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Die Vandalen

Aufstieg und Fall eines Barbarenreichs

AutorRoland Steinacher
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl554 Seiten
ISBN9783608109511
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
406 n. Chr.: Die Vandalen überrennen die Grenzen des Römischen Reiches. Ihr mächtiger Anführer Geiserich erobert Rom. Lebendig und mitreißend erzählt Roland Steinacher die Geschichte des berüchtigsten Germanenvolkes und zeichnet ein von Mythen und Legenden befreites, modernes Bild der barbarischen Invasoren. Vandalen, Alanen und Sueben - ihre Namen stehen bis heute für Zerstörung und Verwüstung. Sie zogen quer durch Europa, kämpften in Gallien und Spanien in römischen Bürgerkriegen oder auf eigene Rechnung. Schließlich gelang es ihnen, das römische Afrika zu erobern. Der Autor revidiert unsere Auffassung von den Vandalen als unzivilisierten Horden. Vielmehr waren sie Pioniere bei der Umgestaltung der römischen Welt. Unter den vandalischen Herrschern wurden die ehemals römischen Provinzen zu einem wohlhabenden und gut funktionierenden Königreich. Zum ersten Mal bettet der Autor die Geschichte der Vandalen in die Verhältnisse des römischen Mittelmeerraums im 5. und 6. Jahrhundert ein. Zugleich erfährt der Leser, wie der Vandalenname bis heute in unserem historischen Bewusstsein fortlebt.

<p>Roland Steinacher ist Althistoriker und Mediävist, er lebt und arbeitet in Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. die Spätantike, das europäische Frühmittelalter und die Geschichte Nordafrikas von der Kaiserzeit bis ins 12. Jahrhundert. Seit 2015 ist er Humboldt-Stipendiat an der Universität Erlangen-Nürnberg und der FU Berlin.</p>

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Leseprobe

EINLEITUNG: EINE GESCHICHTE DER VANDALEN


Wenn eine Geschichte der Vandalen auch sonst nichts leisten sollte, so ist sie doch ein Beytrag für den noch zukünftigen Geschichtsschreiber der Völkerwanderungen, wenn sie mit Genauigkeit beschrieben und in guter Ordnung vorgetragen ist. Ob mein Versuch, diese Eigenschaften besize, muß ich der Beurtheilung gründlicher Geschichtsforscher überlassen. Daß ich es glaube, ist ganz natuerlich, sonst wuerde ich es ja nicht wagen, diesen kleinen Aufsaz dem Publikum vorzulegen. So viel ist gewiß, daß ich mit allem mir möglichen Fleiß die Quellen, nebst den hieher gehörigen Huelfsmitteln gebraucht habe, und daß ich mir schmeichle, in Ansehung der Genauigkeit und Vollstaendigkeit so viel geleistet zu haben, als die mangelhaften Nachrichten der Alten erlaubten. Die Fehler des Vortrags wird man hoffentlich einem angehenden Schriftsteller, der gern billige Zurechtweisungen annehmen wird, uebersehen.1

CONRAD MANNERT (1756–1834)

Während Conrad Mannert 1785 noch einen »kleinen Aufsaz dem Publikum« vorlegte, sind nun die Leserinnen und Leser auf den folgenden Seiten eingeladen, die wechselvolle Geschichte der Vandalen in extenso zu verfolgen. Vom Erscheinen vandalischer Kontingente an den Grenzen des römischen Imperiums im späten 2. Jahrhundert bis zum Verschwinden dieses Völkernamens unter Kaiser Justinian (527–565) wird von den – stets zwischen Konflikt und Bündnis wechselnden – Verhältnissen zwischen Barbaren und Römern berichtet.2 Die Herkunft und der Bedeutungsgehalt des Vandalennamens liegen, wie bei so vielen sozialen Gemeinschaften außerhalb der Grenzen des Römischen Reichs, im Dunkeln. Über zweihundert Jahre lang lebten Vandalen an den römischen Grenzen, und nicht wenige machten Karriere in der kaiserlichen Armee. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts änderten sich die bis dahin einigermaßen stabilen Verhältnisse dramatisch. Vandalen, Alanen und andere Militärverbände drangen 406 mit Gewalt ins Reich ein. Von der unteren Donau über den Rhein bis nach Gallien und weiter nach Spanien und Afrika beteiligten sich diese Truppen an römischen Bürgerkriegen, kämpften in eigener Sache oder standen im Sold römischer Anführer.

Die Ereignisse 405/406 am Rhein und in Gallien fielen in eine kritische Phase der römischen Geschichte. In Britannien erschienen 406/407 gleich drei neue Kaiser, und einer von ihnen, Constantin (III.), schaffte es in weniger als zwei Jahren, Gallien und Spanien zu kontrollieren. In diese römischen Machtkämpfe wurden auch jene Gruppen verwickelt, die die Quellen »Vandalen« und »Alanen« nennen. Mehrere Faktoren kamen zusammen. Innerhalb der Reichsgrenzen verlor die Zentralmacht in den westlichen römischen Provinzen zusehends an Ansehen und Durchsetzungskraft. Immer deutlicher traten lokale Interessen und Lösungen in den Vordergrund. Die Folge war eine fortschreitende Auflösung der Bezüge einzelner Provinzen zum politischen Zentrum. Neue, regionale Strukturen bildeten sich aus, und deren militärische Führungsschicht geriet mit den eingesessenen zivilen und kirchlichen Eliten in teils heftige Konflikte. Auch ohne eine ›Invasion der Barbaren‹ verlor die römische Führung in den Reichszentren während des 5. Jahrhunderts die Kontrolle über die zentrifugalen Kräfte in den Provinzen. Damit eröffneten sich ehrgeizigen Heerführern römischer wie nichtrömischer Herkunft immer größere Spielräume, und so konnte letztlich Geiserich (regierte 428–477) in Nordafrika sein Vandalenreich errichten. Dabei knüpfte er übrigens auch an die Politik afrikanischer Vorgänger wie der Mauren Firmus und Gildo oder der Römer Heraclianus und Bonifatius an.

Es gelang Geiserich also nach Jahrzehnten des Kriegs, seinen Leuten Afrika zu sichern. Ein mit der weströmischen Regierung geschlossener Friedens- und Freundschaftsvertrag im Jahr 442 lieferte ihm zudem einen legitimen Vorwand, sich und seine Soldaten mit Land zu versorgen. Macht war an Grundbesitz gebunden; die Zahl der Kämpfer, die man bezahlen konnte, war folglich am Ausmaß dieses Besitzes ablesbar. Geiserich musste zudem die vandalisch-alanische Elite zusammenhalten. Trotz schwerer Verteilungskonflikte im Lauf des vandalischen Jahrhunderts von 429 bis 533 schaffte es die Dynastie Geiserichs, an der Macht zu bleiben. Geiserich gewann dabei mehr Handlungsspielräume als jeder andere Militär, der die Machtfrage im Westen stellte, musste er doch von Anfang an weniger Rücksicht auf bestehende Eliten nehmen. Afrika war nicht das Reichszentrum, und die weltlichen wie kirchlichen Machthaber hatten nicht das Potential ihrer Amtskollegen in Italien. Die militärischen Verbände um den rex Geiserich konnten daher andere Methoden für den Machterhalt nutzen als ihre Konkurrenten in Hispanien, Italien, Gallien oder im Osten des Reichs. Dieser Weg war gegenüber der katholischen Kirche und den etablierten aristokratischen Familien bisweilen harscher und gewalttätiger als der gotische, fränkische, burgundische oder jener der Heermeister im Reichszentrum, bewegte sich aber letztendlich genauso im Rahmen der römischen Ordnung.

Dieses Buch versteht vandalische Geschichte als einen Teil der römischen Geschichte. Die Vandalen waren »römische Barbaren« – Soldaten, die sich im spätantiken Mittelmeerraum einen privilegierten Platz in der Gesellschaft zu sichern wussten. Dabei gilt es zu beachten, dass die Bezeichnung »Barbar« im spätantiken Latein eine bezeichnende Bedeutungsverschiebung erfahren hat. Meinte barbarus zunächst »fremd«, »unrömisch« oder »ungesittet«, bedeutete das Wort wenig später »unbändig« oder »wild«, um dann den semantischen Gehalt von »tapfer« oder »wacker« wie im Englischen und Französischen brave und im Italienischen und Spanischen bravo anzunehmen.3 Barbarisch und soldatisch waren in der Spätantike nicht voneinander zu trennen. Das hatte auch finanzielle Gründe: Ein römischer Rekrut kostete im 5. Jahrhundert sechs Mal so viel wie ein barbarischer Föderat. Gleichzeitig militarisierte sich die römische Gesellschaft. Eine Armee von Barbaren war für einen reichen Mann durchaus finanzierbar, und Kaiser oder Heermeister operierten mit eigenen Hausarmeen. Jeder, der im Imperium Romanum seine Ansprüche durchsetzen wollte, musste (zumindest im Westen) auf preisgünstige barbarische Krieger zurückgreifen.

Die Barbaren wiederum waren sich der finanziellen und machtpolitischen Möglichkeiten, die sich ihnen durch diese Konstellation ergaben, durchaus bewusst. Die Übernahme der Macht, wie es die Vandalen in den afrikanischen Provinzen vorgezeigt hatten, war verlockend. Menschen barbarischer Herkunft und entsprechender Rechtsstellung waren spezialisierte Dienstleister, die die Gelegenheit der Auflösung der römischen staatlichen Strukturen wahrnahmen. Sie machten sich selbständig, operierten ohne römische Titel und Aufträge, und unter günstigen Umständen gelang es, eigene regna zu errichten, die sie nun nach ihren Bedürfnissen gestalten konnten. Denn die neuen militärischen Eliten strebten die Kontrolle des römischen Steuersystems und den Besitz landwirtschaftlicher Güter an. Diese Übernahme funktionierender römischer Provinzen und Städte ermöglichte eine langfristige Versorgung der barbarischen Soldaten. Zugleich wurde es für viele Menschen attraktiv und wünschenswert, ein Vandale zu werden. So kann nur vor dem Hintergrund der Verhältnisse des römischen Mittelmeerraums im 5. und 6. Jahrhundert verstanden werden, was es bedeutete, Vandale zu sein.

Die vandalischen reges bzw. Könige orientierten sich seit Geiserich an den Kaisern des Reichs und regierten, wenn man so will, ein Imperium im Kleinen. Wie Theodosius der Große waren sie ostentativ christliche Herrscher, nur förderten sie die homöische oder arianische Kirche. Das lag daran, dass durch die Entwicklungen des 4. Jahrhunderts die in Nicäa und Konstantinopel verabschiedeten Glaubenssätze für alle römischen Bürger absolut gestellt worden waren. Diese Regelung galt jedoch nicht für die Föderaten, die Soldaten von außerhalb der Reichsgrenzen. Die arianisch/homöischen Geistlichen, die im 4. Jahrhundert ihre Positionen verloren hatten, fanden nun bei den barbarischen Armeen der Vandalen und Goten eine neue Heimat und neue Möglichkeiten. So kam es, dass in Afrika heftige...

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