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Die Reisen der Habsburger

Von Kavalierstouren, Brautschau und hoher Diplomatie

AutorHannes Etzlstorfer
VerlagVerlag Kremayr & Scheriau
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783218008952
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Ob zur Brautschau, zur Krönung oder zu Bildungszwecken, 'Du musst trachten, aus Deinen Reisen Nutzen zu ziehen', meinte Maria Theresia. In seinem Streifzug durch die Jahrhunderte erzählt Kunst- und Kulturhistoriker Hannes Etzlstorfer von den Reisen gekrönter Häupter: Von Friedrich III., der auf seiner dreimonatigen Reise im kalten Winter 1451/52 zur Kaiserkrönung nach Rom gleich auch Eleonore von Portugal heiratete, eine wahrlich beschwerliche Tour. Von Rudolf II., der 1563 zu Bildungszwecken nach Spanien verschickt wurde: Das streng katholische, von der Inquisition vergiftete Klima tat ihm nicht gut: Als er nach acht Jahren nach Wien zurückkehrte, war er ein scheuer, wortkarger und ängstlicher junger Mann geworden. Im Barock wurde das Reisen Teil der Repräsentation: Als Marie Antoinette am 21. April 1770 von Wien nach Paris aufbrach, umfasste der Tross 263 Gäste in 57 Kutschen, darunter allein 76 Personen Küchenpersonal - Mundköche, Brandköche, Küchenträger, Spießtreiber, Hofzuckerbäcker, Silberdiener, Tafeljungen und Kellermeister. Mit der Erfindung von Eisenbahn und Dampfschiff wurde das Reisen bequemer. Kaiser Franz Josef und Kaiserin Elisabeth nutzten diese neuen Verkehrsmittel extensiv, nicht zuletzt bei ihren Erholungsfahrten nach Bad Ischl. Das letzte Kapitel lautet 'Endstation Kaisergruft': Die Reise, an deren Ziel auch die gekrönten Häupter nur mehr als 'sterblicher, sündiger Mensch' gelangen.

Dr. Hannes Etzlstorfer, geboren 1959, ist Kunst- und Kulturhistoriker, Ausstellungskurator und Kulturjournalist in Wien. Konzeption und Mitarbeit an mehr als 60 Ausstellungen zur Kunst- und Kulturgeschichte im In- und Ausland. Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher.

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Leseprobe

I.
HERRSCHEN VERPFLICHTET:
REISEN ZWISCHEN NOTWENDIGKEIT UND LUST


„Das ist das Angenehme auf Reisen, dass auch das Gewöhnliche durch Neuheit und Überraschung das Ansehen eines Abenteuers gewinnt.“ So charakterisierte Johann Wolfgang von Goethe eines der Hauptmotive des Reisens.
Er sei „Novarum rerum cupidus“ („Ich bin neuer Dinge begierig“), meinte auch Gaius Julius Caesar (gest. 44 v. Chr.), dem alle nachmaligen Kaiser ihren Titel verdanken sollten. Er reiste aber nicht nur aus Neugierde und Lust: Der schier rastlose Caesar war vor allem in militärischer Mission von Spanien über Gallien, Britannien bis hin nach Kleinasien und Nordafrika unterwegs. Die Antike kannte auch bereits Forschungsreisen, bei denen die Sehenswürdigkeiten Ägyptens und Griechenlands ausgekundschaftet wurden. Und selbst die Möglichkeit der Sommerfrische und der Kuraufenthalte als Ausgleich für soviel Rastlosigkeit im Dienste der Staatssache zeichnet sich schon in der Antike ab: Man erholte sich in den römischen Kaiserthermen oder in reizvollen Landvillen abseits der Großstädte. Schon Horaz versprach sich vom Landleben Erholung: „Beatus ille, qui procul negotiis“ („Glücklich ist der, der fern von Geschäften/Pflichten ist“).

Nach ihren besondern Staats=Absichten hierzu genöthiget


In ihrem Selbstverständnis als Regenten des Heiligen Römischen Reichs haben sich daher Generationen von Königen und Kaisern auf diese antiken Traditionen berufen. Gerade am Beispiel der Habsburger, die nach der Schlacht am Marchfeld am Freitag, den 26. August 1278 die Herrschaft in Österreich antraten und von da an die Geschicke des Landes über 640 Jahre prägen sollten, werden nicht nur die unterschiedlichen Reiseabsichten und -usancen ablesbar, sondern auch ihr Bedeutungswandel. Zwischen der Geburt König Rudolf I. (1218) und der Abdankung Kaiser Karls I. (1918) liegen genau 700 Jahre, in denen insgesamt 24 Generationen von Habsburgern aufeinander folgten, aus denen wiederum 400 Personen das Erwachsenenalter erreichten. Unter diesen befinden sich neben 18 Kaisern auch fünf regierende Herzöge, vier Könige und eine Königin in der österreichischen Hauptlinie.1 Die Habsburger verdankten viele ihrer politischen Erfolge weniger dem militärischen Geschick als einer taktisch ausgeklügelten Heiratspolitik bzw. diplomatischem Kalkül, die auch in der legendären Habsburgerdevise des 15. Jahrhunderts ihren Ausdruck findet: „Bella gerant alii, tu felix Austria nube. Nam quae Mars aliis, dat tibi diva Venus“ („Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate. Denn was Mars den anderen verschafft, gibt dir die göttliche Venus“). Auch wenn die Habsburger bei ihren Hochzeiten weniger dem Fingerzeig der Liebesgöttin denn politisch-finanziellen Notwendigkeiten folgten, entband sie diese nicht, in ganz Europa Ausschau nach den „besten Partien“ zu halten und dabei gelegentlich selbst auf Brautschau zu gehen. Die diesbezüglichen Zeremonialvorschriften des Barock nennen dieses Problem auch ohne Umschweif: „Es geschicht nicht selten, daß diejenigen, so sonst Länder und Unterthanen zu beherrschen pflegen, bey ihren Vermählungen ihren eigenen Willen beherrschen, und sich mit einem Ehegatten verbinden müssen, nicht, wie sie ihn sonst nach dem natürlichen und freyen Zuge ihres Hertzens erwehlen würden, sondern, wie sie nach ihren besondern Staats=Absichten hierzu genöthiget werden.“2

Nicht immer ist bei den Reisemotiven die Grenze zwischen Pflicht und Vergnügen klar auszumachen, da Traditionen, Konventionen wie auch das jeweilige Naturell und Interesse des Reisenden stark hineinspielen. Manchmal erfolgten Reisen wegen drohender Gefahren oder aus Geldnot, was ihnen mehr den Charakter einer Flucht verleihen sollte. Nachdem etwa am 30. Mai 1485 König Matthias von Ungarn Wien erobert hatte, fühlte sich Kaiser Friedrich III. in seinen Erblanden nicht mehr sicher und trat eine mehrjährige Reise in das Reich an, um Hilfe zu holen. So beschloss er, jeden einzelnen Kurfürsten und Fürsten an dessen Wohnort aufzusuchen, um durch persönlichen Einfluss Beistand zu erringen. Dass er dabei wenig Erfolg hatte, überrascht angesichts des in sich gekehrten, misstrauischen und von Geiz geplagten Monarchen nicht. Die Reiseroute, die ihn über Linz und Salzburg nach Innsbruck und von da an westwärts führte, änderte er jedoch mehrmals. Der Grund klingt recht banal: Er konnte ob seiner Notlage einfach keine Reichsstadt unbesucht lassen, allein schon wegen des städtischen Einzugsgeschenks, das ihm als Kaiser zustand und für das er manchen Umweg in Kauf nahm. Durch seine Einzelbesuche bei den verschiedenen Fürsten, denen er Zugeständnisse zu machen geneigt war, verursachte er jedoch Missgunst und Neid und brachte sich auch selbst in Gefahr: Als Friedrich am 16. August 1485 von Konstanz aus Ausflüge auf die Bodenseeinseln Reichenau und Mainau unternahm, verübten Edelleute einen Überfall auf ihn, der jedoch glimpflich verlief.3

Habsburg als Herrscherhaus von europäischem Format


Friedrichs III. Regierungszeit von 53 Jahren war nicht nur die längste eines herrschenden Königs bzw. Kaisers des Heiligen Römischen Reiches, sie fiel auch in die Umbruchszeit vom Spätmittelalter in die Epoche von Renaissance und Humanismus. Das brachte auch eine nachhaltige Wende im Reiseverhalten mit sich. Eine wichtige Voraussetzung für diese neue Lust am Reisen und an der Erkundung der sichtbaren Welt stellte ein neues Naturverständnis dar, das von den Humanisten wie Conrad Celtis gefördert wurde und so auch in den höchsten Kreisen ein Umdenken bewirkte. Die bis ins Spätmittelalter zum Gefahrenbereich erklärte Natur mit ihren finsteren Wäldern und unwegsamen Gebirgslandschaften, wie sie etwa noch Dante in seiner „Göttlichen Komödie“ schildert, wurde nicht nur ihrer dämonischen Aura entkleidet, sondern zunehmend als abenteuerliche Herausforderung begriffen ob im Zuge einer politischen Mission oder eines Jagdausflugs. Von Kaiser Maximilian I. weiß man etwa, dass er sich 1504 bei seinem Aufenthalt in der Stadt Gmunden im Salzkammergut nicht nur für den benachbarten Hallstätter Salzberg interessierte, sondern auch für waghalsigere Touren begeistern ließ: Als der Kaiser vom 13. bis 17. November 1506 erneut in Gmunden weilte, entschloss er sich zur Besteigung des auch heute noch oft unterschätzten Traunsteins (1691 Meter Seehöhe). Maximilians Begleiter Johann Cuspinian notierte am Morgen des 14. November 1506 in seinen Tagebuchaufzeichnungen, dass der Kaiser um 6 Uhr früh mit wenigen Adeligen und Jägern den „sehr hohen Berg Traunstein“ bestieg und von diesem Jagdausflug um 7 Uhr abends wieder unbeschadet nach Gmunden zurückgekehrt sei.4

„Das Stillsitzen und der Müßiggang pflegt adelige tapfere Leiber nicht anders als der Rost das Eisen zu verderben!“ Aus dieser Warnung des umtriebigen und im wörtlichen Sinne „von unterwegs“ regierenden Kaisers Maximilian I. spricht zugleich jene Notwendigkeit, die sich seit jeher aus dem Herrscheramt ergibt: Mobilität im Dienste der Politik, der Diplomatie und der dynastischen Repräsentation. Sie war auch erforderlich angesichts der europaweiten familiären Bande der Habsburger, wie es eben auch das Beispiel Maximilians vor Augen führt: Der am Gründonnerstag 1459 als Sohn eines gebürtigen Innsbruckers5 und einer Portugiesin aus Torres Vedras6 geborene Regent ist ja im Grund selbst das Ergebnis dieser europaweiten Vernetzung des Hauses Habsburg. So hatte er von seiner Mutter Eleonore von Portugal den Zug ins Weite und ins Große geerbt, von seinem Vater Friedrich III. Ehrgeiz und Sendungsbewusstsein wiewohl auch das Unvermögen, mit Geld umzugehen, und von der väterlichen Großmutter, der aus Warschau stammenden Cimburgis von Masowien, das litauische, polnische, normannische und russische Temperament.7

Reisen trotz Schuldenberg


Angestachelt von der prunkvollen Hofhaltung am burgundischen Hof, mit dem Maximilian I. vor allem durch die Heirat mit Maria von Burgund verbunden war, wuchs auch sein Wunsch nach einer repräsentativen Hofhaltung. So wurden in Burgund bereits im 15. Jahrhundert jene opulenten und mit prachtvollem Geschirr ausgestatteten Schauessen eingeführt, die in der Folge auch auf Reisen stattfanden und dem obligatorisch höfischen Festleben Exklusivität sicherten. Sie wurden dadurch auch zu einem kostspieligen Statussymbol eines jeden Hofes, auf das man ebenso wenig verzichten wollte wie etwa auf die Hofmusik. So hatte Maximilian bei seiner Heirat auch die berühmte burgundische Musikkapelle übernommen, die zwar ihren Sitz in Wien hatte, deren berühmteste Musiker jedoch mit dem kaiserlichen Tross quer durch das Reich zogen, um bei Feierlichkeiten wie etwa bei den Reichstagen in Worms (1495), Augsburg (1496), Freiburg (1498), Augsburg (1500), Linz (1501) oder – um nur eine weitere von vielen Stationen zu nennen – in Hagenau im Elsass (1505) aufzutreten.8 Der stets über seine Verhältnisse lebende Kaiser versprach ihnen zwar Lohn sowie die Abgeltung von Reisekosten und Kleidung, doch die verschuldeten Hofmusiker sahen immer seltener Geld. Denn Reisen und höfische Repräsentation verschlangen Unsummen, weshalb Kaiser Maximilian ob seines prunkvollen Lebensstils ständig neue Kredite bei seinem Augsburger Hausbankier Jakob Fugger tätigte, der im Gegenzug zahlreiche Privilegien erhielt. Die Augsburger hatten daher Maximilian ob seiner 17 Aufenthalte (insgesamt zwei Jahre und 211 Tage) bereits den...

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