Im folgenden Kapitel sollen die wesentlichen Kernelemente des § 20 EStG behandelt werden, die als Grundlage und Alternative zur Anlage in Investmentfonds dienen sollen. Hierbei soll insbesondere der Fokus auf der direkten Aktienanlage liegen.
In § 20 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG sind die Einkünfte aus Kapitalvermögen normiert, die eine der sieben Einkunftsarten bilden. Besteuert werden die erwirtschafteten Erträge als Nutzung von Kapitalvermögen sowie deren Wertezuwachs. Als Überschusseinkunftsart nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG orientiert sich § 20 EStG an der Quellentheorie in Abgrenzung zur Reinvermögenszugangstheorie der Gewinneinkünfte. Das Kapital selbst unterliegt daher nicht der Besteuerung. Im Rahmen der Überschussrechnung wird der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erfasst und ein Vermögensvergleich unterbleibt.[6]
Durch den Ausschluss der Einkünfte aus Kapitalvermögen i.R.d. Summe der Einkünfte in § 2 Abs. 5b EStG wird das Prinzip der Einheitssteuer durch ein Sondersystem der Schedule durchbrochen, weswegen Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG bei den Einkünften, Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte, Einkommen sowie zu versteuerndem Einkommen i.d.R. nicht zu berücksichtigen sind. Diese Einkünfte erfahren eine besondere Besteuerung mit abgeltender Wirkung direkt an der Quelle.[7]
§ 20 Abs. 8 S. 1 EStG regelt die Subsidiarität der Einkünfte aus Kapitalvermögen gegenüber den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit sowie aus Vermietung und Verpachtung. Diese Norm bestimmt, dass, sofern die konkurrierenden Tatbestände o.g. Einkunftsarten ebenso erfüllt sind, die Einkünfte nicht derer aus Kapitalvermögen, sondern vorrangig der Einkünfte i.S.v. §§ 13, 15-17, 18 und 21 EStG zuzurechnen sind.[8]
Diese Abgrenzung ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Während der Steuerpflichtige die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG mit einem proportionalen Steuersatz i.H.v. 25% zu versteuern hat,[9] muss er diese in den übrigen Einkunftsarten mit seinem persönlichen progressiven Steuersatz von mitunter bis zu 45% versteuern.[10] Darüberhinaus gilt i.R.d. § 20 EStG grundsätzlich ein Werbungskosten-Abzugsverbot,[11] wohingegen ein Abzug tatsächlicher Aufwendungen bei den vorrangigen Einkunftsarten zulässig ist.[12] Zusätzlich schließt § 20 Abs. 6 S. 1 EStG einen Ausgleich von Verlusten aus Kapitalvermögen mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten sowie den Verlustabzug i.S.d. § 10d EStG aus.
Wird die Wertpapieranlage im Betriebsvermögen gehalten oder liegt mehr als eine private Vermögensverwaltung vor, so sind die Einnahmen aus Kapitalvermögen als Betriebseinnahmen zu qualifizieren und eine progressive Besteuerung unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG findet Anwendung.[13]
In § 20 EStG werden die Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht abschließend definiert, sondern vielmehr die einzelnen Einnahmen aufgezählt.[14] Einnahmen aus Kapitalvermögen können daher als Kapitalerträge (§ 20 Abs. 1 EStG), Veräußerungsgewinne (§ 20 Abs. 2 EStG), besondere Entgelte oder Vorteile (§ 20 Abs. 3 EStG) oder Erträge in Form von Anteilstausch, Aktien-/ Umtauschanleihen, Bezugsrechten oder Anteilszuteilung (§ 20 Abs. 4a EStG) auftreten. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels soll konkret die Ermittlung von Kapitalerträgen sowie Veräußerungsgewinnen thematisiert werden.
Sofern Kapitalerträge oder Veräußerungsgewinne nicht unter die Subsidiarität nach § 20 Abs. 8 S. 1 EStG fallen, werden diese Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erfasst.[15] Eine abweichende Ermittlung findet bei den Veräußerungsgewinnen statt (siehe Kapitel 2.2.2), wenngleich diese Einkünfte ebenfalls bei den Überschusseinkünften berücksichtigt werden.[16]
§ 20 Abs. 9 S. 1 EStG versagt den Abzug tatsächlicher Werbungskosten. Stattdessen wird der sog. Sparer-Pauschbetrag i.H.v. 801 Euro dem Steuerpflichtigen gewährt. Mit diesem Werbungskosten-Abzugsverbot wird gegen das Nettoprinzip verstoßen und eine Besteuerung der Bruttoeinnahmen vorgenommen. Lediglich bei Veräußerungsgewinnen nach § 20 Abs. 4 S. 5 EStG ist ein Abzug tatsächlicher Aufwendungen zulässig.[17]
Maßgeblich für den Zeitpunkt der Besteuerung ist der Zufluss i.S.d. § 11 EStG, sofern die Grundsätze des Betriebsvermögensvergleichs durch § 20 Abs. 8 EStG keine Anwendung finden. Ein Zufluss ist dann begründet, sobald der Steuerpflichtige die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt,[18] z.B. durch Gutschrift auf dem Konto.[19] Daher werden thesaurierte Dividenden mangels Auszahlung zunächst nicht berücksichtigt.[20]
Kapitalerträge zeichnen sich durch eine Überlassung von Kapital auf Zeit aus. Zu ihnen zählen neben den Erträgen aus stiller Gesellschaft oder partiarischem Darlehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG), Erträge aus Grundpfandrechten, Versicherungen und Wechseln (§ 20 Abs. 1 Nr. 5, 6, 8 EStG), sonstige Kapitalerträge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und Stillhalteprämien (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG), insbesondere Beteiligungserträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 EStG. Diese Beteiligungserträge resultieren aus Beteiligungen an Körperschaften, die auf Ebene der Körperschaft durch Körperschaftsteuer bereits vorbelastet sind und folglich eine Belastung mit Einkommensteuer auf Ebene des Anteilseigners erfahren. Zur Vermeidung einer Doppelbelastung wird die gezahlte KapESt beim Anteilseigner angerechnet.[21]
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG sind Dividenden als Gewinnanteile aus Aktien aufgrund eines Gewinnbezugsrechts steuerpflichtig, sofern sie nicht thesauriert werden. Die Bezüge müssen auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhen und dürfen keine Wertveränderung der Beteiligung darstellen. Bei fehlendem Recht am Gewinn und Liquidationserlös an einer Kapitalgesellschaft erfolgt eine Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Erträge aus sonstiger Kapitalforderung jeder Art.[22] Neben der klassischen Dividende können auch Dividendenkompensationszahlungen im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG steuerpflichtig sein. Bei beispielsweise Leerverkäufen verkauft der Verkäufer seine Aktien gegen eine Ausgleichzahlung an einen fremden Dritten als Kompensation dafür, dass dieser die Aktien bis einschließlich vor dem Tag des Gewinnverteilungsbeschlusses mit Dividendenberechtigung erworben hat, jedoch erst nach dem Stichtag geliefert bekommt. Da der Erwerber i.S.d. § 39 AO folgerichtig als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist, erhält er eine Dividendengutschrift i.H.d. Brutto-Dividende nach Abzug der KapESt.[23] Auf die Problematik einer möglichen doppelten Anrechnung von Kapitalertragssteuer i.R.d. sog. Dividendenstrippings[24] wird in Kapitel 7 näher eingegangen, als ein Handlungsfeld i.R.d. Reformierung des Investmentsteuerrechts.
Neben den laufenden Kapitalerträgen kann der Steuerpflichtige auch Veräußerungsgewinne im Rahmen seiner Aktienanlage erzielen. Diese fallen sodann unter den Tatbestand des § 20 Abs. 2 EStG als realisierte Wertveränderungen. Bei der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG im Privatvermögen gilt es zu unterscheiden, ob eine wesentliche Beteiligung, die entsprechend bei einer Beteiligungsquote von mindestens 1% mittelbar oder unmittelbar vorliegt, veräußert wird, mit der Folge, dass der Veräußerungsgewinn als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG zu qualifizieren wäre, auf den das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 lit. c i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG Anwendung findet. Bei Veräußerung einer unwesentlichen Beteiligung von unter 1% werden weiterhin Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt, die in vollem Umfang der Abgeltungssteuer nach § 32d, § 43 Abs. 5 EStG zu unterwerfen sind.[25] Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn wird abweichend zu den Überschusseinkünften nach § 20 Abs. 4 S. 1 EStG als Unterschiedsbetrag zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug unmittelbarer Aufwendungen und den Anschaffungskosten definiert. An die Stelle des definierten Gewinns kann auch ein Verlust treten. Die Veräußerung isolierter Dividenden- und Zinsscheine fällt ebenfalls unter den Besteuerungstatbestand des § 20 Abs. 2 S. 1 EStG. Unter Nummer 2 werden die Gewinne aus der Veräußerung erfasst, bei denen Dividenden- bzw. Zinsscheine durch den Inhaber des Stammrechts ohne das entsprechende Stammrecht (hier: die Aktie) durch entgeltliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums veräußert...