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E-Book

Die Stunde Null? Aufgreifen von Vorkenntnissen in den ersten mathematischen Lernsituationen

AutorVanessa Schmidt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl93 Seiten
ISBN9783668058224
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Didaktik - Mathematik, Note: 15 Punkte, Justus-Liebig-Universität Gießen, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit befasst sich mit dem Aufgreifen von mathematischen Vorerfahrungen im ersten Schuljahr. Diese für Schüler, Eltern und Lehrer entscheidende und schwierige Phase wird in der Arbeit sensibel, durchweg äußerst klar und hervorragend fundiert analysiert. Die geschickt gewählte Kombination von breiter theoretischer Grundlage und gezielter Fallstudie macht dem Leser die Breite des Themas bewusst und bietet gleichzeitig einen sehr persönlichen Einblick! Gerade dieser persönliche Einblick macht die Arbeit besonders lesenswert.

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Leseprobe

3 Übergang


 

In der Kindheit erlebt der Mensch einige Übergänge. Der bedeutendste ist der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule. Dies bemerken die Kinder nicht erst bei der Einschulung, sondern bereits während des letzten Kindergartenjahres. In den meisten Kindergärten werden diese Kinder ‚(Vor-)Schulkinder‘ genannt (Vgl. Neuß 2010, S. 72). Bereits hier kann laut Griebel & Niesel von einem beginnenden Statuswechsel gesprochen werden (Vgl. Griebel & Niesel 2002, S. 15).

 

Übergänge[3] sind Veränderungen der Lebensumwelt, in denen sich mit der sozialen Umwelt auseinandergesetzt werden muss. Ein reibungsloser Übergang kann nur gelingen, wenn sich das Kind in kürzester Zeit an die neue Situation anpassen kann. Daher werden Übergänge in dem Bildungs- und Erziehungsplan Hessens als „Phasen beschleunigten Lernens“ (HSM & HKM 2012, S. 94) charakterisiert.

 

Griebel & Niesel bezeichnen die Übergangsbewältigung als ‚Entwicklungsaufgabe‘ und unterteilen die Anforderungen und Veränderungen in drei Ebenen (Vgl. Griebel & Niesel 2004, S. 36). Die erste Kategorie betrifft die Anforderungen auf der individuellen Ebene. Die Identität des Kindes ändert sich von dem Kindergartenkind zu einem Schulkind. Mit dieser Änderung gehen einige Emotionen wie Vorfreude und Neugier aber auch Ungewissheit und Angst einher. Des Weiteren entstehen neue, veränderte Anforderungen, welche wiederum neue Verhaltensweisen erfordern. Diese Verhaltensweisen machen den Entwicklungsstand des Kindes sichtbar. Außerdem baut das Kind Kompetenzen aus und erwirbt neue hinzu, wie beispielsweise die Selbstständigkeit (Vgl. Griebel & Niesel 2004, S. 123; HSM & HKM 2012, S. 94).

 

Auf der interaktionalen Ebene entstehen ebenfalls Anforderungen. Das Kind muss neue Beziehungen zu den Lehrkräften und den Mitschülerinnen und Mitschülern aufbauen und verliert gleichzeitig vertraute Beziehungen aus dem Kindergarten. Manche Beziehungen verändern sich wie beispielsweise innerhalb der Familie. Das Kind nimmt eine neue Rolle ein, womit eine gewisse Rollenerwartung und Rollensanktion einhergeht (Vgl. Griebel & Niesel 2004, S. 124).

 

Außerdem existieren Anforderungen auf der kontextuellen Ebene. Die Familie und die Schule sind zwei Lebensbereiche, welche miteinander verknüpft werden müssen (Vgl. ebd.). Der Schulbesuch bestimmt zu einem großen Teil den Tagesablauf des Kindes und ist im Vergleich zum Kindergarten verpflichtend (Vgl. Griebel & Niesel 2002, S. 30).

 

Die Vielschichtigkeit der Anforderungen eines Übergangs wird anhand der Ausführungen deutlich. Zur Bewältigung sind somit Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht ausreichend, sondern es werden zusätzlich Basiskompetenzen erforderlich (Vgl. Griebe & Niesel 2004, S. 124).

 

Das Verhalten des Kindes in der Schule ist somit abhängig von der Übereinstimmung der Kompetenzen und den Anforderungen (Vgl. Griebel & Niesel 2002, S. 42). Dies soll am Beispiel einer gut ausgeprägten sozialen Kompetenz, welche förderlich für die Bewältigung des Übergangs ist, deutlich gemacht werden (Vgl. ebd. S. 45). Auf Grund der sozialen Kompetenz können soziale Kontakte schneller geknüpft und somit positive Erfahrungen in Verbindung mit der Schule erworben werden. Das Kind fühlt sich dadurch wohl. Somit kann das Wohlbefinden als Kennzeichen für einen erfolgreichen Übergang gesehen werden (Vgl. Neuß 2010, S. 74).

 

Ausgehend von dem PISA-Schock wird die Forderung nach einem gleitenden Schulübergang zunehmend stärker. Die Erwartungen an Schulanfängerinnen und Schulanfänger sind gestiegen und somit ist der Elementarbereich gezwungen seinen Bildungsauftrag vermehrt wahrzunehmen (Vgl. Hopf; Zill-Sahm & Franken 2008, S. 7). Eine Antwort auf diese Forderungen ist der Bildungs- und Erziehungsplan Hessen. Er thematisiert, neben den oben dargestellten Inhalten, den Übergang vom Kindergarten zur Grundschule und spricht diesbezüglich die Kooperation der Institutionen an (Vgl. HSM & HKM 2012, S. 101 und 103). Diese Kooperation soll nach Hopf; Zill-Sahm & Franken dazu beitragen, dass eine Kontinuität des Bildungsganges jedes Kindes erreicht wird. Diese Kontinuität ist nach Meinung der Autoren ebenso wichtig bei der Persönlichkeitsentwicklung, welche beide Bildungsorte zu begleiten haben (Vgl. Hopf; Zill-Sahm & Franken 2008, S. 9ff.). Griebel & Niesel geben jedoch zu bedenken: „Diskontinuität ist ein Merkmal von Übergängen.“ (Griebel & Niesel 2002, S. 61). Wird versucht eine Kontinuität des Übergangs vom Kindergarten zur Grundschule herzustellen, so müsste die Schule und der Kindergarten in ihrer Konzeption, Aufgabe und Rahmenbedingungen gleich sein. Außerdem verhelfen die Basiskompetenzen, welche nach dem Bildungsauftrag in dem Elementarbereich entwickelt und gefördert werden sollen, die Diskontinuität eines Übergangs zu bewältigen. Im Nachhinein stärkt solch ein absolvierter Übergang die Kinder und erweitert deren Kompetenzen (Vgl. ebd. S. 62). Griebel & Niesel kommen somit zu dem Entschluss: „Soviel Kontinuität wie nötig – nicht wie möglich.“ (ebd. S. 62).

 

Wie bereits bei der Aufgabe des Kindergartens erwähnt, soll der Kindergarten keine Inhalte und andere Merkmale der Schule vorgreifen beziehungsweise übernehmen. Daher sollte der Kindergarten seine Inhalte mit der Schule abstimmen. Diese Abstimmung ist ein weiteres Ziel der Kooperation und trägt ebenfalls zu einem gleitenden Übergang bei (Vgl. Hopf; Zill-Sahm & Franken 2008, S. 10).

 

Darüber hinaus sollten in diese Kooperation die Eltern mit einbezogen werden (Vgl. ebd. S. 10f.). Der Bildungsprozess des Kindes in der Schule baut auf den Bildungsprozess resultierend aus dem Kindergarten, der Familie und eventuellen zusätzlichen Bildungsorten auf. Dies verdeutlicht, dass die einzelnen Bildungsorte aufeinander angewiesen sind und ein solcher Bildungsprozess nur erfolgreich sein kann, wenn diese familialen (sozialen) wie auch institutionellen Bildungsorte miteinander kooperieren (Vgl. HSM & HKM 2012, S. 23). Die Kooperation aller Beteiligten wird als ‚Ko-Konstruktion‘ bezeichnet und Forderungen nach solcher werden laut (Vgl. Griebel & Niesel 2004, S. 111).

 

Auch für die Eltern ist der Übergang von besonderer Bedeutung. Auf sie kommen neue Aufgaben und Themen zu (Vgl. Neuß 2010, S. 72). Des Weiteren verändert sich die Rolle der Eltern insofern, dass ihnen ein neuer Erziehungsauftrag zukommt (Vgl. Griebel & Niesel 2002, S. 17). Die oben beschriebenen veränderten Anforderungsbereiche gelten ebenfalls für die Eltern, werden jedoch in dieser Arbeit nicht ausgeführt, da der Schwerpunkt auf den Kindern liegt (Vgl. ebd. S. 15-42).

 

Generell ist festzuhalten, dass der Übergang eine gewisse Hürde mit Chancen und Risiken darstellt. Kinder können bereits in dieser Phase des Bildungsgangs Selektion und Stigmatisierung erfahren, welche negative Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung haben können (Vgl. Neuß 2010, S. 73).

 

3.1 Gestaltung des Übergangs


 

Für die Vorbereitung auf die Schule gibt es in den Kindergärten kein verbindliches Curriculum und auch der Bildungs- und Erziehungsplan Hessen beinhaltet keine Angaben zu Gestaltung und Inhalt des Übergangs. Die Ausgestaltung in der Praxis ist daher vielfältig und an dieser Stelle nur schwer in einem Überblick darzustellen (Vgl. Griebel & Niesel 2002, S. 46).

 

Die Gestaltung des Übergangs sollte in Kooperation von Kindergarten und Grundschule thematisiert und entwickelt werden. Ein Modellbeispiel für solch eine kooperative Gestaltung ist der Kooperationskalender. Er ist eine Art Arbeitsplan, in dem Vereinbarungen von Kindergarten und Grundschule terminlich festgehalten werden. Solche vereinbarten Termine können die Bekanntgabe der Klassenlehrerinnen und der Klassenlehrer, die verstärkte Arbeit mit den Vorschulkindern, Besuche beider Seiten in den Einrichtungen, die Testung der Schulfähigkeit sowie Kennenlern-Nachmittage aller Beteiligten sein (Vgl. Hense & Buschmeier 2002, S. 101-107).

 

Im Rahmen der verstärkten Arbeit mit den Vorschulkindern können Konzepte wie beispielsweise ‚Die Reise ins Zahlenland‘ durchgeführt oder auch einzelne, schulverwandte Themen behandelt werden. Griebel & Niesel haben bezüglich der Thematisierung schulspezifischer Inhalte eine Fragebogenerhebung in bayrischen Kindergärten durchgeführt. Sie stellten unter anderem fest, dass 88% der Kindergärten den Umgang mit Zahlen übten. Knapp 60% von ihnen boten Schreib- sowie Leseübungen einzelner Wörter an. Themen wurden bei 78% durch Arbeitsblätter bearbeitet und 37% arbeiteten mit Arbeits- beziehungsweise Vorschulmappen. Die meisten Kindergärten bieten eine Auswahl solcher Aktivitäten an (Vgl. Griebel & Niesel 2002, S. 46-49).

 

Durch solch eine Kooperation können Erzieherinnen und Erzieher und Lehrerinnen und Lehrer in einen Austausch über die Kinder gelangen. Die Lehrerinnen und Lehrer können sich mit Hilfe der Aussagen der Erzieherinnen und Erzieher einen ersten Eindruck über ihre angehenden Schülerinnen und Schüler machen. In diesem Austausch können Besonderheiten, Stärken und Schwächen der Kinder sowie Kann-Kinder thematisiert werden. Ein Anlass zu solchen Gesprächen kann die, im Folgenden beschriebene und ebenfalls im Kooperationskalender festgehaltene, Testung der Schulfähigkeit sein (Vgl. Hasemann & Gasteiger 2014, S. 59f.).

 

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