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'Die Schwaben.'

Wie sie wurden, was sie sind.

AutorUlrich Kienzle
Verlagsagas Edition
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl203 Seiten
ISBN9783944660073
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Ein humorvolles und hochinteressantes Geschichtsbuch. Nichts ist darin erfunden - seriös recherchiert erzählt die Journalisten-Legende Ulrich Kienzle die 1600-jährige Geschichte des Volsstamms der Schwaben. Mit vielen Cartoons des mehrfach ausgezeichneten Zeichners Mario Lars. Schon heute ein Klassiker, der in keinem schwäbischen Bücherregal fehlen darf!

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Leseprobe

Augsburg – das World Trade Center des Spätmittelalters

Augsburg war einst die reichste Stadt der Welt. Behauptete zumindest 1468 Silvio Piccolomini, besser bekannt als Papst Pius II. Stuttgart war damals noch tiefste Provinz – München nicht minder. Augsburg glänzte als Welthandelszentrum jener Zeit, sozusagen als das schwäbische World Trade Center. Die Fugger29 beherrschten zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Handels- und Bankgeschäfte der damaligen Welt. Nicht die Fischköpfe von der Hanse, sondern die Landratten aus Augsburg haben als erste Deutsche den Seeweg nach Ostindien merkantil genutzt, sie waren die ersten »Global Player«. Jakob Fugger30, genannt der Reiche, schmiedete damals den ersten Weltkonzern zusammen. Mit Cleverness, Organisationstalent, Sinn für internationale Kontakte – und wenn es sein musste, auch mit renaissancehafter Skrupellosigkeit. Er spielte schon mal Schicksal und kaufte sich einen Kaiser, der für seine Geschäfte gut war. Ein teures und riskantes Investment. 850 000 Gulden Bestechungsgeld musste er für die Wahl Kaiser Karls V.31 berappen – das sollen immerhin drei Tonnen Gold gewesen sein. Die Goldene Schreibstube war das legendäre Zentrum der Fuggerfirma, der Augsburger Rindermarkt die »Wall Street« des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die Fugger machten aber nicht nur Bankgeschäfte. Mit viel politischem Geschick eroberten sie ein europäisches Kupfermonopol.

Jakob war ein begnadeter Geldscheffler, er galt als einer der innovativsten Geister seiner Zeit. Er baute ein weltweites Netzwerk auf und setzte voll auf Kommunikation: auf den Kurierdienst des gleichaltrigen Franz von Taxis, der es damals in sieben Tagen schaffte, mit seiner Pferdestaffel Briefe, Waren oder Geld von Augsburg nach Venedig zu transportieren. Diese Reiterstaffel ist die Urform internationaler Kommunikation.

Um den Überblick über ihren multinationalen Konzern zu behalten, führten die Augsburger die doppelte Buchführung aus Italien ein. Nicht nur Umsätze, sondern auch Warenaus- und -eingang wurden peinlich genau festgehalten. Und Fugger wollte wissen, was seine Konkurrenten so trieben. Deshalb baute er einen eigenen europäischen Nachrichtendienst auf. Schon damals galt halt: Wissen ist Macht. Seine Spitzel schnüffelten die Konkurrenten aus, zum Vorteil der eigenen Firma – so ganz nebenbei erfanden die Fugger so auch die organisierte Wirtschaftsspionage.

In Augsburg wurde das große Geld und häufig auch große Politik gemacht und Jakob Fugger agierte lange als Mann im Hintergrund – als Geldgeber. Martin Luther hat ihm vorgeworfen, sich durch Zinsen aus dem Ablasshandel bereichert und Massengüter künstlich verknappt zu haben, um dadurch später seinen Profit zu steigern. Fugger, der Monopolist. »Fuggern« ist im Lauf der Zeit so zu einem Synonym für »schachern« und »betrügen« geworden.

Noch härter als Luther polemisierte Ulrich von Hutten gegen die Augsburger Multis. Der Reichsritter und Dichter schrieb den satirischen Dialog »Die Räuber«. Darin schilderte er die Augsburger Konzernchefs als »beutegierige Verbrecher, die Deutschland ausplündern, mit ihrem Geld die Sitten verderben, seriöse Geschäftsleute ruinieren, die Preise hochtreiben, die Kirche korrumpieren und an der Not des Volkes die größte Schuld tragen.«

Starker Tobak. Und in seiner Radikalität durchaus vergleichbar mit der Kritik an den gierigen Managern der Finanzkrise. Man traute den Fuggern alles zu. Wie heutzutage der Deutschen Bank.

Jakob Fugger aber erkannte die Gefahr für seine Geschäfte und ließ sich zur Imageverbesserung etwas Spektakuläres einfallen: die erste Sozialsiedlung der Welt, die »Fuggerei«. Eine echte Pionierleistung, aber natürlich auch ein Feigenblatt für die Firma Fugger. 160 Menschen in Augsburg, »unverschuldet in Not Geratene«, profitieren heute noch von dieser Stiftung. Sie zahlen für ihre Wohnungen ganze 88 Cent Kaltmiete. Das ist etwa der aktuelle Gegenwert eines Rheinischen Guldens. Voraussetzung: Sie müssen bedürftig und katholisch sein, denn zu ihren Pflichten gehört es, für den Stifter täglich ein »Vaterunser«, ein »Ave Maria« und ein Glaubensbekenntnis zu beten.

Höhepunkt der Stadtgeschichte ist zweifellos der Augsburger Religionsfriede vom 25. September 1555. Damals schlossen Kaiser und Fürsten auf dem Reichstag einen historischen Kompromiss: Die Fürsten durften danach die Religionszugehörigkeit ihrer Landeskinder bestimmen. Ein denkwürdiger Tag in der schwäbischen und deutschen Geschichte.

Mit dem Niedergang der Fugger aber verlor Augsburg immer mehr an Bedeutung. Es gab keine Fugger mehr von richtigem Fugger-Format. Die Nachfolger waren nicht so gierig auf Geschäfte, sie lebten lieber von der Substanz. Der spanische Staatsbankrott im 16. Jahrhundert traf den schwäbischen Trust ganz besonders. Gleich dreimal musste der spanisch-habsburgische König Philipp II. während seiner Regierungszeit seinen Gläubigern den Staatsbankrott erklären. Grund dafür waren die hohen Kriegsausgaben und der üppige Hofstaat. Am Ende seiner Regierungszeit beliefen sich die jährlichen Zinszahlungen für seine Kredite auf 40 Prozent der staatlichen Einnahmen. Die Pleite der spanischen Habsburger kostete die Fugger sechs Millionen Gulden. Eine Katastrophe. Mit Blick auf das heutige Europa und seine Euro- und Staatenkrise scheint sich Geschichte auf irritierende Weise zu wiederholen. Übrigens: Die Schulden bei den Fuggern haben die Spanier bis heute nicht beglichen …

Lange war das schwäbische Augsburg das finanzpolitische Zentrum des Reiches. Nach den Fuggern wurde es allmählich wieder schwäbische Provinz. Erst im 19. Jahrhundert erlangte Augsburg noch einmal nationale Bedeutung – mit der Augsburger Allgemeinen. Der schwäbische Verleger Johann Friedrich Cotta hatte den Ehrgeiz, das Blatt zur »deutschen Times« zu machen. Wegen der harschen und gnadenlosen Zensur durch Kurfürst Friedrich von Württemberg war das damals in Stuttgart nicht möglich. Also verlegte er seine Allgemeine Zeitung zuerst von Stuttgart nach Ulm und später dann nach Augsburg. Mit der politischen und journalistischen Freiheit war es in Württemberg halt nicht weit her, deshalb ging er ins bayerische Schwaben. Hier entwickelte sich die Augsburger Allgemeine bald zu einem Qualitätsblatt für die liberale deutsche Elite. Paris-Korrespondent war lange ein Schreiber namens Heinrich Heine und aus Bremen korrespondierte ein gewisser Friedrich Engels mit dem Intelligenzblatt. Auch journalistische Knüller gab es damals schon: Exklusiv berichtete zum Beispiel der Archäologe Heinrich Schliemann über seine Ausgrabungen in Troja. Journalistisches Weltniveau aus der schwäbischen Provinz.

Die Augsburger Allgemeine, in den 50er-Jahren wiedergegründet, erreichte nie wieder die Bedeutung ihres Vorgängerblatts aus dem 19. Jahrhundert. Jetzt war Augsburg endgültig Provinz. Das bekannteste Produkt aus der Region ist die dortige »Puppenkiste«.

Ansonsten stehen Augsburg und seine Region in vorderster Front im Sprachkampf zwischen Bayerisch und Schwäbisch. Das Bayerische ist auf dem Vormarsch, Schwäbisch in der Defensive. Viele bayerische Ausdrücke haben sich längst ins Schwäbische eingeschlichen – und ein erfolgreicher Schleichweg führt oft über die Augsburger Allgemeine. In einem Beitrag über Maultaschen heißt es zum Beispiel: »Maultaschen sind ein traditionelles Schmankerl auf dem Tisch des Schwaben.« Schmankerl – ein bayerischer Begriff für schwäbische Leckerbissen! Das schwäbische Fässle mutiert in Augsburg zum Fasserl, das Fleischküchle zum Fleischpflanzerl, das Bierstüble zum Bierstüberl und die Brezel zur Brez’n.

Zugegeben: Das sind keine weltbewegenden Veränderungen, es ist eher eine schleichende Entwicklung. Bayerischer wird das Schwäbische dadurch aber schon. Dagegen wehren sich seit einiger Zeit Wissenschaftler der Uni Augsburg. Sie beklagen den fortschreitenden Identitätsverlust der bayerischen Schwaben. Und »Hoi’ga:da«, eine schwäbische Musikgruppe, hat dem Bayerischen sogar den Kampf angesagt – mit schwäbischem Rock und Pop.

Eine Massenbewegung ist das freilich nicht. Symptomatisch für die schwäbische Stimmungslage ist eher ein Bericht über eine Allensbacher Dialektumfrage. »Ganz Deutschland steht auf den bayerischen Dialekt«, jubelt ausgerechnet die Augsburger Allgemeine, das Blatt aus der Hauptstadt Bayerisch-Schwabens. Laut Umfrage sind es dann aber gerade mal mickrige 35 Prozent der Deutschen, die Bayerisch mögen. Ganz Deutschland? Schwäbisch, so der Bericht abfällig, »kommt nur bei 20 Prozent der Deutschen an«.

Aber die Allensbach-Umfrage sagt auch: Schwäbisch steht in der Umfrage immerhin an vierter Stelle der Beliebtheitsskala. Eine kleine Sensation, die der pro-bayerische Jubelbericht unterschlägt. Damit hat das Schwäbische einen erstaunlich steilen Aufstieg zu verzeichnen. Vor der Wiedervereinigung war es Schlusslicht unter den deutschen Dialekten. Jetzt trägt das Sächsische die rote Laterne.

Umfragen – das sollte man immer bedenken – haben einen begrenzten Erkenntniswert. Als Symptom ist die Geschichte trotzdem interessant. Zeigt sie doch auf drastische Weise, wie die Bajuwarisierung der bayerischen Schwaben im Alltag funktioniert, wie sie – anders als die aufmüpfigen Franken – leicht zu Beute-Bayern werden. Das bayerische Selbstbewusstsein steckt wohl manchen schwächelnden Schwaben an. »Mir san mir!« Da möchte er gerne mithalten können. Bayern ist außerdem über die Jahrhunderte ein eigenständiges Land geblieben. Mit einem...

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