Für den Begriff der Logistik gibt es zahlreiche Definitionen, was vor allem auf die kontinuierliche Veränderung der Aufgabenstellungen zurückzuführen ist.[6] Eine in der englischsprachigen Welt weit verbreitete Definition in fluss- bzw. prozessorientierter Sichtweise findet sich bei der amerikanischen Logistikgesellschaft Council of Supply Chain Management Professionals (CSCMP), ehemals Council of Logistics Management (CLM). Sie versteht Logistik als:[7]
„(...)Prozess der Planung, Realisierung und Kontrolle des effizienten, kosteneffektiven Fließens und Lagerns von Rohstoffen, Halbfabrikaten und Fertigfabrikaten und der damit zusammenhängenden Information vom Liefer- zum Empfangspunkt entsprechend den Anforderungen des Kunden".
Eine zweite Definition liefert die international tätige Logistikgesellschaft The International Society of Logistics, ehemals Society of Logistics Engineers, die den Produktlebenszyklus in den Mittelpunkt stellt: Logistik ist[8]
„(...)das unterstützende Management, das während des Lebens eines Produkts eine effizientere Nutzung von Ressourcen und die adäquate Leistung logistischer Elemente während aller Phasen des Lebenszyklus sicherstellt, so dass durch rechtzeitiges Eingreifen in das System eine effektive Steuerung des Ressourcenverbrauchs gewährleistet wird."
Eine dritte Definition stellt verstärkt den Dienstleistungscharakter der Logistik in den Vordergrund. Demnach ist Logistik[9]
„(...)der Prozess zur Koordination aller immateriellen Aktivitäten, die zur Erfüllung einer Dienstleistung in einer kosten- und kundeneffektiven Weise vollzogen werden müssen."
Die dritte Definition unterstreicht, dass der Nutzen nicht durch das Gut an sich entsteht, sondern dieser erst als Ergebnis aus der Bedürfnisbefriedigung am Ort der Nachfrage resultiert. Hierbei nimmt die Logistik die Funktion der sogenannten „raumzeitlichen Überbrückung" von Material, Waren und Information ein.[10]
Wenn in dieser Arbeit von Logistik die Rede ist, wird auf die flussorientierte Definition referenziert, weil dort der Prozessgedanke im Vordergrund steht. Die lebenszyklusorientierte Definition eignet sich zum Beispiel für Diskussionen, die sich auf Phasen des Produktlebenszyklus beziehen. Die dienstleistungsorientierte Definition kann für die Diskussion zur Bereitstellung von anderen Dienstleistungen, im Zusammenhang mit logistischen Dienstleistungen, zweckmäßig sein. Weitere Begriffe der Logistik heben ihre Bedeutung als Führungskonzept hervor.[11]
In der betriebswirtschaftlichen Literatur und Praxis existieren auch für das SCM zahlreiche Definitionen, von denen sich bislang jedoch keine endgültig durchsetzen konnte.[12]'[13] Die für diese Arbeit wesentlichen Elemente sind in folgender Definition enthalten:[14]
„Supply Chain Management ist die integrierte, prozessorientierte Planung und Steuerung der Waren-, Informations- und Geldflüsse entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Rohstofflieferanten bis hin zum Konsumenten mit den Zielen der Verbesserung, der Kundenorientierung, der verbesserten Synchronisierung der Versorgung mit dem Bedarf, der Flexibilisierung und bedarfsgerechten Produktion sowie dem Abbau der Bestände entlang der Wertschöpfungskette."
In diesem Sinne bezeichnet Supply Chain das Bindeglied zwischen den Herstellern, deren Zulieferern, dem Groß- und Einzelhandel als Absatzmittler, Logistikunternehmen als Absatzhelfer sowie den Endabnehmern. Ein Hauptaugenmerk des Managements der Supply Chain liegt auf der Gestaltung der Schnittstellen zwischen den Partnern in der Verbindungskette.[15]
Ausschlaggebend für die steigende Bedeutung des SCM ist der globale Trend einer zunehmenden Konzentration der Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen bei gleichzeitig exponentiell steigenden Nutzungsmöglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK).[16] Dies führt zu einer verstärkten Bildung von Kooperationen und Allianzen, um die zunehmende Innovationsgeschwindigkeit und steigende Ressourcenintensität handhabbar zu machen. Beispielsweise kann ein Zukaufteil wiederum aus Komponenten bestehen, die von spezialisierten Lieferanten des Lieferanten bereitgestellt werden. Eventuell existieren auf der ersten und/ oder auf der zweiten Beschaffungsstufe auch mehrere, alternative Beschaffungsquellen. Zudem kann auch der Kunde das Produkt zum Beispiel erneut verbauen und an weitere, möglicherweise zahlreiche Endkunden liefern. Daraus ergibt sich ein Netzwerk von Unternehmensbeziehungen. Dabei muss in vielen industriellen Bereichen die Teileherkunft und der Ort der Teile-Verwendung nachweisbar bleiben.[17] Folglich macht die IuK eine verbesserte Koordination der Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette möglich, aber auch erforderlich. Zugleich steigt die Bedeutung zur Gestaltung der interorganisationalen Unternehmensbeziehungen.[18] Die Bedeutung des SCM wird an dem mittlerweile schon geflügelten Wort deutlich, dass der Wettbewerb nicht mehr zwischen Unternehmen sondern zwischen Wertschöpfungsketten stattfindet.[19]
SCM basiert auf dem Grundgedanken integrierter, aufeinander abgestimmter Prozesse. Die Fluss- oder Prozessorientierung hat die unternehmensinterne und -übergreifende Planung und Steuerung der Wertschöpfungskette zum Ziel. Objekte des SCM sind nach klassischem Verständnis die Güter- und Informationsflüsse. In einem jüngeren
Verständnis treten akquisitorische Informationen, Finanzmittel und Rechte hinzu.[20] Im Mittelpunkt stehen Kosten-, Zeit- und Qualitätsziele der gesamten Supply Chain gemessen am Nutzen für den Endkunden.[21]
Die Frage, ob die beiden Begriffe „Logistik" und „SCM" eine Vereinigungsmenge oder eine Schnittmenge darstellen oder gar disjunkt sind, war lange Zeit umstritten. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob die Logistik ein Teil des SCM ist - oder umgekehrt, wie in älterer Literatur beschrieben. Larsson und Halldorsson haben zur Abgrenzung und Begriffsklärung einen bedeutenden Beitag geleistet. Sie belegen, dass die Logistik heute mehrheitlich als Teil des SCM betrachtet wird und keinesfalls umgekehrt.[22] Im Gegensatz zum klassischen Logistikbegriff wird mit dem Supply Chain Mangement der Gedanke einer unternehmensübergreifende Planungs- und Managementaufgabe betont und umgesetzt. Teilweise wird das SCM dabei auch als die jüngste Entwicklungsstufe der Logistik betrachtet und als „flussorientierte Logistik" bezeichnet.[23] Das praktische Wissen über die logistischen Grundfunktionen, wie Transport, Umschlag und Lagerung (TUL) wird dabei durch weitere Elemente, wie etwa Produktion, Rechnungswesen, Marketing, Unternehmensführung und Controlling ergänzt.[24][25]
Für diese Arbeit ist der integrierende Prozess-Ansatz bedeutsam, der die gesamte Wertschöpfungskette im Blick hat. Daher wird hier zumeist der Begriff SCM verwendet. Dennoch soll bewußt nicht zwischen Logistik und SCM unterschieden werden, da der Logistikbegriff in einem flussorientierten Sinne verstanden wird. Lediglich, wenn von traditioneller Logistik gesprochen wird (TUL), werden neuere Errungenschaften bewußt ausgeklammert.
Auf Basis der genannten Definitionen und anhand von zwei Schaubildern erfolgt nun eine Überleitung zum Supply Chain Reference Modell (SCOR-Modell). Ausgangspunkt hierfür ist eine stark vereinfachende Unternehmensdarstellung aus logistischer Sicht, wie sie in klassischen Lehrbüchern verwendet wird. Darauf aufbauend wird vereinfachend die Supply Chain Sichtweise auf die Unternehmensprozesse dargestellt. Dabei wird exemplarisch von einem produzierenden Unternehmen ausgegangen. Diese Perspektive wird später verallgemeinert und zugleich detailliert.
Abbildung 2: Klassische logistische Sicht auf die Unternehmung. Quelle: Eigene Darstellung.
Die klassische Darstellung fokussiert Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik als Teilbereiche der betrieblichen Logistik. In neueren Überlegungen tritt als weiterer Bereich die Entsorgungslogistik hinzu. Entsprechend dem Güterstrom weist der Entsorgungsfluss in die entgegengesetzte Richtung des Herstellungsprozesses. Das SCM bezieht zudem die Planungs- und Unterstützungsleistungen in die Betrachtung mit ein.[26]Nachfolgende Darstellung ordnet die benannten sechs Prozesselemente in einer Grafik an und stellt damit die Sichtweise des SCM dar.[27] Planen
Abbildung 3: Supply Chain Sichtweise auf die Unternehmung. Quelle: Eigene Darstellung.
Bisher wurde im engerem Sinne nur die Lieferkette innerhalb eines Unternehmens betrachtet. In der nächsten Erweiterung kann diese Beschränkung aufgegeben werden. Durch die Einbeziehung von Lieferanten und Kunden wird das Modell deutlich komplexer. Eine weitere Steigerung bezieht dann auch die Lieferanten der...