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E-Book

Die Täter des Judenpogroms 1938 in Innsbruck

VerlagHaymon
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl300 Seiten
ISBN9783709937464
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
EINE NACHT VOLLER SCHRECKEN UND TERROR Das Attentat eines jungen polnischen Juden in der Deutschen Botschaft in Paris nutzten die Nationalsozialisten als willkommenen Anlass, um gegen alle Juden im Deutschen Reich gesetzlich vorzugehen. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 ging als eine der gewaltvollsten in die Geschichte ein. Die Nationalsozialisten demonstrierten ihre Macht auf erschreckende Weise: Synagogen wurden in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte demoliert und ausgeraubt, tausende Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt. ÜBERALL IST AUCH HIER Die gewaltvollen Übergriffe fanden im gesamten Deutschen Reich, in großen und kleinen Städten, statt - auch Innsbruck war davon nicht ausgenommen. Thomas Albrich stellt erstmals die Ereignisse dieser Nacht in Innsbruck sehr eindringlich und detailreich dar. Der Schwerpunkt dieses Sammelbandes liegt vor allem auf den Tätern und allen Beteiligten der 'Kristallnacht' aus Tirol. Der Herausgeber gibt einen umfassenden Überblick und detaillierte Hintergrundinformationen WER WAR DABEI? Die Einzelbiographien von rund 70 Männern sind detailreich und mit vielen Hintergrundinformationen aufbereitet. Alle verurteilten, gefallenen, ins Ausland geflüchteten sowie unbestraften Täter aus Tirol werden anhand von Archivbildern und neuen Dokumenten und Protokollen genannt.

Thomas Albrich, geboren 1956 in Dornbirn, Ao Univ.-Prof. Mag. Dr. am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck, Hauptarbeitsgebiete: Zweiter Weltkrieg, alliierte Besatzungs-politik in Österreich, Geschichte der Juden und des Zionismus. Bei Haymon zuletzt: 'Wir lebten wie sie. Jüdische Lebensgeschichten aus Tirol und Vorarlberg' (1999), 'Von Salomon Sulzer bis 'Bauer & Schwarz'. Jüdische Vorreiter der Moderne in Tirol und Vorarlberg' (2009) sowie das dreibändige Werk im Schuber 'Jüdisches Leben im historischen Tirol' (2012).

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Leseprobe

Die Innsbrucker Kommandoebene im Novemberpogrom


Gauleiter Franz Hofer


Sarah Scheitnagl

Gauleiter Franz Hofer war zweifellos der führende Mann in der Nacht des Pogroms in Innsbruck. Er gab die Anweisungen, nach denen in der Folge die Ausschreitungen gegen die Juden in Innsbruck durchgeführt wurden.

Franz Hofer kam am 27. November 1902 in Bad Hofgastein/Salzburg als Sohn von Franz Hofer senior aus Tirol und Rosie, geborene Heinzle, aus Götzis in Vorarlberg zur Welt. Die Familie verblieb nur wenige Jahre in Salzburg und zog schon bald nach Tirol, genauer nach Innsbruck, wo Franz Hofer senior als Pächter des Gasthauses Breinößl fungierte. Nach dem Besuch der Volksschule sowie der Oberrealschule in Innsbruck machte sich Franz Hofer selbstständig, indem er ein Geschäft für Radiogeräte eröffnete.

Seine ersten politischen Gehversuche startete Hofer in der Heimatwehr, diese waren aber von eher bescheidenem Erfolg gekrönt: er wurde von Stabschef Waldemar Pabst „wegen völliger Nichteignung“1 entlassen. Am 15. September 1931 fand er durch seinen Beitritt bei der NSDAP ein neues politisches Tätigkeitsfeld. Dort stieg er innerhalb kürzester Zeit (es dauerte nur ca. eineinhalb Jahre) vom Ortsgruppenleiter zum Gauleiter für Tirol und Vorarlberg auf. Daneben schaffte er es ebenfalls, die NSDAP, die zu Beginn seiner politischen Laufbahn gespalten gewesen war, so weit zusammenzuführen und zu stärken, dass die Partei große Wahlerfolge verzeichnen konnte. So führte die am 23. April 1933 stattgefundene Ergänzungswahl für den Innsbrucker Gemeinderat zu einem riesigen Erfolg für die Nationalsozialistische Partei und Franz Hofer erhielt als Spitzenkandidat in Innsbruck sogar 41 % der Wählerstimmen – ein Phänomen, das vor allem Hofers Führungsstil, der sich unter anderem durch Propaganda und organisatorisches Geschick2 auszeichnete, zu verdanken war.3

Die NSDAP, nunmehr die „drittstärkste Fraktion“ in Innsbruck, war nun unter anderem durch Franz Hofer als einer der drei NS-Stadträte in der Innsbrucker Stadtregierung vertreten. Nachdem die NSDAP auch in Landeck einen Erfolg mit über 30 % der Wählerstimmen feierte, durften in ganz Österreich Landtags- und Gemeindewahlen nicht mehr durchgeführt werden, da die Christlich-Sozialen weitere Erfolge der NSDAP und damit deren unaufhörlichen Aufstieg befürchteten.4

Zeitgleich mit ihren politischen Erfolgen steigerte die NSDAP ihre gewalttätigen Übergriffe. So kam es am 11. Juni 1933 in Innsbruck zu einem Attentat auf den Kommandanten der Tiroler Heimatwehr, Richard Steidle, das dieser verletzt überlebte; ein weiterer Angriff erfolgte am 19. Juni 1933 auf christlichsoziale Turner, welchen die Nationalsozialisten mit einer Handgranate verübten.5

In der Illegalität

Als Konsequenz dieser Anschläge wurde die NSDAP in Österreich verboten und gegen Hofer – dieser war im Juli/August 1934 in das Gefangenenhaus in Innsbruck verbracht worden – ein Prozess wegen Hochverrats angestrebt. Bevor es zur Durchführung weiterer rechtlicher Schritte gegen Hofer kommen konnte, gelang es ihm mit Hilfe von vier Mitgliedern der Tiroler SA zuerst nach Bozen und sodann mit dem Flugzeug nach München zu fliehen. Eine während der Flucht am Brennerpass durch einen Gendarmen beigebrachte Schusswunde nutzte Hofer gekonnt, um sich am „Parteitag des Sieges“, der vom 31. August bis 3. September 1933 in Nürnburg stattfand, auf einer Bahre liegend in Szene zu setzen und dabei eine „flammende Rede“ zu halten.6

1934 wurde Franz Hofer die österreichische Staatsbürgerschaft durch die Regierung Dollfuß aberkannt. Trotzdem war er bis zum Juliputsch 1934 von Deutschland aus als Leiter der Tiroler NSDAP tätig und publizierte ebenso die in Österreich illegale Zeitung des Gaues Tirol-Vorarlberg, den Roten Adler. Nach dem Juliputsch erfolgte die Auflösung der österreichischen Landesleitung in Bayern und Franz Hofer übersiedelte daraufhin im Jahr 1937 nach Berlin, von wo aus er bis 25. Mai 1938 die Leitung der Leiter- und Mitglieder-Sammelstelle innehatte, welche die Aufgabe hatte, aus Österreich aufgrund des dortigen Verbots vertriebene Nationalsozialisten in Berlin unterzubringen und einzubürgern.

Zurück in Tirol

Nach der Annexion Österreichs im Frühjahr 1938 konnte sich Hofer trotz massiver Widerstände in den eigenen Reihen gegen die Tiroler Illegalen etablieren, und es erfolgte am 25. Mai 1938 seine Bestellung zum Gauleiter von Tirol-Vorarlberg sowie zum Landeshauptmann von Tirol. Zudem war er bereits Mitglied des Reichstages. Im November 1938 wurde er NSKK-Gruppenführer und damit ranghöchster Funktionär dieser Gliederung im Gau. Tirol und Vorarlberg unterstanden als Gau Tirol-Vorarlberg der Führung Hofers, Osttirol allerdings als Kreis Lienz dem Gau Kärnten. Weitere Ernennungen Hofers waren im November 1942 jene zum „Reichsverteidigungskommissar“ sowie im September 1943 zum „Obersten Kommissar der Operationszone Alpenvorland“, welche die Provinzen Bozen, Trient und Belluno umfasste.7 In seiner Tätigkeit als Oberster Kommissar schaffte es Hofer, die Gemeinden des Bozner Unterlandes, die seit 1923 zum Trentino gehörten, sowie Ampezzo-Buchenstein an die Provinz Bozen anzuschließen, was ihm positiv angerechnet wurde.

Franz Hofer war in der Umsetzung seiner Ziele absolut unbarmherzig und schreckte nicht vor Gewaltanwendung zurück. So wurden circa 160 deutsche und ladinische Südtiroler in Konzentrationslager, weitere 140 in Gefängnisse verbracht, 21 starben in Konzentrationslagern sowie durch Hinrichtung; ebenso wurden über ein Durchgangslager in Bozen Tausende in Vernichtungslager deportiert, worüber Hofer Bescheid wusste.8 Hofer war in seinem Machtbestreben nicht nur ohne jegliche Rücksicht, sondern auch mit absolutem Herrschaftsanspruch, was bedeutete, dass er alle Entscheidungen selbst traf, ohne seine Stellvertreter und Amtswalter mit einzubeziehen.9 Ein wichtiges Ziel Hofers war es, die nach wie vor große Macht der katholischen Kirche im Gau Tirol-Vorarlberg zu brechen, um Hitler einen weitgehend klosterfreien sowie kirchenlosen Gau präsentieren zu können. Im Zuge dieser Politik erkannte er unter anderem den apostolischen Administrator DDr. Paulus Rusch nicht an und war maßgeblich an der Verhaftung und Verfolgung von Provikar Prälat Dr. Carl Lampert beteiligt. Insgesamt wurden in Tirol mindestens elf Priester ermordet oder in Konzentrationslager verbracht.10

Verhaftung 1945

Im April 1945 wurde Hofer von Adolf Hitler zum Leiter der Bauarbeiten für die so genannte Alpenfestung ernannt, deren Bau er Hitler in einem Memorandum im November 1944 selbst vorgeschlagen hatte. Allerdings dürfte Hofer zu diesem Zeitpunkt durchaus bewusst gewesen sein, dass eine solche Festung aufgrund der Entwicklungen im Krieg und angesichts alliierter Truppen, die bereits vor der Grenze standen sowie im Wissen um die so genannte „Operation Sunrise“, die Verhandlungen über eine deutsche Kapitulation in Italien, reine Utopie sein konnte.11 Das Ende des Zweiten Weltkrieges verbrachte Hofer zusammen mit dem US-Fallschirmagenten Fred Mayer, einer für ihn wichtigen Geisel, sowie engen Mitarbeitern auf dem Lachhof bei Innsbruck. Dort traf er am 3. Mai 1945 auf amerikanische Soldaten, die ihn zwei Tage unter Hausarrest stellten, bevor das Counter Intelligence Corps dafür sorgte, dass Hofer nach Deutschland gebracht und interniert wurde. Die Zeit bis 1948 verbrachte er in verschiedenen Internierungslagern: in Augsburg, Seckenheim, Kornwestheim, Heilbronn, Zuffenhausen und Dachau. Hofer selbst konnte diese Internierung nicht verstehen, da er sich – nach eigenem Empfinden – in den Kriegsjahren nichts Schlimmes zuschulden hatte kommen lassen. Im März sowie Mai 1946 verfasste er daher zwei Schreiben, in denen er um Entlassung aus den Internierungslagern oder Auslieferung nach Österreich ersuchte.12

Nachkriegsjustiz

Nicht nur Hofer begehrte die Überstellung nach Österreich, umgekehrt kam es ab 1947 auch zu Auslieferungsbegehren der Republik Österreich. Es gab für die amerikanische Behörde, die bislang mit der Causa Hofer betraut gewesen war, nach Abschluss ihrer Ermittlungen nunmehr zwei Möglichkeiten, wie mit Hofer verfahren werden könnte: Die Auslieferung nach Österreich oder ein Spruchkammerverfahren in Deutschland. Bis zu diesem Zeitpunkt existierte in der Staatsanwaltschaft Innsbruck allerdings kein wie auch immer gearteter Akt in der Angelegenheit Hofer; offensichtlich war die österreichische Justiz davon ausgegangen, dass die amerikanischen Alliierten einen Prozess gegen ihn anstreben würden. Am 14. Dezember 1947 wurde von der Staatsanwaltschaft Innsbruck daher der Haftbefehl samt Beantragung der Untersuchungshaft gegen Franz Hofer ausgestellt, in welchem er wegen Verbrechen der §§ 10, 11 Verbotsgesetz, wegen Hochverrats sowie nach §§ 1–8 Kriegsverbrechergesetz angeklagt wurde, die Übersendung nach Deutschland samt Auslieferungsgesuch erfolgte am 15. Dezember 1947 an die zuständige Behörde in München.13

Am 8. Januar 1948 kam es zur Überstellung Hofers in das Lager Dachau, da nunmehr die deutsche Behörde für ihn zuständig war. Für die...

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