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Die Straße als Lebensraum mit wachsender Attraktivität für Jugendliche. Eine Konkurrenz für die Jugendhilfe?

eine Konkurrenz gegenüber dem System der Jugendhilfe?

AutorSandra Jenning
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2002
Seitenanzahl93 Seiten
ISBN9783638109796
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,3, Alice-Salomon Hochschule Berlin (Fachbereich Sozialarbeit), Veranstaltung: Projektseminar Methoden, 75 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Thema meiner Diplomarbeit ist die Auseinandersetzung mit dem aktuellen System der Jugendhilfe in Deutschland. Anscheinend kann das aktuelle Jugendhilfesystem für Jugendliche in besonderen Lebenslagen, die auf der Straße leben, kaum akzeptable und auf deren Bedürfnisse abgestimmte Hilfsangebote bieten. In meiner Arbeit versuche ich heraus zu finden, welche unterschiedlichen Faktoren dazu beitragen, daß Jugendliche sich für ein Leben auf der Straße entscheiden. Im Mittelpunkt steht dabei für mich die Frage, weshalb die Jugendlichen nicht die Angebote der Jugendhilfe nutzen oder auch nutzen können. ,Welche Bedingungen der Jugendhilfe schließen Straßenjugendliche aus Hilfeformen aus?` beziehungsweise ,Was bietet die Straße als Lebensraum an Möglichkeiten der Lebensführung für Jugendliche?` sind zwei der hauptsächlichen Fragen, mit denen ich mich in meiner Arbeit beschäftigen werde. Als Ergebnis meiner Auseinandersetzung möchte ich möglichst umfangreich neue Herausforderungen und Anregungen an die Jugendhilfe und das Jugendhilfesystem herausarbeiten. Darin sollen sowohl methodische, als auch politische Reformbedürfnisse formuliert werden. Ich beziehe mich in meiner Arbeit hauptsächlich auf einen Fundus von Studien von 1995 bis 1998, der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und , Jugend im Aktionsprogramm ,,Kinder und Jugendliche in besonderen Lebenslagen' gefördert wurde. Diese Studien basieren auf vielen Befragungen unterschiedlicher Autoren, die sowohl mit Straßenjugendlichen, als auch mit ihnen arbeitenden Fachkräften gesprochen haben. Desweiteren habe ich Positionspapiere verschiedener Streetworkprojekte, Dokumentationen von Fachtagungen, Zeitungsartikel diverser Fachzeitschriften und auch populär geschriebene Bücher zum Thema ,,Straßenkinder' als Quellen verwendet. Ergänzend dazu nutzte ich wissenschaftliche Texte über die Sozialisation Kinder und Jugendlicher, über die Jugendphase und deren spezifische Entwicklungsmerkmale, über eine lebensweltorientierte Jugendhilfe und damit verbundene innovative Handlungskonzepte und über die allgemeine Situation und Perspektive der Jugendhilfe im Hinblick auf die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen.

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Leseprobe

3 Strukturveränderungen in der Jugend- und Sozialarbeit


 

Unter diesem Punkt möchte ich darstellen, in wie weit Veränderungen in der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Auswirkungen auf die Soziale Arbeit allgemein und im besonderen auf die Jugendhilfe haben. Dabei stelle ich kurz neuere Entwicklungen der Politik und Gesellschaft dar, beschreibe einige bedeutende Beurteilungskriterien für die Soziale Arbeit und zeige daraus resultierende Schwierigkeiten in der Arbeit mit Jugendlichen, die auf der Straße leben, auf. Ich habe das Thema ‚Strukturveränderungen...‘ in meine Arbeit einfließen lassen, da ich der Meinung bin, daß gerade diese Veränderungen zukünftig wachsende Bedeutung für die Soziale Arbeit und dort Tätige haben werden.

 

 3.2 Politische und gesellschaftliche Veränderungen

 

Menschliche Gesellschaften verändern sich in vielfältiger Weise. Sie verändern sich in ihren ökonomischen Lebensgrundlagen, in den Formen des Zusammenlebens der Menschen, in der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion sowie in den staatlichen Eingriffen und Leistungen zur Regulierung des menschlichen Zusammenlebens. Zugleich mit ihrer sich wandelnden Lebensweise verändert sich die Vorstellung der Menschen von der Realität und dem Sinn ihres Lebens. Das bedeutet, daß Menschen die Welt für sich in den verschiedenen historischen Epochen interpretieren und dementsprechend ihre Verhaltensweisen und ihr Handeln aufgrund ihrer individuellen Einsichtsfähigkeit verändern (aus Grunwald u.a. 1996 S.143 ff.). In Deutschland nimmt der Strukturwandel und die Krise der Arbeitsgesellschaft einen großen Einfluß auf politische Debatten. Die Arbeitslosigkeit der Bevölkerung nimmt von Jahr zu Jahr zu. Hoffnungen, die Arbeitslosigkeit durch einen Übergang von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft zu reduzieren beziehungsweise zu beseitigen, wurden und werden entwickelt. Prognosen für den „Wachstumsmotor Dienstleistungen“ (Bäcker 2001, S.3) sind Zuwächse von 4 Millionen Arbeitsplätze in diesem Bereich (vgl. Saat 1999).

 

Desweiteren verlangen moderne Gesellschaften von den Menschen ein hohes Maß von eigenen Entscheidungen, da heute eine Vielzahl von Lebenswegen möglich sind[44]. Dies bietet die Chance, sich gegen die bisher üblichen Lebensweisen zu entscheiden. Gleichzeitig ist eine Entscheidung nicht mehr unbedingt verläßlich. Rauschenbach spricht von einem Wegfall der „ehemals wegweisenden und kollektiv abgesicherten Geländer der Lebensführung bei gleichzeitiger Ausweitung individueller Gestaltungsmöglichkeiten“ (Rauschenbach 1992). Die Freiheit der Entscheidung und der gleichzeitige Zwang diese selbst zu treffen, wecken bei Menschen starke Unsicherheiten, Isolationsgefühle und bewirken teilweise Grenzerfahrungen ohne vorhersehbare Folgen für sich selbst und andere .

 

Daraus resultiert unter anderem, daß die Soziale Arbeit in Deutschland zur Zeit im Wandel begriffen ist. Während in den 70-er Jahren eine Konjunktur der verschiedensten Hilfeformen und Organisationen im Sozialbereich zu beobachten war, ist seit Beginn der 90- er Jahre ein Rückgang und Stop dieses Trends ersichtlich. Grunwald spricht von der „Krise der Sozialstaates“ (vgl.Grunwald 1996, S. 189).

 

Gleichzeitig machen neue soziale Probleme auch in Zukunft neue Maßnahmen und Programme in der Sozialen Arbeit nötig. Neue Adressatenkreise der Sozialarbeit entstehen im Zuge des gesellschaftlichen Wandels, da der Beratungs- und Orientierungsbedarf der Bevölkerung zunimmt und die Sozialarbeit nicht mehr nur für bestimmte Gruppierungen zuständig sein wird, sondern fast jeder Mensch zukünftig in bestimmten Phasen seines Lebens Hilfe und Unterstützung brauchen wird (vgl. Bäcker 2001).

 

Einhergehend mit einem erweiterten Klientenkreis wandelt sich das Aufgabenverständnis und die Leistungserwartungen an die Sozialarbeit. Zu den klassischen Aufgaben der Sozialarbeit kommen zukünftig verstärkt die Unterstützung zur Selbstbewältigung von individuellen Schwierigkeiten und die Herstellung von Gruppen und Beziehungen als Ersatz für Familie, Nachbarschaft und Gemeinden hinzu (ebd.).

 

3.1.1 Die Dienstleistung Sozialarbeit


 

In öffentlichen Diskussionen über soziale Dienstleistungen fällt auf, daß diese oft ausschließlich unter dem Kostenfaktor betrachtet werden. Dabei werden soziale Dienstleistungen einem Wirtschaftswachstum und einer Beschäftigungsentwicklung gegenüber als verhindernd beschrieben (Bäcker 2001, S. 4ff.). Als Lösung sehen Vertreter dieser Position zum einen eine Privatisierung sozialer Dienstleistungen an, die die Aufgaben staatlicher Träger und Organisationen übernehmen, zum anderen soziale Dienste durch Ehrenamtliche zu leisten, da beides effizienter und effektiver[45] sei (ebd.). Diese Betrachtungsweise läßt jedoch die Bedeutung sozialer Dienstleistungen für einen gelingenden sozialen Strukturwandel völlig außer Acht. Staatliche, produktionsnahe, konsumbezogene soziale Dienstleistungsberufe mit wachsender Bedeutung sind die sozialen Erziehungs- und Gesundheitsberufe[46].

 

Die Bezeichnung ‚Dienstleistung‘ wurde als Kategorie von Badura und Groso[47] entwickelt. Dabei ging es ihnen nicht um eine allgemeine Theorie der Dienstleistungsgesellschaft: Ein Akt der sozialen Dienstleistung ist ihren Beschreibungen zufolge die Herstellung und der Verbrauch sozialer Dienstleistungen, welcher durch eine besondere Intensität der Interaktion[48] zwischen den Beteiligten gekennzeichnet ist. Die Soziale Arbeit wird überwiegend als personenbezogene Dienstleistung verstanden. KlientIn ist AdressatIn und KundIn, welche(r) gleichberechtigt und einsichtsfähig mit eigenen Rechten und Maßstäben in der Beurteilung des Angebots der sozialen Dienstleistung ist (ebd.).

 

Die Soziale Arbeit hat nicht nur eine, sondern mehrere Kundschaften mit zum Teil gegensätzlichen Interessen. Ihre Aufgabe ist immer zu berücksichtigen und politisch auszuhandeln, wie die dabei ausgeschlossenen Kundschaften zufrieden zu stellen sind (aus Olk 1995).

 

 Zur ‚Kundschaft‘ der Straßensozialarbeit zählen beispielsweise das Jugendamt, die Eltern der Jugendlichen, die Kommune (die aus dem jeweiligen Haushalt finanzielle Mittel bereitstellt und auch notwendige Bedarfe an Jugendhilfe- Maßnahmen als Aufgabe an Jugendhilfeträger überträgt) und vor allem die Jugendlichen selbst. Teilweise gegensätzliche Erwartungen und Aufträge der unterschiedlichen Kundschaften sind in einem ständigen Prozeß der Auseinandersetzung durch die SozialarbeiterInnen, die mit den Jugendlichen arbeiten, auszubalancieren. Dabei sollen die Interessen der Jugendlichen im Mittelpunkt stehen und mit den anderen Kundschaften Kompromisse oder auch Abstriche an den inhaltlichen Erwartungen an die Straßensozialarbeit erarbeitet werden. Nutznießer der Straßensozialarbeit sind nicht nur die angesprochenen Jugendlichen, sondern auch die Eltern, die wieder besser mit ihren Kindern kommunizieren können, die öffentliche Hand, die unter Umständen weitere Transferleistungen einspart und die Öffentlichkeit, die nicht mehr von den „Störenfrieden“ verängstigt wird.

 

3.1.2 Sozialmanagement


 

Seit Mitte der 80er Jahre findet verstärkt die Einführung von Management- Begriffen in die Soziale Arbeit statt. „Marketing“, „Sponsoring“, „Effizienz“ und „Effektivität“ sind nur einige Vokabeln aus der wachsenden Zahl derartiger Begriffe[49]. Verwendet werden diese Begriffe im Zusammenhang mit der „Personal- und Organisationsentwicklung“ und in Diskussionen über „Qualitätssicherung und - entwicklung“ oder der „Dienstleistungsorientierung“ (aus Grunwald 1996 S. 189). Thiersch begründet diese Entwicklung mit der immensen Ausweitung der Sozialen Arbeit, welche im 21. Jahrhundert noch zunehmend an Bedeutung gewinnen wird[50].

 

Einhergehend mit der wachsenden Ausdifferenzierung und Spezialisierung[51] von Aufgaben und Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit stieg die Zahl der MitarbeiteInnen und deren Professionalisierung und es fand ein zahlenmäßiges Wachstum der freien und öffentlichen Träger statt[52].

 

Eine weitere Ursache der Hinwendung zu Management- Strategien ist die Finanzknappheit der öffentlichen Haushalte, insbesondere der Kommunen. Im Zuge dieser Entwicklung muß sich die Soziale Arbeit in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit der Mittelverwendung (entspricht dem Begriff der Effizienz) und auf die Wirksamkeit der Mittelverwendung für fachliche Leistungen (bezieht sich auf den Begriff der Effektivität) legitimieren. Soziale Träger und Organisationen müssen sich verstärkt unter Gesichtspunkten des Preis- Leistungs- Verhältnis bewähren (aus Grunwald u.a. 1996 S.11ff.).

 

Zu neuen Aufgaben der Sozialen Arbeit zählt, sich mit Konzepten aus der Managementlehre und der Betriebswirtschaftslehre zu befassen und diese auf ihren Nutzen...

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