerung, setzen sie sich höheren Risiken und Kosten aus. Die strategische Logik von Sympathisanten fasst Caplan (2006: 94) wie folgt zusammen: „If the cost of participation drastically fell, if they could kill hated enemies at no risk to themselves, they would stop sitting on the sidelines. “ Bedeutet dies nun, dass aktive Terroristen als irrational bezeichnet werden können? Wie können aktive Terroristen rational sein, wenn sie sich offensichtlich höheren Kosten aussetzen als Sympathisanten? Nach Frey (2004: 71) und Caplan (2006: 96) werden ihre vermeintlich höheren Kosten durch großzügige Ausgleichszahlungen an Familie und Verwandtschaft im Todesfall aufgewogen. Zum anderen sind die Gruppenmitglieder keinen höheren Risiken ausgesetzt, als die meisten Kriminellen oder Soldaten im Kriegsdienst (Caplan 2006: 95). So modelliert Ferrero (2006: 858ff.), dass der Beitritt eines Individuums zu einer terroristischen Organisation mit seinem erwarteten Nutzen aus der Mitgliedschaft verbunden ist. Ein rationales Individuum wird nur dann einer terroristischen Organisation beitreten, wenn es einen Nettonutzen erwarten kann. Dies impliziert, dass die Wahrscheinlichkeit eines erheblichen Kostenanstiegs, zum Beispiel durch die Aufforderung zur Selbstopferung, im Auge des Individuums ausreichend klein sein muss. In der Tat werden relativ wenig Terroristen, im Verhältnis zur absoluten Mitgliederzahl, zum Selbstmord aufgefordert (Iannaccone 2003: 10).

 

Aktive Terroristen reagieren des Weiteren auf Anreize. Pape (2003: 346ff.) veranschaulicht, dass terroristische Handlungen grundsätzlich als notwendiges Übel verstanden werden können. Terroristen sind militärisch unterlegen und würden einen Krieg wohl nicht gewinnen. In diesem Kontext generieren terroristische Handlungen den größten politischen Nutzen. Darüber hinaus zeigen Krueger und Meleckova (2003: 128), dass Individuen in Palästina mit überdurchschnittlichem Bildungsniveau arbeitslos sind und deshalb nicht genügend von ihrer Bildung profitieren. Zumindest in Palästina verringert dieser Zustand die Opportunitätskosten von gut gebildeten Individuen, aktiv Terrorismus zu betreiben. Terroristisches Handeln kann in diesem Fall als Ausdruck einer rationalen Entscheidung interpretiert werden. Krieger und Meierrieks (2011: 19) schwächen das Argument von Krueger und Meleckova jedoch ab. In ihrer Zusammenstellung empirischer Untersuchungen zu den Determinanten des Terrorismus finden sie kaum Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass ökonomische Zustände alleine zu Terrorismus führen. Alexander und Klein (2005: 560) schlussfolgern, dass unvorteilhafte Umweltbedingungen eher Sympathisanten als Terroristen „produzieren“. Es zeigt sich, dass niedrige Opportunitätskosten des Terrorismus nur im Einzelfall als Begründung für eine rationale Entscheidung dienen können.

 

Gibt es weitere Anzeichen für weniger rationales oder gar irrationales Verhalten? Abrahms (2008: 84f.) und van Um (2011: 168f.) widersprechen Bryan Caplan sogar in zwei entscheidenden Punkten. Sie argumentieren, dass Terrorismus oftmals nicht das letzte, sinnvolle Mittel zur politischen Zielerreichung darstellt und zumindest einige aktive Terroristen die politischen Ziele ihrer Organisation nicht kennen. Beide Argumente verletzen zum einen die Bedingung der Transitivität und zum anderen die Maximierung des Erwartungsnutzens. So zeigt Abrahms (2008: 84), dass es eine positive Korrelation von terroristischen Operationen in solchen Staaten gibt, in denen Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und freie Parteienbildung herrschen. Dies bedeutet wiederum, dass eine friedliche und unbewaffnete politische Lösung durchaus in der Nutzen-Kosten-Abwägung eines Terroristen von Bedeutung sein sollte. Als Alternative zu Anschlägen könnte genauso gut die Teilnahme an Wahlen, oder eine Verhandlungslösung einen vielversprechenden politischen Nutzen generieren. Die Tatsache, dass von diesem Lösungsansatz nur selten Gebrauch gemacht wird, liegt an einem angeborenen Drang und unerschütterlichem Glauben der Terroristen, dass Gewalt die richtige Alternative darstellt (Abrahms 2008: 85) nach (Hoffman 2006). Folgt man der Annahme, dass ein aktiver Terrorist ausschließlich den angeborenen Drang und den unerschütterlichen Glauben in seiner Präferenzordnung berücksichtigt, mag Transitivität und die Maximierung des Erwartungsnutzens gegeben sein. So argumentiert Hudson (1999: 41), dass Terroristen innerhalb ihrer Überzeugungen rational handeln, obwohl dies als abwegig und irrational von der gesellschaftlichen Mehrheit wahrgenommen wird. Dennoch stellt sich die Frage, inwieweit ein rationaler Terrorist offen für neue Informationen sein sollte, um seine Handlungsalternativen neu bewerten zu können. Als ein Beispiel nennt Abrahms (2008: 86) das Verhalten der al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden, einer palästinensischen Untergrundorganisation, welche der Fatah zugehörig ist. Diese lehnte im Januar 2001 ein großzügiges Angebot der israelischen Regierung ab, welches den Gazastreifen, als auch große Teile des Westjordanlandes beinhaltete. Anstatt das Angebot anzunehmen und weitgehend ihre politischen Forderungen zu erreichen, antwortete die al-Aqsa-Märtyrer-Brigade mit einer noch nie dagewesenen Welle der Gewalt. Politisch motivierter Terrorismus muss deshalb nicht immer die „Ultima Ratio“ darstellen.

 

Nach van Um (2011:168) ist das Axiom der Transitivität dann erfüllt, wenn es den Individuen einer terroristischen Organisation möglich ist, deren konkreten Ziele zu definieren. Empirische Ergebnisse belegen, dass wohl die große Mehrheit der Terroristen die politischen Ziele ihrer Gruppe kennt (van Um 2011: 168). Auf der anderen Seite zeigt sich, dass insbesondere Mitglieder von Al-Kaida die Ziele und den zugehörigen politischen Kontext nicht wiedergeben können. Sie beschreiben die politischen Ziele ihrer Organisation als undurchsichtig und schwer nachvollziehbar (vgl. Abrahms 2008: 88). Eine Schwachstelle dieser Argumentationsweise liegt in der Annahme, dass die Ziele von aktiven Terroristen mit den politischen Zielen der Organisation weitgehend übereinstimmen müssen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass es neben den politischen Zielvorstellungen weitere Beweggründe gibt, aktiv in einer terroristischen Organisation mitzuwirken.

 

4.1.2 Die soziale Rationalität


 

Van Um (2011: 168) argumentiert, dass soziale Motive das vermeintlich inkonsistente Verhalten von aktiven Terroristen erklären können: „…for the concepts of … socially rational terrorism, there is no need for terrorists to know in detail their group´s stated political goals ...” Nach Abrahms (2008: 96f.), Helmus (2009: 74f.) und Hudson (1999: 36f.) beteiligen sich Individuen nicht an der terroristischen Organisation, um deren politischen Ziele zu erreichen, sondern um einen Nutzen aus sozialem Status und Solidarität mit anderen Gruppenmitgliedern zu erlangen. Gibt es Beweise für diese These? Sageman (2008: 68ff.) beschreibt einen Radikalisierungsprozess, welcher auf der Grundlage sozialer Dynamiken basiert. Diese Radikalisierung durch Gruppeninteraktion kann beispielhaft wie folgt erläutert werden:

 

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