Die Bewertung bildet den ersten Schritt zur Wertermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs i.S.d. § 10 ErbStG. Zweck der Wertermittlung ist es, alle zu berücksichtigenden Aktiv und Passivpositionen in Geldbeträge umzurechnen, um die Bereicherung des Erwerbers bestimmen zu können.[32]
Zunächst erfolgte die Bewertung des Vermögenszuwachses mit Einheitswerten gem. § 19 Abs. 1 BewG. Diese basierten auf den Wertverhältnissen zum 01.01.1964 in den alten Bundesländern und zum 01.01.1935 in den neuen Bundesländern[33] gem. § 129 BewG. Bei dieser Bewertungsmethode liegt eine permanente Bewertung des Vermögens zu Grunde.[34] Bei der Erbschaft und Schenkungsteuer handelt es sich hingegen um eine aperiodische Steuer, welche sich ausschließlich an einen Vermögenserwerb im Erb oder Schenkungsfall bezieht und gem. § 11 ErbStG somit einmalig zum Bewertungsstichtag zu bewerten ist. Das übertragene Vermögen einschließlich der Schulden ist damit nur „bei Bedarf“ zu bewerten.[35]
Das BVerfG stellte in seinem Beschluss vom 22.06.1995[36] fest, dass die Bewertung im Einheitswertverfahren ein Bewertungsmissverhältnis hervorrufe[37] und den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genüge.[38] Die auf Grundlage der Einheitsbewertung resultierenden Besteuerungsergebnisse sind mit Art. 3 Abs. 1 GG daher nicht vereinbar.[39] Abgelöst wurde die Bewertung im Einheitswertverfahren durch das sog. Bedarfswertverfahren, welches zum 01.01.1996 rückwirkend in Kraft trat.[40] Hiermit wurde erstmals dem Stichtagsprinzip der Erbschaft und Schenkungsteuer für die Bewertung des übertragenden Vermögens Rechnung getragen[41] und der Grundsatz der realitätsgerechten Werterelation eingeführt.[42] Dieser Grundsatz erfordert eine einheitliche Bemessungsgrundlage für alle Vermögensarten. Maßgebend für die Bewertung ist der gemeine Wert bzw. Verkehrswert.[43] Weiterhin wurden im Erbschaftsteuerbeschluss vom 07.11.2006[44] des BVerfG alle anderen bisher noch möglichen Bewertungsmethoden für verfassungswidrig erklärt.[45]
Für die Bewertung von Grundstücken zum Zwecke der Erbschaft und Schenkungsteuer verweist § 12 Abs. 1 ErbStG auf die allgemeinen Bewertungsvorschriften des ersten Teils des Bewertungsgesetzes, sofern die Absätze 2 bis 7 nichts anderes bestimmen. Damit werden der Bewertung im Rahmen der Erbschaft und Schenkungsteuer die allgemeinen Bewertungsgrundsätze nach dem Bewertungsgesetz zu Grunde gelegt.[46] Besondere gesetzliche Regelungen zur Bestimmung des Wertes von Grundstücken finden sich im sechsten Abschnitt des Bewertungsgesetzes für die Erbschaftsteuer ab dem 01.01.2009. Eine Ausnahme bildet nur die Bewertung von nicht zum Betriebsvermögen gehörenden Bodenschätzen.[47]
Der gemeine Wert als Bewertungsziel, wird nach § 9 Abs. 2 S. 1 BewG durch den Preis bestimmt, welcher im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei der Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die den Preis beeinflussen, § 9 Abs. 2 S. 2 BewG. Absatz 3 schließt die Berücksichtigung ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse bei der Bewertung aus. Der gemeine Wert entspricht damit dem objektiven Wert des Wirtschaftsguts, den dieser in Abhängigkeit von seiner Beschaffenheit für einen Kaufinteressenten oder einem am Kauf Beteiligten hat.[48]
Die Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes ist gem. § 9 Abs. 2 S. 1 BewG bei der Bestimmung des gemeinen Werts von besonderer Bedeutung. Hierunter sind alle tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu verstehen, die für das Wirtschaftsgut charakteristisch sind.[49] Bei Grundstücken wird die Beschaffenheit wesentlich durch die Lage, Fläche, Bau und Erschließungszustand, Grundstücksform, Oberflächen bzw. Bodenbeschaffenheit sowie tatsächliche Bebauungsmöglichkeit bestimmt.[50]
Gem. § 9 Abs. 2 S. 2 BewG sind bei der Bestimmung des gemeinen Werts auch sonstige wertbeeinflussende Umstände zu berücksichtigen. Hier kommen insbesondere Umstände wirtschaftlicher, rechtlicher oder tatsächlicher Art in Betracht. Zu den Umständen wirtschaftlicher Art sind die Nachfrage sowie die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Wirtschaftsguts zu zählen.[51] Bei den Umständen rechtlicher Art handelt es sich insbesondere um dingliche Beschränkungen am Eigentum des Wirtschaftsguts. Bei der Bewertung von Grundbesitz sind insbesondere Lasten zu berücksichtigen, welche dem Grundstück ohne zeitliche Beschränkung anhängen und auf den Erwerber übergehen. Dies ist der Fall bei Grunddienstbarkeiten wie Nießbrauch oder Wegerechten, Reallasten wie Erbbauzins und Beschränkungen durch Überbau oder Notwegerechte.[52] Zu Umständen tatsächlicher Art bei Grundstücken zählen insbesondere Umwelteinflüsse wie Lärm, Geruch oder Erschütterungen.[53]
Die Ermittlung des jeweiligen Grundbesitzwertes erfolgt im Wesentlichen anhand von Bewertungsverfahren, welche sich an die von Sachverständigen verwendete Immobilienwertermittlungsverordnung anlehnt.[54]
Gegenstand der Bewertung ist die wirtschaftliche Einheit.[55] Bei der Bewertung ist es daher von entscheidender Bedeutung, was zum Umfang der wirtschaftlichen Einheit gehört.[56] Jede einzelne wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 BewG ist für sich zu bewerten, des Weiteren ist ihr Wert im Ganzen festzustellen, § 2 Abs. 1 S. 2 BewG.[57] Eine wirtschaftliche Einheit kann entweder aus einem einzelnen Wirtschaftsgut bestehen, welches ein Eigendasein im Wirtschaftsleben führt, oder aus einer Verbindung mehrerer Wirtschaftsgüter, die als Sachgesamtheit einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck dienen.[58] Gem. § 2 Abs. 1 S. 3 und 4 BewG richtet sich die wirtschaftliche Einheit nach der Verkehrsanschauung. Diese berücksichtigt insbesondere die örtliche Gewohnheit, tatsächlich Nutzung, Zweckbestimmung und wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter.[59] Eine wirtschaftliche Einheit liegt gem. § 2 Abs. 2 BewG nur vor, wenn die einzelnen Wirtschaftsgüter demselben Eigentümer zugeordnet werden können.[60] Für Zwecke der Erbschaft und Schenkungsteuer richtet sich die Bestimmung des Eigentümers grundsätzlich nach den zivilrechtlichen Verhältnissen.[61]
Die Wahl der Bewertungsmethode für bebaute Grundstücke wird grundsätzlich durch § 182 BewG festgelegt. Hierbei ist aus den vorgegebenen Regelbewertungsverfahren auszuwählen. Welches Verfahren dabei anzuwenden ist, ergibt sich aus der Grundstücksart des zu bewertenden Grundstücks. Die Sonderverfahren finden nur bei entsprechen genannten Grundstücken Anwendung.[62]
Abb. 1: Reihenfolge der Bewertungsverfahren
Quelle: Krause/Grootens, Neue Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, 2015, S. 9
In den Regelverfahren kommt grundsätzlich nur ein Verfahren zur Anwendung. Die Ausnahme bildet der nach dem Vergleichswertverfahren abgeleitete Bodenwert, welcher im Rahmen des Ertrags und Sachwertverfahrens für bebaute Grundstücke in die Wertberechnung mit einbezogen wird. Mischverfahren sind ansonsten ausgeschlossen.[63]
Für Mietwohngrundstücke sieht das BewG ausschließlich das Ertragswertverfahren vor. Ebenso sind sonstige bebaute Grundstücke ausschließlich im Sachwertverfahren zu bewerten. Bei allen anderen Grundstücksarten gibt es jeweils ein vorrangiges und ein nachrangiges Bewertungsverfahren. Bei Ein und Zweifamilienhäusern ist vorrangig das Vergleichsverfahren anzuwenden. Liegen keine Vergleichswerte vor, ist das Sachwertverfahren anzuwenden. Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke werden vorrangig im Ertragswertverfahren bewertet. Lässt sich hierfür die notwendige übliche Miete nicht ermitteln, greift ebenfalls das nachrangige Sachwertverfahren.[64] In Mischfällen wird die gesamte wirtschaftliche Einheit nach dem Sachwertverfahren ermittelt.[65]
Allerdings hat der Steuerpflichtige auch die Möglichkeit auf die Anwendung des Bewertungsverfahrens Einfluss zu nehmen. Das BewG gewährt dem Steuerpflichtigen generell die Möglichkeit, einen niedrigeren Wert nachzuweisen (§ 198 BewG). Soweit der Finanzbehörde für das zu bewertende Grundstück keine Vergleichswerte bzw. übliche Mieten vorliegen, kann der Steuerpflichtige diese im Wege eines...