Sie sind hier
E-Book

Die Sprachlichkeit von Bildern nach Wedewer und Analogien in der Kinderzeichnung

AutorArnold Wohler
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl94 Seiten
ISBN9783640584529
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 1989 im Fachbereich Pädagogik - Kunstpädagogik, Note: sehr gut, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Analogien von Sprache und Kunst, die Rolf Wedewer in seinem Buch 'Zur Sprachlichkeit von Bildern' herausarbeitet, werden in dieser Arbeit auf den Sachverhalt des bildnerischen Gestaltens des Kindes angewendet. Dies führt zu der Erkenntnis, dass jede einzelne Entwicklungs- und Stilstufe des bildnerischen Gestaltens des Kindes eine spezifische Sprachlichkeit aufweist, die weitestgehend einer bestimmten Stufe seiner sprachlichen Entwicklung entspricht. Sprachlichkeit ist in diesem Sinne auch für die Kinderzeichnung ein wesentliches Moment. Sie ist konstitutiv für den Sinnzusammenhang der einzelnen bildnerischen Elemente.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

2. Die Oberflächen- und Tiefenstruktur des Bildes


 

Die durch die generative Transformationsgrammatik eingeführte Unterscheidung von Oberflächenstruktur und Tiefenstruktur der Sprache, die der amerikanische Linguistiker Noam Chomsky für den Gebrauch der Satzanalyse entwickelt hat, stellen Schlüsselbegriffe auch für den Sachverhalt des Bildsatzes dar. „... Die Oberflächenstruktur entspricht dabei dem ‚wahrnehmbaren' Teil der Sprache, wohingegen die Tiefenstruktur eine abstrakte Erschließung ist. Vergröbernd könnte man davon sprechen, daß die Oberflächenstruktur die Sprachform, die Tiefenstruktur die sprachliche Bedeutung repräsentiert ...“.[40]

 

Diesen Sachverhalt sinngemäß auf den Bildsatz übertragend, hebt Rolf Wedewer hervor, daß „... man mithin sagen (könnte), (daß) die semantische oder Tiefenstruktur eines Bildes (...) lediglich ein formales Gerüst der Gliederung von Flächenbeziehungen (sei), eingefaßt in das räumliche Bezugssystem der syntaktischen Folge des Bi1dsatzes ...“.[41]

 

Demgemäß realisiert sich die Tiefenstruktur des Bildsatzes durch die flächenorientierte Ausdehnung des Bildes, wohingegen die imaginäre Tiefe des Bildes die auf Wiedererkennbarkeit lexikalischer Bildeinheiten hinwirkende Oberflächenstruktur konstituiert.

 

Die Komponenten der bildnerischen Tiefenstruktur bestehen in diesem Sinne aus Formalien, die durch die Begriffe wie Mittelachse, Symmetrie, Horizontal-Vertikal-Beziehungen gekennzeichnet sind und mit welchen sich „... bestimmte emotionale, auch geistige Inhalte und Vorstellungen, wie unter anderem Ruhe oder Ausgeglichenheit, Bewegungslosigkeit, Harmonie, Ordnung, Gesetzmäßigkeit usw. (verbinden), Inhalte und Vorstellungen also, die durch einen entsprechend anschaulichen Kontext konkretisiert und thematisiert werden ...“.[42]

 

Formelhaft könnte man die Bildfläche als ein zweidimensionales Koordinatensystem auffassen (horizontale und vertikale Bildgrenze als jeweils eine x- und y-Achse). In ihm bekämen die einzelnen lexikalischen Bildeinheiten bestimmte ‚Werte' zugeschrieben, die ihrer jeweiligen abstrakten semantischen Bedeutung im Bilde entsprächen.

 

Darüberhinaus könnten die hierbei gedachten x-Achse und y-Achse durch eine z-Achse ergänzt werden, welche gemeinsan eine Dreidimensionalität ins Leben riefen, die jener Dreidimensionalität des imaginären Bildraunes entspräche. In diesem dreidimensionalen Koordinatensystem bekämen die lexikalischen Bildeinheiten nunmehr auch jene ‚Werte' zugeschrieben, die die Wahrnehmung als solche verarbeitet, d.h. jene ‚Werte', die die Oberflächenstruktur des Bildes im Sinne visueller Gegenständlichkeiten im Bewusstsein hervorrufen.

 

Die vorstellungsmäßige Reduktion der einzelnen lexikalischen Bildeinheiten auf ihre jeweilige Umrißlinie, d.h. die gedankliche Löschung ihrer gleichsam auf „Raum“ programmierten malerischen Ausarbeitung, weist diese Linie als ein Moment im Bilde aus, das die Oberflächenstruktur des Bildsatzes gleichsam in einem Kürzel wiederzugeben vermag. Denn die Linie ist es, die als ein trennendes, aber auch Beziehung stiftendes Moment im Bilde, jede einzelne lexikalische Einheit in ihrer spezifischen Gestalt umreißt und dieselbigen in solcher Art voneinander absetzt, daß ihre jeweilige räumliche Lage notwendig aus ihr ableitbar ist.

 

Die Umrißlinie weist sich somit als ein vermittelndes Moment von Oberflächenstruktur und Tiefenstruktur des Bildes aus, da sle einerseits auf eine kompositorische Aufteilung der Bildfläche (Tiefenstruktur) und andererseits auf eine Formgebung lexikalischer Bildeinheiten hinwirkt. Dies impliziert, daß „... die Tiefenstruktur, wiewohl eine abstrakte Bildrepräsentation (...), vermittelt in der Oberflächenstruktur (erscheint) ...“.[43]

 

Die abstrakte Bildrepäsentation der Tiefenstruktur ist durch jenes flächenhafte Moment des Bildes gegeben, das den imaginären Bildraum aus seinem ‚Zuständigkeitsbereich' insofern verbannt, als dieser Bildraum als ein wahrgenommener stets schon das Frgebnis einer in Begriffen sich vollziehenden gedanklichen Verarbeitung von Oberflächenstrukturen darstellt.

 

Das dialektische Verhältnis von Oberflächenstruktur und Tiefenstruktur besteht somit in Bildern derart, dass sie sich „... in praxi decken, dass keine dominiert ...“.[44]

 

In diesem Sinne sucht das betrachtende Auge, das die Tiefenstruktur eines Bildes weitestgehend von ihrer Oberflächenstruktur isoliert wahrhaben will, den imaginären Raun des Bildes ‚aufzuheben', indem es nicht, wie es gewöhnlich der Fall ist, auf Wiedererkennung lexikalischer Bildeinheiten hinarbeitet, sondern indem es versucht, deren abstrakte, spezifisch geistige Repräsentation im Bilde nachzuvollziehen, wie sie die flächenhafte Ausdehnung derselbigen tatsächlich wiedergibt. Denn „... die Tiefenstruktur in Bildern besteht mithin auch als eine Organisation abstrakter geistiger Prinzipien und wird damit zum Träger des Allgemeingültigen und der mit ihm verbundenen bildhaften Besonderungen ...“.[45] Dies impliziert, daß „... der Wahrheitsgehalt der Formen in einem Kunstwerk (...) nicht in erster Linie auf dem (beruht), was sie über die abgebildeten Gegenstände als solche objektiv berichten, sondern (...) sich auf viel allgemeinere Konfigurationen von Kräften (bezieht), die wir in der besonderen Komposition verkörpert sehen ...“.[46]

 

Die gedankliche Reduzierung der Oberflächenstruktur eines Bildes bis auf die von den einzelnen lexikalischen Bildeinheiten diktierten Linien ihrer jeweiligen Sihouette, lässt in diesem Sinne zwangsläufig das Wesen der Tiefenstruktur des betreffenden Bildes verstärkt zur Geltung gelangen, d.h. das „... von einer abstrakten Konfiguration von Formen oder, genauer, von visuellen Kräften ...“[47] getragene Bild.

 

Gleichzeitig gewährt diese auf die Sihouette der einzelnen lexikalischen Bildeinheiten sich konzentrierende gedankliche Löschung der Oberflächenstruktur einen gleichsam stark schablonisierten Einblick in eine frühere ‚Entwicklungsstufe' des Bildes innerhalb seiner Ontogenese. Gemeint ist hierbei die flüchtige Zeichnung des Bildes, an welcher sich gewöhnlich die malerische, aber auch eine weitere zeichnerische Ausarbeitung des Bildes anschließt und orientiert.

 

Denn die flüchtige Notitz eines Bildes ist es, die einerseits auf eine kompositorische Einteilung der Bildfläche und andererseits auf in sich geschlossene Einheiten im Bilde hinwirkt, die aufgrund ihrer amorphen Erscheinungsweise in diesem Stadium des Entstehungsverlaufs des Bildes der eindeutigen wörtlichen Bedeutung noch weitestgehend enthoben sein können. Aus diesem Grunde realisiert die Skizze ein Kräftespiel von mehr oder weniger abstrakten, aber auch kanonischen Formen (d.h. Formen, die einen Gegenstand andeuten, ohne denselbigen jedoch zu spezifizieren). Die an diesem Punkt ansetzende malerische bzw. zeichnerische Ausarbeitung des Bildes konkretisiert in diesem Sinne das, was in die Skizze als solche von Anbeginn seitens des Malers hineingelegt worden war.

 

Das geistige Wesen der flüchtigen Zeichnung gedanklich umkreisend, unterscheidet Joseph Gantner „... zwischen einer ‚unmittelbaren', soll heißen, sichtbaren Präriguration und einer mittelbaren, die nur indirekt zu erkennen ist (...), (die wir) an den sichtbaren Formen erst ab (-lesen), (die) das Ganze einer Komposition (zwar) erfassen, aber diese Komposition (...) nur in ihren großen Zügen, in ihren allgemeinen Umrissen wiedergeben. Hierbei (gehörten, so Joseh Gantner,) ... alle Prinzipien der Flächengliederung der Proportionen ...“.[48]

 

Dies weist die mittelbare Präfiguration als eine Tiefenstruktur der Skizze aus, im Sinne einer abstrakten Bildsatzrepräsentation. Gleichzeitig erweist sich die Oberflächenstruktur der Skizze zu einem großen Teil als amorph, was zu einer Annäherung beider Strukturebenen des Bildes rUhrt. Rolf Wedewer sieht in dieser Annäherung beider Strukturebenen des Bildes innerhalb der Entstehungsphase seiner flüchtigen Notierung jenen vorgrammatischen Zustand bestätigt, den Noam Chomsky definitiv mit der Tiefenstruktur als eine abstrakte Satzrepräsentation gleichgesetzt hat. DieseAnalogsetzung von vorgranmatischen Zustand und Präfiguration eines Bildes läßt auch jenen implizierten „... Widerspruch zwischen der Besonderung (der abstrakten Tiefenstruktur) des Bildes (, eben durch eine entsprechende Oberflächenstruktur) und dem abstrakten Allgemeinen einer amorphen Erscheinung auflösen, (dies insofern, als wir gemäß unserem Begriff sagen können,) (...) daß im Falle einer amorphen Erscheinung in Bildern die Besonderung tendenziell sich um Null bewegt (...) weil ja die Tiefenstruktur in solch einem Falle keine Besonderung durch eine lexikalisch ausgerichtete Oberflächenstruktur erfährt ...“.[49]

 

Wie aber ist in diesem Zusammenhang jene Form der Malerei zu verstehen, die gleichsam gezielt die gegenständliche Figuration im Bilde zu umgehen sucht? Entspricht doch die amorphe Erscheinung in Bildern, wie sie in der abstrakten Malerei sich Geltung verschafft, mehr dem Wesen der Skizze als dem eines ausgearbeiteten Gemäldes. Dies gleichsam...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Pädagogik - Erziehungswissenschaft

Weitere Zeitschriften

Bibel für heute

Bibel für heute

BIBEL FÜR HEUTE ist die Bibellese für alle, die die tägliche Routine durchbrechen wollen: Um sich intensiver mit einem Bibeltext zu beschäftigen. Um beim Bibel lesen Einblicke in Gottes ...

cards Karten cartes

cards Karten cartes

Die führende Zeitschrift für Zahlungsverkehr und Payments – international und branchenübergreifend, erscheint seit 1990 monatlich (viermal als Fachmagazin, achtmal als ...

care konkret

care konkret

care konkret ist die Wochenzeitung für Entscheider in der Pflege. Ambulant wie stationär. Sie fasst topaktuelle Informationen und Hintergründe aus der Pflegebranche kompakt und kompetent für Sie ...

caritas

caritas

mitteilungen für die Erzdiözese FreiburgUm Kindern aus armen Familien gute Perspektiven für eine eigenständige Lebensführung zu ermöglichen, muss die Kinderarmut in Deutschland nachhaltig ...

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft. Für jeden, der sich gründlich und aktuell informieren will. Zu allen Fragen rund um die Immobilie. Mit ...

dental:spiegel

dental:spiegel

dental:spiegel - Das Magazin für das erfolgreiche Praxisteam. Der dental:spiegel gehört zu den Top 5 der reichweitenstärksten Fachzeitschriften für Zahnärzte in Deutschland (laut LA-DENT 2011 ...

EineWelt

EineWelt

Lebendige Reportagen, spannende Interviews, interessante Meldungen, informative Hintergrundberichte. Lesen Sie in der Zeitschrift „EineWelt“, was Menschen in Mission und Kirche bewegt Man kann ...